Ralf Schumacher kann schon einmal den Lederhut und die Peitsche aus dem Schrank nehmen. Er begibt sich auf ein neues Abenteuer, fernab der ihm bekannten F1-Welt. Indiana Ralf hat die Jagd auf das verlorene F1-Cockpit aufgegeben und als Ersatz eine Mercedes C-Klasse in der DTM ausgegraben. Damit das Abenteuer DTM nicht Ralfs letzter Kreuzzug wird, muss er sich schnell an sein neues Arbeitsgerät gewöhnen. Dieses unterscheidet sich jedoch stark von seinen bisherigen Autos.

"Es ist sehr ungewohnt", verrät Ralf. "Aufgrund des höheren Gewichts muss man runder fahren, eine andere Linie wählen. Man muss das Auto wesentlich präziser fahren als einen Formel 1-Boliden." Markus Winkelhock unterstützt diese Aussage. Der Ex-Spyker-F1-Pilot und letztjährige Audi-DTM-Fahrer spricht aus Erfahrung: "Meiner Meinung nach muss man mit dem DTM-Auto sanfter umgehen und präzise fahren."

Bereits kleine Fehler würden sich gnadenlos auf der Stoppuhr zeigen. "Noch mehr als in der Formel 1", betont Winkelhock im Gespräch mit der adrivo Sportpresse. "Das DTM-Auto verzeiht weniger Fehler als ein F1-Bolide." Das wiegt umso stärker, da die Leistungsdichte in der DTM viel höher ist. "Je nach Strecke liegen zwischen dem Ersten und Letzten gerade einmal 1,2 Sekunden", sagt Winkelhock. In der F1 seien es teilweise bis zu vier Sekunden oder mehr. "Wenn man letztes Jahr in der F1 im Mittelfeld war und zwei, drei Zehntel langsamer fuhr, konnte es sein, dass man nur einen Platz weiter hinten war. In der DTM können zwei, drei Zehntel schnell acht Positionen ausmachen."

Ralf Schumacher muss das Gewicht in den Griff bekommen., Foto: DTM
Ralf Schumacher muss das Gewicht in den Griff bekommen., Foto: DTM

Ein wichtiges Bauteil jedes Rennwagens sind die Bremsen. F1-Debütanten schwärmen nach ihrem ersten Test regelmäßig von der beeindruckenden Bremswirkung. Ralf gefallen auch die DTM-Bremsen sehr gut. "Aber sie sind schwieriger abzuschätzen", sagt er. Winkelhock geht noch weiter in die Tiefe: "Ein DTM-Auto ist beim Bremsen sehr formelähnlich. Der größte Unterschied zwischen DTM und Formel 1 ist das Gewicht. Das DTM-Auto ist deutlich schwerer und hat weniger Downforce." Als Umsteiger müsse man lernen, mit dem Gewicht umzugehen.

"Durch den vielen Abtrieb kann man in einem F1-Auto extrem spät bremsen", erklärt Winkelhock. Viel später als in einem DTM-Boliden. "Aber die Bremspunkte liegen für das hohe Gewicht eines DTM-Autos trotzdem extrem spät. Es ist eigentlich schon Formel 3-Niveau, allerdings hat der Formel 3 nur die Hälfte an Gewicht." Für Winkelhock ist es immer wieder beeindruckend, dass ein Tourenwagen mit Dach sich fast wie ein Formelauto fahren lässt.

Ähnliche Eindrücke sammelte BMW Sauber F1-Testpilot Christian Klien bei seinem Testausflug in einem Mercedes DTM-Wagen. "Ich war doch überrascht, welchen Abtrieb dieses Auto aufbaut", sagte Klien der adrivo Sportpresse. "Zudem ist die Performance des Wagens, was Power und Bremsverzögerung betrifft, beeindruckend für einen Tourenwagen. Die Fahrcharakteristik ist eher vergleichbar mit einem Formel Rennwagen. Speziell die letzten Zehntel Sekunden aus dem Reifenpaket herauszuholen, bedarf einer Anpassung des Fahrstils."

An der Sicht ändert sich zwischen Formel 1 und DTM nichts - sie ist immer stark eingeschränkt. "Sie ist nicht viel besser als in der Formel 1", verrät Winkelhock. "Links und rechts von dir gibt es einen Seitenaufprallschutz und du sitzt so weit hinten, dass genau neben dir die B-Säule ist." Wie im hautengen Cockpit eines F1-Autos gebe es nur eins: "Man schaut geradeaus nach vorne und hat rechts und links die Spiegel. Bei der Sicht nimmt es sich nicht viel." Hier erwartet Ralf Schumacher also keine große Verbesserung, aber auch keine große Umstellung.

Ganz anders bei den elektronischen Fahrhilfen, die erst seit dieser Saison in der Formel 1 verboten sind. "Ralf muss sich daran gewöhnen, ohne Traktionskontrolle zu fahren, auch im Regen." Denn im Gegensatz zu Winkelhock liegen hinter Schumacher mehrere Jahre mit Traktionskontrolle und sonstigen Helfern. "Wenn man Jahre lang mit Traktionskontrolle gefahren ist, dann ist das auch eine Umstellung." Vergeblich wird Ralf die Unmengen an Setupmöglichkeiten suchen. Während er an seinen F1-Boliden stundenlang Einstellungen verändern durfte, gibt es am DTM-Boliden weniger Einstelloptionen. "Wenn man so lange in der F1 gefahren ist wie Ralf, ist die Umstellung umso schwieriger", sagt Winkelhock. Aber wer den Tempel von Grove lebendig verlassen hat, lässt sich von solchen Kleinigkeiten sein neuestes Abenteuer nicht verderben.