Der fünfte Saisonlauf auf dem Norisring war Werbung für die DTM: Wir haben ein spannendes und hartes, aber durchweg sehr faires Norisring-Rennen gesehen, das auch ohne größere Rempler und Safety-Car-Phasen ausgekommen ist. Beide Hersteller hatten sich bei Testfahrten speziell auf den Norisring vorbereitet - was vor allem bei Audi durchaus Früchte getragen hat: Auch wenn die entscheidenden Nuancen gefehlt haben, waren die Ingolstädter näher an der Spitze als in Nürnberg gewohnt. Mann des Rennens war jedoch Gary Paffett:

Gary hat über 74 Runden hinweg keinen Fehler gemacht, ist tolle Rundenzeiten gefahren und hat die Gegner niedergekämpft. Dass er im Jahreswagen noch vor zwei aktuellen Mercedes ins Ziel gekommen ist, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden - trotz der späteren Disqualifikation wegen seines zu leichten Autos. Die dreieinhalb Kilogramm, um die er zu leicht war, hätten an seiner Performance nichts geändert.

Sein zu niedriges Gewicht kann viele Gründe gehabt haben: Vielleicht hat er ein Teil verloren, vielleicht hat sich das Team bei der Messung auf der eigenen Waage geirrt. Möglicherweise ist bei den 7,5 Litern Wasser, die die Piloten in Nürnberg zur Kühlung der Bremsen mitgenommen haben, ein Rechenfehler passiert, oder Gary hat mehr Sprit benötigt als vorausgesagt. Man sollte dem Persson-Team nichts unterstellen - wegen 3,5 Kilogramm wird nicht geschummelt.

HWA-Vorherrschaft offen

Die Leistung der übrigen Jahreswagen entsprach der Vorstellung, die wir schon in den Rennen zuvor bedauert haben. Ich hoffe, dass alle Beteiligten - und speziell Audi - nun ein Einsehen haben und sich auf ein modifiziertes Gewichtsreglement einigen. Im vergangenen Jahr hat es viel zur Würze der Rennen beigetragen, dass sich die Jahreswagen immer wieder unter die aktuellen Boliden mischen konnten. Im Sinne des Sports sollte gehandelt werden, und die Voraussetzungen dafür haben sich verbessert. Mit Blick auf das Rennen in Zandvoort wird Audi vermutlich nicht die Befürchtung haben, dass ein reglementarisch erleichterter Jahreswagen der Konkurrenz vor den eigenen 2008er-Boliden landen könnte.

Gary Paffett wusste in Nürnberg zu überzeugen, Foto: Sutton
Gary Paffett wusste in Nürnberg zu überzeugen, Foto: Sutton

Einen unauffälligen, aber auch sehr guten Job hat Jamie Green gemacht. Am Freitag zeigte er sich mit dem Bremsverhalten seines Autos noch unzufrieden. Doch nachdem er sich die Videoanalyse angesehen hatte, fand er eine bessere Linie und setzte diese auch perfekt um. Von Startplatz zwei aus hat er nicht mehr die Fehler gemacht, die ihm noch in den Jahren zuvor häufig unterlaufen waren - und hat das Rennen nach einem perfekten Start kontrollieren können. Auf Jamie wird die Konkurrenz aufpassen müssen. Er agiert stets unauffällig, setzt seine Chancen aber in diesem Jahr konsequent um. Ebenso wird in der Meisterschaft noch mit Paul di Resta und Bruno Spengler zu rechnen sein - von Bernd Schneider abgesehen ist der Titelkampf bei Mercedes völlig offen.

Appell an die Hersteller

Der Verbremser von Mattias Ekström, der so den dritten Platz an Timo Scheider abgab, ließ hingegen Raum für Spekulationen. In den vergangenen Jahren war zu beobachten, dass Mattias gerade dann keine Fehler macht, wenn der Druck von hinten am größten ist. Wer seinen Teamkollegen während der letzten Runden im Rückspiegel hat, weiß, dass im Zweikampf nicht mehr voll attackiert wird - und daher auch nicht das Risiko eines Fahrfehlers eingegangen werden muss. Nach dem Rennen saß Mattias fast eine halbe Stunde im Parc fermé und ließ sich von diversen Leuten trösten. Auch das ist für Mattias ungewöhnlich, denn jemand wie er steckt einen einfachen Fahrfehler für gewöhnlich viel souveräner weg.

Mit Blick auf seine fahrerische Performance wäre Mattias auch weiterhin ein Kandidat auf den Titel - und so kann man an die Hersteller nur appellieren, in Zandvoort im Sinne des Sports zu handeln. Gerade mit nur zwei Marken darf nicht wie schon 2007 der Eindruck entstehen, dass ohnehin alles abgesprochen ist. Solange es so sehenswerte teaminterne Kämpfe gibt wie auch diesmal auf dem Norisring, tritt die Debatte um den Herstellermangel in den Hintergrund. Müssen wir uns aber wie beim letzten Zandvoort-Rennen erneut mit dem Thema Stallorder plagen, ist dem Sport nicht geholfen.

Ein wenig mehr Brisanz könnte der DTM zwar momentan nicht schaden. Doch nachdem Norbert Haug Mattias' Verbremser schon relativ deutlich kommentiert hat, bleibt zu hoffen, dass die Diskussionen in Zandvoort nicht erneut ausarten. Audi darf sich an der niederländischen Nordseeküste ohnehin Hoffnungen auf eine gelungene Revanche machen: Ausgestattet mit einem Gewichtsvorteil von zehn Kilogramm und einem Auto, das für den Kurs traditionell gut geeignet ist, haben die Abt-Audi-Piloten gute Aussichten, dass das Pendel wieder umschlägt.