Auf dem Nürburgring haben wir eines der besten Rennen der jüngeren DTM-Geschichte gesehen. Schon das Qualifying hatte nach Wetterkapriolen und Regeldiskussionen eine brisante Basis für den Sonntag geboten – da hätte es die Fehlentscheidung bei Audi gar nicht gebraucht: Dass man auf Regen spekuliert und einige Autos auf Regenreifen starten lässt, war nachvollziehbar - mit fast allen Fahrzeugen zu pokern allerdings nicht.

Mit Tom Kristensen, Mike Rockenfeller und anderen Fahrern, die nicht in den Titelkampf involviert sind, hätte man durchaus etwas riskieren können. So jedoch war schon vor dem Start abzusehen, dass das Experiment scheitern und man mit keinem Fahrzeug mehr um den Sieg mitreden wird. Denn selbst wenn der Regen relativ rasch gekommen wäre, wären die Regenreifen nach wenigen Kilometern auf trockenem Asphalt ruiniert gewesen.

Kampfstarker Gary

Trotz allem ist es schwer, von außen über die Audi-Entscheidung zu urteilen. Bei den Ingolstädtern war man nun einmal der festen Überzeugung, dass es regnen wird. Bei Mattias Ekström und Timo Scheider, bei denen es um viel geht, hat man noch vor dem Start zurückgewechselt - und konnte noch Schadensbegrenzung betrieben. Die Performance der Audi-Neuwagen stand auch auf dem Nürburgring außer Frage. Timo steht nach wie vor mit vier Punkten in der Meisterschaft vorne. Es ist enger geworden in der Meisterschaft - das kann für die DTM nur positiv sein.

Gary Paffett war wieder einmal extrem stark - und hat gezeigt, was auch mit einem Mercedes-Jahreswagen möglich ist. Seine Zweikämpfe haben dem Rennen zusätzliche Würze gegeben. Im Duell mit den beiden Audi-Piloten war die erste härtere Berührung von Mattias ausgegangen. Danach haben sich die beiden an der Grenze des sportlich Vertretbaren einen harten Fight geliefert und sich gegenseitig unter einigem Teileverlust berührt, was durchaus auch hätte schief gehen können.

Gary wurde vorgeworfen, dass er Timo ausgangs der Haarnadelkurve aufgefahren ist und ihm so die Aerodynamik am Heck beschädigt hat. Allerdings ist auch hier zu bezweifeln, dass dies eine bewusste Aktion war. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits sehr rutschig auf der Strecke, und die beiden fuhren noch auf Trockenreifen. Offenbar war Gary bereits früh auf dem Gas, Timo hingegen hatte noch nicht die nötige Traktion, um in Garys Tempo heraufzubeschleunigen. Einen Vorteil hat sich Gary durch diese Aktion nicht verschafft.

Beständiger Ralf

Schon am Start war das Scheitern des Audi-Experiments abzusehen, Foto: DTM
Schon am Start war das Scheitern des Audi-Experiments abzusehen, Foto: DTM

Ralf Schumacher hat - nahezu unbemerkt - seinen ersten Punkt eingefahren. Seine Leistung war erneut mehr als solide. Er war schon in den freien Trainings sehr stark, ist einen guten Long Run gefahren, hat sich auch im Qualifying keine Blöße gegeben. Anders als die früheren Mitglieder der Ex-Formel-1-Fraktion zeigt Ralf Schumacher auch in seiner ersten DTM-Saison keine Formschwankungen, sondern arbeitet sich beständig nach oben.

Ich bin auf seine Leistung gespannt, wenn er im nächsten Jahr ein neues Auto hat. Denn so, wie er sich entwickelt hat, ist der Neuwagen für ihn ein logischer Schritt. Bei Mercedes hat man nun ein Luxusproblem. Mit den vier aktuellen HWA-Piloten, Ralf und Gary gibt es gleich sechs Fahrer, die für 2009 ein Cockpit in einem aktuellen Boliden verdienen. Hoffen wir, dass man im kommenden Jahr mehr Neuwagen einsetzt.

Bei der Entscheidung, am Ende noch auf Regenreifen zu wechseln oder nicht, gab es kein Patentrezept. Es kam darauf an, wie viel Vorsprung man sich bereits auf den Hintermann erarbeitet hatte. Bei Bernd ist der Verbleib auf Trockenreifen aufgegangen. Er ist im Regen ein bemerkenswert starkes Rennen gefahren - und hat unter schwierigsten Bedingungen seinen Vorsprung ausbauen können.

Bernd ist im Nassen eine sichtlich andere, geschicktere Linie gefahren als die Konkurrenz, während sich Paul di Resta das eine oder andere Mal verbremste. Das war Schneider at his best - er hat seine ganze Erfahrung ausspielen können. Bernd wird aus diesem Wochenende viel Selbstvertrauen gewonnen haben. Schon in der schwierigen Qualifikation war er endlich noch einmal Schnellster in HWA-Reihen. Und vielleicht gibt es auch im Qualifying von Brands Hatch typisch englisches Wetter...

Schwächelnder Bruno

Von Bruno Spengler hätte ich auf dem Nürburgring mehr erwartet. In der Trockenphase war er schnell auf Platz fünf vorgefahren - als es nasser wurde, verschwand er wieder von der Bildfläche. Noch vor zwei Jahren hat Bruno das Rennen auf dem Nürburgring unter abtrocknenden Bedingungen dominiert. Zurzeit jedoch hat Bruno keinen Lauf - ihm fehlt es im Rennen an konstantem Speed. Unter normalen Umständen hat er mit der Meisterschaft nichts mehr zu tun. So ist es der Vierkampf zwischen Timo Scheider, Jamie Green, Mattias Ekström und Paul di Resta, der uns ein spannendes Saisonende bescheren wird.

Mattias ist in diesem Quartett der einzige Pilot mit Erfahrung im Titelkampf - doch ich glaube nicht, dass dies eine große Rolle spielen wird: Alle vier haben schon einen extremen Druck erfolgreich bewältigen müssen, um überhaupt erst in ihre jetzige Situation zu kommen. Sie erleben einen positiven Stress, der sie beflügelt. Entscheidend werden Nuancen bei den Setups sein - so auch in Brands Hatch. Es erwartet uns ähnlich wie auf dem Norisring eine extrem kurze Strecke mit entsprechend vielen Überrundungen. In einem sich zuspitzenden Titelkampf wird es dort richtig zur Sache gehen