Spätestens seit meinem Besuch bei den ITR-Tests in Oschersleben bin ich überzeugt: Auch in dieser Saison erwarten uns ausgeglichene Kräfteverhältnisse. Vor Ort konnte ich mir einen Eindruck von den neuen Autos verschaffen: Der neue Audi A4 sieht sehr vielversprechend aus - war doch auch Timo Scheiders Gesamtbestzeit am Dienstag nicht von schlechten Eltern. HWA-Technikchef Gerhard Ungar machte jedoch nicht umsonst einen sehr entspannten Eindruck: Dass die neuen Mercedes mit vielen Gewichten fuhren, war offensichtlich. Ich glaube mit Blick auf den Saisonstart an ein Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden 2008er-Boliden - wobei mein Bauchgefühl in Richtung Mercedes tendiert:

Speziell in Hockenheim und Oschersleben könnte für Audi der gleiche Effekt eintreten, wie ihn Mercedes mit der neuen C-Klasse im vergangenen Jahr erlebt hat. Mit einem komplett neuen Auto ist es während der Anfangsphase der Saison mangels ausreichender Daten immer schwierig, das Optimale aus dem Gesamtpaket herauszuholen. Wenn man den neuen A4 mit seinem Vorgänger vergleicht, erkennt man vor allem aerodynamisch einen Riesenfortschritt, den man bei stabilem Technischen Reglement kaum für möglich gehalten hätte. Bei der neuen C-Klasse sind optisch hingegen nur Detailveränderungen zu entdecken - hier hieß es Evolution statt Revolution. Beide Autos sehen vor allem aus der Nähe unheimlich spektakulär aus. So bleibt angesichts des ausladenden Flügelwerks an den Autos nur zu hoffen, dass sich die Fahrer im Eifer des Gefechts nicht allzu oft über Teileverlust beklagen...

Fragezeichen hinter Ralf

In Reihen der Jahreswagen hatte Mercedes in der Vergangenheit die Oberhand. Nun sollte es mit Blick auf die Kräfteverhältnisse der 2007er-Boliden ausgeglichener zwischen den Jahreswagen zugehen, zumal sie fahrerisch bei beiden Herstellern gut besetzt sind: Markus Winkelhock hat in Oschersleben eine sehr gute Vorstellung geboten; er hat sich schnell bei Audi eingelebt und kann diesmal von Beginn der Saison an angreifen. Über Oliver Jarvis ist nichts Nachteiliges zu sagen, allerdings hat er mit Markus, Alexandre Prémat und Mike Rockenfeller eine extrem starke Konkurrenz. Auch Maro Engel hat einen guten Eindruck hinterlassen - hinter Ralf Schumacher steht hingegen ein Fragezeichen. Lief es in Mugello noch gut für ihn, so tat er sich in Oschersleben eher schwer. Er wird wissen, wieso er zurzeit tiefstapelt.

Die extreme Aerodynamik des Audi A4 beeindruckt auch Manuel Reuter, Foto: Sutton
Die extreme Aerodynamik des Audi A4 beeindruckt auch Manuel Reuter, Foto: Sutton

Ralf hatte schon in der Formel 1 einen sehr aggressiven Fahrstil, er steigt spät und hart auf die Bremse und lenkt abrupt ein. Wenn er diesen Stil mit seinem Auto und einem entsprechenden Setup umsetzen kann, wird es schnell recht gut für ihn laufen. Wenn nicht, wird es ein hartes Lehrjahr für ihn. Auch Katherine Legge wird kein einfaches erstes Jahr erleben - auch wenn sie sich in Oschersleben in Relation zu Susie Stoddart besser schlug, als ich es erwartet hatte. Ihr Team Futurecom TME wird vermutlich weiterhin nicht auf dem Niveau der anderen Teams arbeiten können.

Mit Christijan Albers hat Katherine zudem einen extrem starken Teamkollegen - dessen Rückkehr ich unter diesen Umständen jedoch nicht im Geringsten nachvollziehen kann. Christijan weiß, wie es ist, in der DTM Rennen zu gewinnen und um den Titel zu fahren. Zwar sagt er, nun wolle er in der DTM nur seinen Spaß haben. Ich aber sage voraus, dass ihm dieser schnell vergehen wird. Mit dem 2006er-Audi hatten schon andere Teams als Futurecom TME ihre Mühe...

Safety-Chaos droht

Die Änderungen am Sportlichen Reglement bewerte ich größtenteils positiv. Das Stallorderverbot wird der DTM nach der Tauschaktion von Zandvoort 2007 gut tun; das Boxenstoppfenster im mittleren Renndrittel ist eine Kompromisslösung zwischen den Herstellern und der Sporthoheit. An den Kommandoständen hat man somit weiterhin einen gewissen taktischen Spielraum, während die Strategien für die Zuschauer einigermaßen übersichtlich bleiben. In den ersten und letzten Dritteln herrscht nun in taktischer Hinsicht Ruhe - anders als im vergangenen Jahr in Hockenheim, als manche bereits zwei Mal, andere hingegen noch gar nicht an der Box waren. Nur mit einer Änderung kann ich mich nicht anfreunden, denn die Rückkehr zu der alten Safety-Car-Regelung von 2006 wird mit Sicherheit nicht zur Übersichtlichkeit beitragen:

In der vergangenen Saison wurde die Boxengasse erst dann wieder geöffnet, wenn das Safety-Car alle Fahrzeuge in der richtigen Reihenfolge anführte - eine faire Regel, die als solche nicht für das Chaos in der Lausitz verantwortlich war. Nun könnte während der Gelbphasen ein erneutes Durcheinander drohen, wie ich es zuletzt 2005 selbst im Cockpit erlebt habe. Damals musste ich eine halbe Runde dem Safety-Car folgen und wurde erst dann vorbeigewinkt, als alle anderen aufgeschlossen hatten - für mich war das Rennen gelaufen. Und fädelt sich das Safety-Car nun beispielsweise auf Platz vier oder fünf ein, können die Führenden noch im Renntempo die Boxen ansteuern. Wieso diese unübersichtliche Regelung erneut eingeführt wurde, ist nicht nachvollziehbar. Was war so schwer daran, die fairere 2007er-Regelung umzusetzen?