Um rund 15 Minuten war gestern der Beginn der dritten Qualifying-Session verschoben worden - weitere rund 15 Minuten brauchten die Verantwortlichen, um sich auf das korrekte Ergebnis zu einigen. So sehr sich Mercedes-Sportchef Norbert Haug auch über die Wertung der ersten Session erregte, so einleuchtend schien die Entscheidung der Sportkommissare. Doch ist die entscheidende Reglementpassage tatsächlich so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint? Manuel Reuter hat Zweifel.

So war es Artikel 48.5 des Sportlichen Reglements, der gestern Abend für Verwirrung sorgte: "Wird das Qualifying abgebrochen und nicht wieder neu gestartet bzw. konnte aufgrund besonderer Umstände kein Qualifying stattfinden, wird die Startaufstellung für den Wertungslauf aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt gefahrenen und beendeten Sektionen oder bei Nichtdurchführung des [kompletten ]Qualifying nach dem aktuellen Tabellenstand gebildet." Stein des Anstoßes ist die Formulierung "beendet" - auch aus Sicht Manuel Reuters:

"Auch ich habe den Reglementpassus mehrfach gelesen - und er ist nicht hundertprozentig klar definiert. Es gibt einen gewissen Raum für Interpretationen. Normalerweise ist aber ein Abbruch mit Rot nicht der normale Weg, eine Session zu beenden - das tritt bei extremen Wetterbedingungen, Unfällen und blockierter Strecke ein", erläutert der motorsport-magazin.com DTM-Experte. "Wenn ich das Rot so interpretiere, ist es klar, dass die Wertung nach der ersten, regulär beendeten Session vorgenommen werden muss." Eine Interpretation, die die Sichtweise der Audi-Fraktion, aber auch der Sportkommissare bestätigt.

Die Titelfavoriten haben diesmal mit schlechten Startpositionen zu kämpfen, Foto: Sutton
Die Titelfavoriten haben diesmal mit schlechten Startpositionen zu kämpfen, Foto: Sutton

"Wenn ich aber sage, dass auch die rote Flagge eine normale Beendigung des Trainings ist, dann hätte man nach der zweiten Session werten müssen", stellt Reuter die Mercedes-Meinung dar - und fordert Klarheit im Sportlichen Reglement: "Das Reglement müsste wohl in diesem Punkt nachgebessert werden. In der Außenwirkung für die Fans war es nicht glücklich, dass das Ergebnis nach den Diskussionen um die Reglementspassage erst so spät feststand." Umso positiver könnten insbesondere für die Zuschauer die Spätfolgen des chaotischen Qualifyings sein - in Form eines spannenden Rennens.

So erwartet auch Manuel Reuter einen weit interessanteren Run auf Sieg, Punkte und Podest als noch vor zwei Wochen in Zandvoort. "Die Startaufstellung hat eine gewisse Brisanz. Timo Scheider steht auf neun, Rocky ist vorne, Paffett ist vorne. Das ist das, was wir uns wünschen", freut sich der ITC-Champion von 1996. "Es wird interessant sein zu sehen, wie weit es die Meisterschaftsfavoriten in die Punkte schaffen. Tendenziell alle, die um die Meisterschaft fahren, stehen im hinteren Bereich. So können die Teams nicht einen Einzelnen durchwinken."

Trotz der dreifachen Audi-Pole aus Tom Kristensen, Mike Rockenfeller und Martin Tomczyk sieht Manuel Reuter die Stuttgarter nicht zwingend in einer schlechteren Position. Er beruft sich auf den für HWA, aber auch für Mücke so vielversprechenden Freitagnachmittag: "Zwischen Mercedes und Audi ist das Kräfteverhältnis ausgeglichen - Brunos und Ralfs Long Runs am Freitag waren enorm gut."