Paul Di Resta ist bescheiden geworden: Sprach der im 2005er-Mercedes zweifellos brillante Schotte bislang vom DTM-Titel als Saisonziel, so würde er sich nun gar mit einem Meisterschaftsrang unter den Top 5 begnügen. Zwar gehört Di Resta mit 25 Punkten theoretisch unverändert zu den Titelkandidaten. Doch in der Praxis darf der 21-Jährige, dessen Aufstieg in ein weniger betagteres Fahrzeug sicher scheint, entspannt zusehen, wer Rekordmeister Bernd Schneider in dieser Saison vom DTM-Thron stürzt - und wen er im kommenden Jahr möglicherweise beerben darf...

Auch Bernd Schneider scheint den Traum vom sechsten DTM-Titel begraben zu haben. Schon in Zandvoort, einen halben Punkt hinter Bruno Spengler liegend, bot der Saarländer dem Kanadier großzügig seine Hilfe für den Saisonendspurt an. Ein Rennen später ist Schneider mit 27,5 Punkten de facto ähnlich wie Di Resta aus dem Titelkampf ausgeschieden. Hatte er 2006 mit seinem fünften Titel den von Mattias Ekström und Gary Paffett eingeleiteten Generationswechsel noch aufhalten können, so machen sich nun erneut drei Junge Wilde auf den Weg zum Thronfolge...

Mattias Prinz von Schweden

Konstanz und Nervenstärke sprechen für Ekströms zweiten Titel, Foto: Sutton
Konstanz und Nervenstärke sprechen für Ekströms zweiten Titel, Foto: Sutton

Mattias Ekström - 44 Punkte: Wo Mattias Ekström ist, dort ist auch das Podest: Mit mittlerweile sechs Podestplätzen fand der Schwede den Weg durch das allgegenwärtige Chaos der aktuellen Saison so oft und so abgeklärt wie keiner seiner 19 Fahrerkollegen. Dass die Podestplätze in Zandvoort und Nürburg auch durch die freundliche Unterstützung Timo Scheiders und zuletzt auch Jamie Greens zu Stande kamen, ändert am konstant hohen Performance-Niveau kaum etwas. Mit verdächtig wenigen Führungsrunden und nicht immer herausragenden Qualifying-Ergebnissen hat sich Ekström beharrlich an der Tabellenspitzen gehalten - und seine Führung seit Mugello nicht mehr abgegeben.

"Go hard or go home": Der seit jeher auf Ekströms Helm zu lesende Slogan will in dieser Saison nicht so recht zu dem Abt-Audi-Piloten passen. Während Timo Scheider vom Mercedes-Lager übertriebener fahrerischer Härte beschuldigt wird und Martin Tomczyk auf Lausitz- und Norisring mehr schlecht als recht durchs Startgetümmel kam, weiß sich Mattias Ekström beharrlich aus allen Rangeleien herauszuhalten. Lediglich sein Frühstart von Oschersleben ist als Fahrfehler Ekströms im Rennen in Erinnerung geblieben. So sind Konstanz und Abgeklärtheit auch in Barcelona und Hockenheim die Pfunde, mit denen Ekström wuchern kann...

Martin Prinz von Bayern

Martin Tomczyk weiß teaminterne Unterstützer hinter sich, Foto: Sutton
Martin Tomczyk weiß teaminterne Unterstützer hinter sich, Foto: Sutton

Martin Tomczyk - 40 Punkte: Der erste Sieg in Barcelona 2006? Eine Eintagsfliege. Der zweite Triumph in Zandvoort 2007? Un présent d'Alexandre. Doch der jüngste Nürburgring-Sieg? Den einst so zahlreichen Kritikern Martin Tomczyks gehen die Argumente aus. "Mattias und Martin geben bei Audi zurzeit ganz klar das Tempo vor", glaubt auch Manuel Reuter - wenn schon nicht immer Qualifying, so insbesondere im Rennen. "Aber Mattias wird sich mit nur vier Punkten Vorsprung vor Martin sehr in Acht nehmen müssen", ergänzt Reuter und verweist auf die Austragungsorte der beiden noch kommenden Orte.

"Zandvoort, Nürburgring, Barcelona und Hockenheim. All das sind Strecken, auf die ich mich freue", glaubte Tomczyk nach seinen beiden Nullrunden von Nürnberg und Mugello an beste Aussichten für eine Aufholjagd. "Schnell und flüssig, mit Präferenz für aerodynamisch anspruchsvolle Kurven", beschreibt der Bayer seinen Fahrstil - und so auch die Gründe, weshalb ihm im vergangenen Jahr ausgerechnet in Barcelona der Durchbruch gelang. Mit seiner Pole-Zeit im Qualifying distanzierte Tomczyk seinen Teamkollegen Ekström um fast vier Zehntelsekunden. Im Rennen brachte es zwar Ekström auf eine schnellere Zeit als Tomczyk - dieser sah sich jedoch auf seiner souveränen Siegfahrt anders als der Schwede auf seiner Aufholjagd nicht zu besonders riskanten Runden genötigt.

In Barcelona gelang Bruno Spengler 2006 eine beeindruckende Aufholjagd, Foto: Sutton
In Barcelona gelang Bruno Spengler 2006 eine beeindruckende Aufholjagd, Foto: Sutton

In Hockenheim präsentiert sich Tomczyk beinahe traditionell stärker als Ekström, zählt er doch zu den wenigen Audi-Piloten, die die Mercedes-Hausstrecke im Rennkalender nicht nur als notwendiges Übel ansehen. Auch zu Saisonbeginn, als Tomczyk in Hockenheim auf Rang zwei hinter Ekström die schwarz-weiß karierte Flagge sah, hätte der Zieleinlauf durchaus umgekehrt sein können - wäre Tomczyk auf seinem ersten Stint in Führung liegend nicht ein Fahrfehler am Ende der Parabolika unterlaufen, der ihn hinter Bruno Spengler zurückwarf. Zweifelsohne: Trotz der verbleibenden vier Punkte Rückstand auf Ekström sind Martin Tomczyks Chancen auf die Thronfolge keineswegs geringer als die seines Teamkollegen.

Bruno Prinz von Kanada

Bruno Spengler - 34 Punkte: "Ich muss die ersten beiden Rennen einfach vergessen, denn in der Meisterschaft ist trotzdem noch alles möglich", hatte Bruno Spengler nach seinen beiden Nullrunden zu Saisonbeginn bilanziert, "vor allem, wenn ich bedenke, dass ich im letzten Jahr nach den ersten beiden Rennen 16 Punkte zurücklag." Und tatsächlich liefen Bruno Spengler und seine C-Klasse wie ein Uhrwerk, nachdem die leidigen Servolenkungsdefekte durchgestanden waren. Hatte sich zwischenzeitlich Altmeister Bernd Schneider zur alten und neuen Speerspitze im Mercedes-Lager aufschwingen können, so führt an Spengler spätestens seit der zweiten Saisonhälfte - wie schon 2006 - kein Weg vorbei. Während sich im Zandvoorter Qualifying Schneider, Mika Häkkinen und Jamie Green mit Rückständen von rund einer Sekunde auf Audi plagten, rätselten sie über das Performance-Geheimnis Spenglers, der als einziger den Speed der Ingolstädter mitzugehen wusste.

Womit auch ein Handicap Spenglers im Titelkampf beschrieben wäre: So brachte das Abt-Audi-Quartett in der jüngeren Vergangenheit meist die besseren Mannschaftsleistungen zu Stande. Auch Spengler käme es gelegen, befänden sich seine Teamkollegen regelmäßiger in seinen Regionen - wenngleich sie ihn gemäß der diesjährigen, lobenswerten Teamphilosophie nicht ohne Weiteres durchwinken werden. Auch zur Freude des Kanadiers ist der Gewichtsnachteil der HWA-Mercedes in Barcelona Vergangenheit.

Ebenso wie Tomczyk darf sich auch Spengler an seiner letztjährigen Spanien-Performance ein Vorbild nehmen. Zwar startete der Jüngste im HWA-Quartett nach einem völlig missglückten Regen-Qualifying nur von Platz 19. Im Rennen hingegen brannte Spengler eine fulminante Aufholjagd bis auf Platz fünf auf dem Asphalt - nur eine Position hinter Ekström, der acht Startplätze vor ihm ins Rennen gegangen war...