Beim lange angekündigten Pappbootrennen der vier Audi-Teams in Zandvoort 2006 war Tom Kristensen noch unfreiwillig baden gegangen - ein Fauxpas, von dem sich Kristensen mit Blick auf das Rennen nicht irritieren ließ. Und nicht nur der Däne wollte den Kopf nicht in den Dünensand stecken: Allzu groß war die Versuchung, seinen Emotionen Ausdruck zu verleihen - und zum unterhaltsamen Verbalduell der beiden Parteien beizutragen. Audi vs. Mercedes, Mercedes vs. Audi: Ein Kampf, der sich an der niederländischen Traditionsstrecke nicht nur auf dem Asphalt abspielte...

Warmschimpfen am Samstag

Als Favorit war Audi ins Zandvoorter Qualifying gegangen, um am Ende den letztjährigen Pole-König Jamie Green erneut auf Startplatz eins fahren zu sehen. Und wenngleich Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich die beachtliche Pole-Runde des britischen HWA-Piloten durchaus würdigte: Eine Szene des Zeitfahrens schmeckte ihm gar nicht. "Ich habe es nicht so toll gefunden, dass Bruno Spengler so aus der Box gefahren ist, dass er Tom Kristensen in seiner schnellen Runde vor der Kurve vor das Auto gefahren ist", beklagte der Österreicher mit Blick auf den zweiten Startplatz seines Titelanwärters - und nährte die schon einige Male zuvor aufgekommene Blockade-Theorie.

Nicht so toll fand Dr. Wolfgang Ullrich Spenglers spontane Streckenpräsenz, Foto: Audi
Nicht so toll fand Dr. Wolfgang Ullrich Spenglers spontane Streckenpräsenz, Foto: Audi

Tröstlich für die Abt-Audi-Piloten, die immerhin die Startplätze zwei, drei, vier und sechs einnahmen: Auch im Mercedes-Lager lief nicht alles wie gewünscht. So sorgten Alexandros Margaritis und Stefan Mücke in ihren Mercedes-Jahreswagen für Friendly Fire, als Margaritis aus der Box kommend Markenkollege Mücke übersah - und es zum Crash kam. Zeigte sich Mücke verärgert über Margaritis, so erzürnte den Griechen die Rennleitung, die ihn zum zweiten Mal in Folge auf Startplatz 20 zurückversetzte: "Man sollte sich einmal in die Lage der Fahrer versetzen, die wirklich langsam aus der Box fahren und nichts sehen. Was soll man da noch mehr machen? Ich finde es zu hart, weil mein Wochenende damit wieder komplett kaputt gemacht worden ist..."

Verbale Höhepunkte am Sonntag

Seine guten Aussichten im Rennen wusste sich Pole-Inhaber Green am folgenden Tag auch selbst effektiv zunichte zu machen: Nicht zum ersten Mal in jener Saison ließ der HWA-Pilot die Pole Position ungenutzt und fiel auf Rang fünf zurück. Die vier Abt-Audi-Piloten nahmen das Geschenk dankend an und bogen unter Führung Tom Kristensens geschlossen als erste in die Kurve ein. Über einen guten Start durfte sich auch Vanina Ickx freuen - und sorgte für die Ingolstädter Version des teaminternen GAU: Schon nach wenigen Kilometern verbremste sich die Belgierin und schob ihren Teamkollegen Nicolas Kiesa ins Kies. Und während Kristensen und Tomczyk einem scheinbar ungefährdeten Doppelsieg entgegenfuhren, flogen weiterhin die Scherben:

"Es ärgert mich ungeheuerlich, denn heute wäre sicher eine Platzierung unter den ersten Fünf drin gewesen", kommentierte Christian Abt eine unverschuldete Kollision mit Mika Häkkinen und sorgte im Mercedes-Lager für Erheiterung: "Ich weiß nur, dass ich in den letzten drei Jahren keinen einzigen auf der Rennstrecke umgedreht habe oder jemandem so ins Auto gefahren bin, dass er nicht mehr weiter fahren konnte." Dass der gewohnt diplomatische Mika Häkkinen seinen mit einer Durchfahrtsstrafe geahndeten Fehler eingestand und sich persönlich bei Abt entschuldigte, trug kaum zur Entspannung bei:

"Was natürlich gar nicht geht, sind die vielen Strafen, die immer uns treffen - Margaritis gestern und HWA heute", klagte Norbert Haug, dem auch eine gegen Green verhängte Durchfahrtsstrafe nach einer Kollision mit Ekström sauer aufstieß, "wer sich das Video ansieht, wird sehen, was zwischen Ekström und Green Sache war. Wir fahren hier ein Rennen und keinen Blumenkorso." Der Mercedes-Sportchef legte in Richtung Christian Abts nach: "Ich bin auch kein Freund der Leute, die dann sagen, dass wir am lautesten schreien. Da muss man sich an die eigene Nase fassen, dann kehrt wieder Ruhe ein."

Kein Freund der Leute, die am lautesten schreien: Norbert Haug, Foto: Sutton
Kein Freund der Leute, die am lautesten schreien: Norbert Haug, Foto: Sutton

Reichlich genervt präsentierte sich auch Mattias Ekström, den seit jeher eine besondere Freundschaft mit Haug und Green verbindet. Die Klärung des Vorfalls, der ihn bis auf Platz 13 zurückwarf, interessierte den Schweden nur mäßig: "Wieso denn? Denkt ihr denn, dass ich sofort zu Jamie renne, um mit ihm zu reden?" Das habe ja doch keinen Sinn, ließ er zwischen den Zeilen wissen. Die Luft für Audi an der Spitze wurde zunehmend dünner: Während Heinz-Harald Frentzen den Speed Kristensen und Tomczyks nicht mitgehen konnte, kam in den Rückspiegeln des dänisch-deutschen Duos ein Konkurrent näher, der nach seinem siebten Startplatz im Qualifying bereits in Vergessenheit geraten war:

Tabellenführer Bernd Schneider, dessen Vorsprung Kristensen eigentlich deutlich reduzieren wollte, rückte Wagenlänge um Wagenlänge näher. Einige Runden lang blieb Tomczyk unter größter Anstrengung standhaft, dann musste der Bayer den Saarländer passieren lassen. Für Kristensen auf seinen letzten Kilometern zum Sieg eine bedrohliche Situation: Nachdem sich sein A4 DTM der beim zweiten Boxenstopp mitgenommenen Tankkanne entledigt hatte, gabelte er ein neues Mitbringsel auf. Eine Plastiktüte blockierte die Bremsbelüftung - und ließ den Le-Mans-Rekordsieger bis zum letzten Moment um den Sieg zittiern: "Am Ende hatte ich keine Bremskraft mehr an der Vorderachse und musste auf die hintere Bremskraft setzen. Ein paar Runden mehr - und es hätte wahrscheinlich nicht gereicht..."