Zugegeben: Das spannendste Rennen der DTM-Geschichte haben wir in Zandvoort nicht gesehen. Der sechste Saisonlauf stand ganz im Zeichen einer unspektakulären, aber auch umso beeindruckenderen Triumphfahrt der Audi-Neuwagen. Für die nötige Brisanz haben zumindest Bernd Schneider und Mike Rockenfeller mit ihren Duellen am Samstag und Sonntag gesorgt. Die beiden haben ein paar deutliche Worte gewechselt - und Emotionen sollten im Motorsport schließlich erlaubt sein.

Mattias Ekström und Timo Scheider haben sich an der Spitze trotz fehlender Überholchancen ein bemerkenswertes Rennen geliefert. Am Ende ist es Mattias gelungen, vorne zu bleiben - nicht nur auf Grund seines jeweils um eine Runde früheren Boxenstopps. Auch wenn Timo nicht ganz glücklich mit seiner Taktik war, glaube ich nicht, dass er mit anders getimten Stopps an Mattias hätte vorbeiziehen können. Zwar hätten Mattias und Timo von ihren "beiden" Abt-Teams, denen sie jeweils zugeteilt sind, gleichzeitig in die Box gerufen werden können. Das hätte für Timo aber nichts am Ergebnis geändert. Mit zwei so gut aufgelegten Fahrern an der Spitze der Meisterschaftstabelle hat Dr. Wolfgang Ullrich nunmehr ein Luxusproblem.

Fahrerisches Niveau höher denn je

Dass mittlerweile viele Zuschauer der Meinung sind, die aktuelle Saison sei weniger interessant als die letztjährige, ist sicherlich in gewisser Weise nachvollziehbar. Gerade in Zandvoort ist die in diesem Jahr nach 2007 nochmals gesunkene Fehlerquote von Fahrern und Teams aufgefallen. Hier wird der DTM die Professionalität ihrer Akteure fast schon zum Nachteil, denn diese ist den Zuschauern in dieser Form nicht zu vermitteln. Auch die DTM hat hier ein Luxusproblem: So gibt es in der Serie nicht mehr wie in früheren Jahren Fahrer, die nicht mit dem allgemeinen fahrerischen Niveau mithalten können. In den letzten Jahren ist die fahrerische Qualität der DTM so gut geworden, dass nicht nur frühere Formel-1-Fahrer ihre Schwierigkeiten haben - auch die Jahreswagen sind fahrerisch hervorragend besetzt.

Trotz Gewichtsreduktion fuhren die Jahreswagen hinterher, Foto: DTM
Trotz Gewichtsreduktion fuhren die Jahreswagen hinterher, Foto: DTM

Auch ist unstrittig: 2007 ging es ausgeglichener zu. In Oschersleben konnte ein Jahreswagen gewinnen, in Zandvoort hätte es sogar noch in der zweiten Saisonhälfte zu einem weiteren Jahreswagensieg reichen können. Was die Meisterschaft angeht, bleibt es dennoch spannend - gerade was auch das interne Duell zwischen Mattias Ekström und Timo Scheider angeht, die momentan in einer eigenen Liga fahren. Bei Mercedes kämpfen unverändert Jamie Green, Bruno Spengler und Paul di Resta um die Vorherrschaft im Titelkampf - auch wenn Paul während der letzten beiden Wochenenden etwas zurückgefallen hat.

Für die abschließende Bewertung der Regeländerungen ist es noch zu früh. Zandvoort ist Audi seit jeher wie auf dem Leib geschneidert - dem aktuellen A4 DTM noch mehr als seinen Vorgängern. So hätte sich Audi in den Niederlanden nur selbst schlagen können. Am Ende war der Vorsprung auf Mercedes noch größer, als die Ingolstädter selbst gedacht hatten. Betrachtet man den Zandvoort-Lauf im Kontext des vorherigen Rennens auf dem Norisring, lassen sich weniger Kräfteverhältnisse als vielmehr die konzeptionellen Unterschiede zwischen dem A4 und der Mercedes C-Klasse ableiten. Diese Unterschiede bestehen tendenziell seit Jahren, sind aber 2008 noch ausgeprägter als gewohnt.

Zu hohe Erwartungen

Trotz allem wird das größere Boxenstoppfenster auch in den nächsten Rennen keine allzu unterschiedlichen Strategien hervorbringen - da sind die Erwartungen wohl zu hoch gewesen. Am Kommandostand wird man weiterhin die Konkurrenz beobachten und entsprechend auf ihre Taktik reagieren. Auch dass die Mercedes-Jahreswagen nach der Gewichtsreduktion um zehn Kilogramm bedeutende Fortschritte machen, war von vorn herein nicht zu erwarten. Dafür müsste die 2007er-C-Klasse wohl um weitere zehn Kilo erleichtert werden.

Für die Jahreswagen wird es weiterhin prinzipiell schwer, in die Punkte zu fahren, denn der Unterschied zu den Neuwagen ist schlichtweg zu groß - und die Fehlerquote der Neuwagenpiloten zu klein. Abt-Audi und HWA-Mercedes sind sowohl fahrerisch als auch hinsichtlich ihrer Kompetenz als Team extrem gut besetzt. In ihrer Professionalität kommen die Jahreswagenteams nicht ganz mit - was sein Übriges zum Rückstand der 2007er-Boliden beiträgt.

Im Rückblick haben sich durchaus nicht alle für 2008 neu eingeführten Regeln als gelungen herausgestellt. So kann man über die Blaue-Flagge-Regelung geteilter Meinung sein. Wenn jemand schon einen Boxenstopp absolviert hat und auf einen Konkurrenten aufläuft, der noch die Box aufsuchen muss, geht es immerhin um Positionen. Zur absichtlichen Blockade sollte eine solche Situation zwar nicht genutzt werden - vor allem dann nicht, wenn es um die Meisterschaft geht.

Allerdings hatte es immer auch seinen Reiz, wenn sich ein Fahrer auf neuen Reifen gegen seinen Vordermann auf alten Pneus durchsetzen musste. Diese neue Regel nimmt den Rennen ein Stück ihrer Brisanz. Auch hier zeigt sich das Problem des Herstellermangels: Mit drei bis vier Herstellern hätte sich das Problem der taktischen Blockademöglichkeiten weit gehend von selbst gelöst. Immerhin: Der Nürburgring sollte Mercedes wieder deutlich besser liegen als Zandvoort, es wird Gewichtsgleichstand herrschen - und das Rennen verspricht, spannend zu werden...