Es ging alles ganz schnell. Plötzlich stand er da, vor diesem typisch japanischen Restaurant in Suzuka. Umringt von unzähligen Japanern, jeder bewaffnet mit Fotoapparat, Stift und Autogrammzettel. "Als wir ins Restaurant gingen, waren da ungefähr 100 Leute, die auf Autogramme gewartet haben - und die haben mich alle gekannt und hatten schon Bilder aus Shanghai oder alte aus der GP2 dabei." Michael Ammermüller war innerhalb einer Woche zum Star geworden.

Michael Ammermüller und die roten Bullen: so fing es an., Foto: Sutton
Michael Ammermüller und die roten Bullen: so fing es an., Foto: Sutton

Aus seiner beschaulichen Heimat Pocking bei Passau ging es in die weite Formel 1-Welt hinaus, zu seinem Debüt als F1-Freitagstester für Red Bull in Shanghai und von dort nach Suzuka und Sao Paulo. Michael war der neue Stern am Red Bull-Himmel; der achte aktive Deutsche in der F1-Saison 2006.

Pocking besitzt eine Speedwaybahn, auf der sogar schon eine Weltmeisterschaft ausgetragen wurde. Michaels Eltern war das jedoch zu gefährlich. Stattdessen machte er als Acht-, Neunjähriger das Firmengelände der Recyclingfirma seines Vaters unsicher. "Dort bin ich immer mit einem Werkstattauto rumgefahren", erinnert er sich. "Aber dann wurde es zu gefährlich: die Mitarbeiter trauten sich gar nicht mehr raus." Zu dieser Zeit wurde in der Nähe eine Kartbahn gebaut, doch Michaels Vater knüpfte den Kauf eines Karts an eine Bedingung: sollte Michael es aufs Gymnasium schaffen, sollte er auch ein Kart bekommen. "Ich habe es geschafft und ein Kart bekommen. Dann bin ich wahrscheinlich zu viel Kart gefahren", lacht Michael, "und war nur ein halbes Jahr auf dem Gymnasium."

Für Michael ging es trotzdem weiter. Schulisch auf der Realschule und mit einer Mechanikerausbildung, sportlich rückte sein Hobby Kartfahren immer mehr in den Mittelpunkt. Finanzielle Probleme bekam Familie Ammermüller nicht. Schon früh fand sie Sponsoren für das teure Vergnügen Reifen. "Denn davon braucht man ziemlich viele." Nämlich mindestens fünf Sätze pro Wochenende zu jeweils 100 bis 150 Euro. Später sicherte sich Michael die Unterstützung von Kartherstellern, die ihm Chassis zur Verfügung stellten; im Jahr 2000 wurde er so Karteuropameister.

Beim Winterpokal in Kerpen konnte er als 16-Jähriger sogar einen gewissen Michael Schumacher bezwingen. "Er war nicht schlecht", scherzt Michael. "Ich habe damals ja nichts anders gemacht, als zur Schule zu gehen und Kart zu fahren." Mindestens zweimal die Woche saß Michael Ammermüller im Kart. Michael Schumacher trainierte hingegen für die Formel 1. "Kartfahren ist schon etwas anderes. Also Respekt, er war schon gut." Wie viel ein F1-Fahrer im Cockpit zu tun hat, spürte Ammermüller bei seinem ersten richtigen F1-Test. "Im Vergleich zum GP2 sind eine Menge mehr Knöpfe am Lenkrad, viel mehr Dinge, die man einstellen kann und muss. Man hat weniger Zeit zum Nachdenken - und muss trotzdem auf mehr achten."

Michael Ammermüller hat die Saison 2007 abgehakt. Der versöhnliche Abschluss war ein A1-Sieg., Foto: Sutton
Michael Ammermüller hat die Saison 2007 abgehakt. Der versöhnliche Abschluss war ein A1-Sieg., Foto: Sutton

Auch abseits der Strecke gilt es auf dem Weg in de Köngsklasse viel mehr zu beachten. Das bekam Michael in der Saison 2007 zu spüren. Bereits im ersten Saisonrennen der GP2 zog er sich bei einer Kollision mit Kazuki Nakajima einen Kahnbeinbruch zu. Die Mission Titelgewinn war damit schon früh gescheitert, nach der Verletzungspause kam es nur zu einem kurzen Comeback. Red Bull hatte das Vertrauen in seinen einstigen Jungstar verloren. Sébastien Buemi stand höher in der Gunst und sollte den schwierigen Spagat zwischen F3 EuroSerie und GP2 bewältigen. Ammermüller wurde in die Renault World Series abgeschoben, um das Cockpit von Sebastian Vettel zu übernehmen, der war seinerseits den umgekehrten Weg gegangen und zum Toro Rosso-Stammpiloten aufgestiegen.

Aber auch die World Series Saison fuhr Ammermüller nicht zu Ende, stattdessen standen Ende 2007 und Anfang 2008 ein paar Einsätze im A1GP-Team von Willi Weber und ein DTM-Test für Mercedes auf dem Programm. "Das war meine schlechteste Saison, seit ich Rennen fahre - egal ob Kart- oder Autorennen", bilanziert Ammermüller im Gespräch mit der adrivo Sportpresse. "So wenig Glück wie ich hatte, hatte ich eigentlich noch nie. Ich war zuvor auch noch nie verletzt." Schlimmer hätte das Jahr 2007 für ihn nicht verlaufen können. Sportliche und gesundheitliche Probleme, vom Förderer Red Bull fallen gelassen, ein bisschen ungerecht behandelt fühlt er sich schon. Aber der Motorsport ist schnelllebig, wie Michael selbst erfahren musste. In China holte er sich seinen ersten A1GP-Sieg. Vielleicht wird er schon bald wieder von Autogrammsammlern umringt.