Ein Martin Tomczyk in Höchstform, Verbalduelle zwischen Audi- und Mercedes-Piloten, umstrittene bis kuriose Manöver auf dem Asphalt, Diskussionen um Entscheidungen der Rennleitung: Sie fühlen sich an die aktuelle Saison erinnert? Zu Recht - doch die obige Zusammenfassung beschreibt auch das Barcelona-Rennen des vergangenen Jahres vorzüglich. Ein ungewöhnliches Spanien-Debüt der DTM unter meist wenig spanischen Wetterbedingungen scheint im Nachhinein wie eine versteckte Prophezeiung an die DTM-Welt - wie ein Orakel...

Das Tomczyk-Orakel

Nach einem verregneten Testfreitag präsentierte sich auch das Qualifying feucht - allerdings nur für die Ingolstädter feucht-fröhlich. Während Martin Tomczyk mit einer Pole Position an seine zeitweise verblassten Qualifying-Highlights früherer Jahre anknüpfte, gelang Heinz-Harald Frentzen mit Startplatz zwei scheinbar ein Befreiungsschlag. Tom Kristensen komplettierte die Dreifach-Pole für Audi - wusste allerdings ausgerechnet seinen Titelkonkurrenten Bernd Schneider als besten Mercedes-Piloten neben sich. Neben sich schien nach seinem überlegenen Nürburgring-Triumph derweil Bruno Spengler zu stehen:

Mit Startplatz 19 erlebte der Kanadier einen rabenschwarzen Samstag - und landete fünf Ränge hinter der überraschend starken Vanina Ickx, die in Barcelona ihre Vorliebe für offene Himmelstore entdeckte. "Es war einfach eine Fehleinschätzung der Linie und der Bedingungen, weil die Strecke ein bisschen trockener als am Morgen war. Die Linie ist ein wenig getrocknet und die Außenlinie war etwas feuchter. Ich wollte die trockenere Linie nutzen. Deswegen musste ich meine Linie aber ändern und hab mich etwas verschätzt", erklärte Spengler den unerwarteten Misserfolg, nachdem Audi auf abtrocknender Strecke die Regenschwäche abgelegt hatte. Zu seinem Aus im Kampf um den Vizetitel wurde für Spengler der Start aus der letzten Startreihe dennoch nicht...

Das Chaos-Orakel

Mit einer beeindruckenden Aufholjagd bis auf Platz vier durfte sich Spengler ebenso wie Martin Tomczyk zu den Gewinnern des Sonntags zählen. Nach einer mäßigen Saison 2005 offenbarte der Bayer in Barcelona jene Performance, die ihn im folgenden Jahr in Schlagdistanz zum Titel bringen sollte. "Am Ende hatte ich sehr heftige Bremsprobleme. Nachdem ich am Norisring deswegen ausgefallen war, wusste ich nicht genau, wie ich reagieren sollte ch bin es sehr vorsichtig angegangen, aber trotz allem habe ich zwei große Verbremser gehabt, durch die Bernd aufschließen konnte", beschrieb Tomczyk den durchaus nicht einfachen Kampf um seinen ersten DTM-Triumph.

In Barcelona nahm das Warten für Martin Tomczyk ein Ende, Foto: DTM
In Barcelona nahm das Warten für Martin Tomczyk ein Ende, Foto: DTM

Aus den in Barcelona zahlreichen Rangeleien wusste sich der Jüngste im Abt-Audi-Quartett souverän herauszuhalten - was nicht allen seinen Markenkollegen gelang. Mit einem Fahrfehler bei der Zufahrt auf die zweite Kurve hatte Christian Abt bereits kurz nach dem Start für ein Audi-internes Malheur gesorgt. Abt, Futurecom-Teilzeitpilot Nicolas Kiesa, Vanina Ickx, Pierre Kaffer: So lautete die Reihenfolge einer Kettenreaktion, die bereits zu Beginn des Rennens die Audi-Flotte dezimierte. "Leider war mein Rennen wieder sehr kurz, dieses Mal lag es aber nicht an mir", resümierte nach dem Rennen eine angesichts ihrer so verheißungsvollen Startposition verbitterte Ickx.

Dass die Abt-Audi-Piloten ihre Startpositionen souverän zu verteidigten wussten, hinderte Bernd Schneider nicht an einer im Titelkampf vorentscheidenden Aufholjagd auf Platz zwei, die nicht ganz ohne Lackaustausch verlief. Hatte zunächst Tom Kristensen - der am Ende aus den Punkterängen fiel - am Heck von Schneiders C-Klasse angeklopft, so verlief auch Mattias Ekströms Überholversuch eher unsanft. "Das war die am meisten berechtigte Strafe, die ich je bekommen habe. Die hätte sogar noch härter ausfallen müssen, vielleicht noch eine schwarze Flagge, 10.000 oder 15.000 Euro Geldstrafe - und eine Sperre für den Rest der Saison", kommentierte Ekström seine Durchfahrtsstrafe für sein leichtes Auffahren auf Schneider, "du versuchst, innen zu überholen, dann, wenn du schon fast neben dran bist, tritt der Kerl neben dir auf die Bremse, du kriegst eine Durchfahrtsstrafe und er ist fein raus..."

Dass Ekströms Cockpit-Kamera ein Auffackern von Schneiders Bremsleuchten bestätigte, änderte nichts an der Meinungsgleichheit der Rennleitung und Bernd Schneiders. Der zum Ärger des Schweden hinzufügte: "Das war nicht notwendig, weil ich ihn eh vorbei gelassen hätte." Norbert Haug stellte sich vor den Rekordmeister: "Was sicherlich nicht richtig war, ist, dass es zu viele Berührungen gegeben hat. Man muss untersuchen, warum Tom Bernd nach seinem sauberen Überholmanöver ins Auto gefahren ist. Wir müssen uns vielleicht mal zusammensetzen..." Auch Mercedes-intern dürfte es in Folge des Barcelona-Rennens einige Gesprächsrunden gegeben haben:

"Ich sah Jean im Rückspiegel auf mich zukommen und bin auf der Kampflinie geblieben. Jean ist dann rechts neben mich gefahren, was ich in Ordnung fand, da es sowieso eine schlechte Linie ist. Dann jedoch gab es von der Seite einen Schlag und er ist mir ins Auto gefahren - warum auch immer ", wunderte sich nicht nur Timo Scheider über Jean Alesi - auch Mika Häkkinen präsentierte sich perplex.

Dicht hinter Alesi liegend wich der Finne einer spontanten Vollbremsung des Franzosen auf der Zielgeraden nur mit Mühe aus: "Ich weiß nicht was los war. Ich habe wirklich keine Ahnung, was in Jeans Kopf vorging. Ich weiß es nicht. Vielleicht war es irgendeine Art von Missverständnis oder so etwas..." Später sprach Alesi von einer Stallorder zu Gunsten Häkkinens, der so auf Platz elf aufrückte. Die mutmaßliche, von Mercedes in diesem Jahr so geschmähte Stallorder bildete den wohl einzigen Kontrast zur kommenden Saison...