Das erste Saisondrittel liegt hinter uns - und wer hätte nach den dominanten Audi-Vorstellungen in Hockenheim und Oschersleben gedacht, dass Mercedes schon jetzt in der Siegbilanz gleichzieht? Die Mannschaft um Gerhard Ungar hat in den vergangenen Wochen auch ohne Tests sukzessive weitergearbeitet und offenbar deutliche Fortschritte erzielt. Der EuroSpeedway Lausitz ist allerdings eine traditionelle Mercedes-Strecke, die den Stuttgartern mit einem hohen Bedarf an Traktion und Topspeed entgegenkommt. Und hätte es keinen Paul di Resta gegeben, wäre das Rennen zu Gunsten Audis ausgegangen. Die Ingolstädter waren mannschaftlich stärker aufgestellt, denn ob Bruno Spengler dem Druck der Audi-Neuwagen ohne seinen missglückten Boxenstopp hätte standhalten können, ist zweifelhaft.

Dominanter di Resta

Paul di Resta hatte schon im letzten Jahr gezeigt, dass er richtig viel Performance mitbringt - und deshalb ein aktuelles Auto verdient. In Hockenheim hatte er noch das Pech eines missglückten Boxenstopps, in Oschersleben und Mugello lief es ebenfalls noch nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Doch nun könnte ich mir durchaus vorstellen, dass Paul seine teaminterne Vorherrschaft manifestiert. Paul ist in Höchstform - und seine Teamkollegen müssen auch mit Blick auf die Meisterschaftstabelle aufpassen, dass er ihnen nicht davonfährt.

Das gilt auch für Bruno Spengler: Selbst er schien nach seinem zweiten Platz in der Qualifikation irritiert, nachdem er für seine Verhältnisse ungewohnt deutlich von seinem Teamkollegen distanziert worden war. Es wird interessant sein zu sehen, wie Bruno mit dieser Situation zurechtkommen wird - denn bisher war er meist derjenige, der bei HWA die Pace vorgegeben hat. Sehr frustriert war auch Bernd. Auch wenn sein momentanes Tief nichts mit seinem Alter im eigentlichen Sinne zu tun hat, scheint er allmählich Zweifel an sich selbst zu bekommen. Schon die Saison 2007 war für Bernd nicht gut geendet, die neue Saison fing ähnlich schwer an.

Bei HWA konkurriert Bernd mit drei jungen und unverbrauchten Teamkollegen, die noch dazu extrem schnell sind. Wer wie Bernd mehr als 20 Jahre beständig an der Spitze gefahren ist, bekommt zwar nicht zwingend Motivationsprobleme. Aber die letzte Konsequenz, der letzte Biss ist bei den jüngeren Piloten eben doch noch in höherem Maße vorhanden - ob im Qualifying, beim Fitnesstraining oder bei der Arbeit mit den Technikern. Es ist nicht unnormal, dass es seinen Teamkollegen mit Anfang 20 leichter fällt, mental die letzten Kräfte zu mobilisieren und die entscheidende Zehntelsekunde aus dem Auto herauszukitzeln. Und doch wird sich Bernd wohl insgeheim fragen, wie lange er sich diesem Wettbewerb noch stellen will.

Fitness vs. Jugend

Mit leichteren '07er-Boliden sähe Manuel Reuter auch die Spannung der Rennen erhöht, Foto: Sutton
Mit leichteren '07er-Boliden sähe Manuel Reuter auch die Spannung der Rennen erhöht, Foto: Sutton

Selbst habe ich während meiner letzten DTM-Jahre bei Opel versucht, der mentalen Unverbrauchtheit von jungen Kollegen wie Timo Scheider ein besonders hohes Fitnesslevel entgegenzusetzen. Jahr für habe ich daran gearbeitet, meine Kondition weiter zu steigern, um trotz gehobenen Rennfahreralters gegen die jüngere Konkurrenz zu bestehen. Wenn ich mich körperlich fit gefühlt habe, war ich auch mental am stärksten. Konnte ich nicht trainieren, war ich auch mental nicht fit. Die Fitness war mein Weg, meine Motivation am Anschlag zu halten. Doch da hat vermutlich jeder sein einiges Mittel.

Vor genau einem Jahr ist der früheren Rennleitung das Safety-Car-Chaos auf dem EuroSpeedway zum Verhängnis geworden. Zwölf Monate später muss man der neuen Rennleitung ein gutes Zeugnis ausstellen. Sie hat vor allem während der aktuellen Saison eine sehr gute Arbeit geleistet, indem sie bei der Stafvergabe eine konsequente Linie vertritt, die jeder Fahrer nachvollziehen kann. Daran hat es bei der früheren Rennleitung manchmal gefehlt. Nur in einem Punkt war in der Lausitz die Arbeit der Sportkommissare nicht nachvollziehbar.

Reglement mit Korrekturbedarf

So halte ich es für unglücklich, dass mit Oliver Jarvis der zwischenzeitlich Führende die blaue Flagge sah. Halten wir fest: Nach seinem Boxenstopp lief Paul auf Oliver auf, der jedoch keineswegs zur Überrundung anstand, sondern zu diesem Moment mit Paul um Position eins kämpfte. Zwar ist unstrittig, dass Piloten, die mit neuen Reifen aus der Box kommen, nicht aufgehalten werden sollten. Doch nach dem Vorfall zwischen Tom Kristensen und Susie Stoddart in Mugello ist die Rennleitung im Duell der beiden Briten hier ein wenig über das Ziel hinausgeschossen. Die geschwenkten blauen Flaggen im Kampf um die Führung haben verdeutlicht, dass die für dieses Jahr eingeführte Passage im Sportlichen Reglement noch einmal überdacht werden sollte. Dem Fan auf der Tribüne ist diese Regel nur schwer zu vermitteln.

Nach dem Rennen auf dem Lausitzring ist es unumgänglich, dass die Jahreswagen in ihrem Basisgewicht erleichtert werden. Die 2007er-Audi ein wenig, die 2007er-Mercedes durchaus etwas mehr. Mit einem geänderten Reglement müsste unter allen Umständen verhindert werden, dass ein Jahreswagen mit Zusatzgewichten schwerer werden kann als ein aktuelles Auto - wie es auf dem Norisring der Fall wäre. Und nicht zuletzt: Wenn die Jahreswagen auch vorne wieder mit von der Partie wären - wenn auch ein Neuwagenpilot bereits mit kleineren Fehlern im Mittelfeld starten müsste -, würden auch die Rennen wieder spannender. Hoffen wir, dass uns bis zum fünften Saisonlauf ein geändertes Gewichtsreglement präsentiert wird. Schließlich begann der Siegeszug der Jahreswagen vor drei Jahren mit einem zweiten Platz für Christian Abt ausgerechnet auf dem Norisring...