Lange Jahre war sie im Motorsport geduldet, wurde in der Formel 1 vornehmlich von der italienischen Fraktion praktiziert. Mit einem Mal, es war ein sonniger F1-Sonntag im Mai 2002, war sie geächtet - und ist seither im Motorsport eine bedrohte Spezies: Die Stallorder. Nachdem 2003 zunächst die Formel 1 die ungeliebte Teamregie reglementarisch verbannte, folgt 2008 die DTM mit einem neuen Passus im Sportlichen Reglement. So offen und ehrlich wie die doppelte Audi-Stallorder von Zandvoort 2007 wird künftig wohl kein Positionswechsel mehr diktiert werden - und so leidenschaftlich ausgebuht sicher ebenfalls nicht mehr...

Das Hollywood der Stallregisseure

Die unverblümte Teamorder gehört in den Königsklassen von Formel- und Tourenwagensport der Vergangenheit an - Zeit, ihrer zu gedenken. Die lustigsten Exemplare ereigneten sich stets nahe den Kuhwiesen im österreichischen Zeltweg. Der 2002 durch Rubens Barrichellos Ohrstöpsel klingende Satz "Let Michael pass for the championship" ging um die Welt. Für die allgemeine Erheiterung sorgte weniger der verständliche Positionstausch zwischen dem führenden Barrichello und Michael Schumacher, der die WM schließlich nur mit einem hauchdünnen Vorsprung von rund 30 Punkten vor Juan-Pablo Montoya anführte.

Eine Szene, die den Motorsport veränderte..., Foto: Sutton
Eine Szene, die den Motorsport veränderte..., Foto: Sutton

Es war vielmehr das "Kasperletheater" (Gerhard Berger) der beiden Rotkäppchen: Peinlich berührt schubste Sieger Schumacher seinen Adjutanten auf die oberste Stufe des Podest - ein von der FIA geahndetes "Vergehen". Wenn schon zuvor nicht auf dem richtigen Podestplatz, so nun doch zumindest auf dem richtigen Stuhl befindlich mochte Schumacher die kritischen Fragen der Journalisten nicht beantworten - er stürmte vorzeitig aus dem Pressezentrum. Wirklich souverän wollte wenige Monate später auch die von Schumachers einstigem Förderer Norbert Haug ausgesprochene Stallorder beim drittletzten DTM-Saisonlauf in Zeltweg nicht wirken:

Eigentlich hätte ja der drittplatzierte Bernd Schneider siegen sollen. Hätte. Denn anders als der Führende Jean Alesi, der vor der Ziellinie vollbremste, überhörte Marcel Fässler die Funkorder - und raste vor Schneider und Alesi als versehentlicher Sieger ins Ziel... Nachdem der A1-Ring in Zeltweg in seiner einstigen Form nicht mehr existiert, herrschen hier in der öffentlichen Wahrnehmung wieder Kuhställe statt stallordernder Kommandostände vor. Ferrari-Stallregisseur Jean Todt hat seinem Team kürzlich den Rücken gekehrt - ebenso wie der einstige Ferrari-Stallorderer Ross Brawn, der nun die Geschicke Hondas leitet.

Felipes neue Heimat

Gibt dieser Mann den Stallregisseuren der DTM neue Hoffnung?, Foto: Sutton
Gibt dieser Mann den Stallregisseuren der DTM neue Hoffnung?, Foto: Sutton

Während Ross beim rasend schnellen Honda-Team ohnehin nicht in die Versuchung kommt, Rubens ein "Let Jenson pass for the championship" zuzufunken, stehen die DTM-Sportchefs vor einem Problem: Stallorderverbot, Boxenstoppfenster - bei Zuwiderhandlung womöglich eine lebenslange Zwangsverpflichtung als Safety-Car-Fahrer in der Lausitz. Nach den Abenteuern der letzten Saison fahren ITR und DMSB schwere Geschütze auf. Die Möglichkeiten, sie zu umgehen, hat in der Formel 1 nicht nur die rote Scuderia leidenschaftlich vorexerziert:

Im Rahmen der Fenster schlecht platzierte, zufällig missglückte Boxenstopps könnten auch ohne Funkkontakt für das gewünschte Ergebnis sorgen. Doch schon jetzt scheint diese Variante nicht mehr "State of the Art", ja geradezu altbacken - Kreativität ist gefordert. Ein führender Jamie Green könnte sich während des Rennens von einem Neustart überzeugen lassen. Ein führender Ralf Schumacher könnte nach einem vermeintlichen Fahrfehler erneut sagen: "Natürlich ist mir vollkommen klar, dass weder Medien noch Zuschauer den größten Rennfahrer aller Zeiten in mir sehen."

Eben jener vermeintliche Verbremser des Führenden vor seinem gewollten Sieger und Teamkollegen liegt für die Stallregisseure am nächten. Doch welcher der hochprofessionellen DTM-Piloten kann einen solchen Patzer wirklich glaubhaft verkaufen? Es ist ein Dilemma, das nach neuen Ex-Formel-1-Piloten im Neuwagen schreit. Der in der F1 zuletzt viel belächelte Schumacher fiel nüchtern betrachtet kaum durch eine allzu hohe Fehlerquote auf. Doch vielleicht wird sich Felipe Massa im Anschluss an seine letzte Ferrari-Saison 2008 von einem DTM-Einstieg überzeugen lassen...