Hat die Eingewöhnung in die DTM länger gedauert, als du gedacht hast?
Lucas Luhr: Die DTM ist sicherlich, gerade was das Abstimmen der Autos anbelangt, sehr komplex und kompliziert. Rein fahrerisch habe ich das Auto schnell im Griff gehabt, an das Drumherum musste ich mich erst gewöhnen. Klar könnte man sagen: Solange du nicht vorne mitfährst, hast du dich immer noch nicht eingewöhnt. Aber das Auto und ich sind fahrerisch schon lange eine Einheit.

Wie empfindest du das Zweikampfverhalten in der DTM?
Lucas Luhr: Ich finde es schade, dass man so wenige Überholmanöver sieht. Die Fahrzeuge sind aerodynamisch so ausgereizt, dass man nur extrem schwer oder teilweise mit Fahrzeugkontakt überholen kann, wenn man hinter einem anderen Auto herfährt. Dadurch wiederum kann das Rennen schnell gelaufen sein, denn wenn man sich einen Flap oder eines der vielen anderen aerodynamischen Kleinteile abfährt, kann das bereits drastische Folgen haben. Jeder versucht, Berührungen zu vermeiden, weshalb auch manchmal das Risiko eines Überholversuchs nicht eingegangen wird. Das ist schade für die Fans, denn ich kann es gut nachempfinden, dass die Fans Autos sehen wollen, die sich gegenseitig drei- bis viermal pro Runde überholen. Das ist zurzeit leider nicht möglich.

Welche Ergebnisse hättest du dir ohne manch unglückliche Begebenheit während der ersten Rennen zugetraut?
Lucas Luhr: Das ist schwer zu sagen, zumal ich kein Freund des Konjunktivs bin. Man hat in Oschersleben an Mike Rockenfeller gesehen, was möglich ist. Damals war ich über das gesamte Wochenende hinweg genauso schnell wie er - außer im Qualifying, weil ich ein Problem hatte. Es wird von Rennen zu Rennen schwieriger, weil speziell die Audi-Neuwagen von Rennen zu Rennen besser werden. Das macht es für uns im Jahreswagen nicht leicht.

Spürst du angesichts deines noch leeren Punktekontos mittlerweile einen wachsenden Druck von außen?
Lucas Luhr: Ich konzentriere mich weiterhin allein auf meine Arbeit. Wenn es klappt, ist es gut, wenn es nicht klappt, habe ich trotzdem mein Bestes zu geben. In der DTM sind oft Kleinigkeiten Ausschlag gebend. Wenn es nicht so läuft, wie man es sich vorstellt, kann man es nicht mit Gewalt erzwingen. Letztlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis es so läuft, wie wir es uns wünschen.

Lucas Luhr hält den Stellenwert der Strategie für zu hoch, Foto: Audi
Lucas Luhr hält den Stellenwert der Strategie für zu hoch, Foto: Audi

Wie siehst du dich generell im Vergleich zu deinem Teamkollegen?
Lucas Luhr: Wenn man von Rockys Ergebnis in Oschersleben absieht, tun wir uns nicht viel. In Brands Hatch war ich im Qualifying vor ihm, bevor er im Rennen ausgefallen ist, auf dem Lausitzring sind wir direkt hintereinander ins Ziel gekommen. Auch auf dem Norisring gab es keine allzu großen Abstände zwischen uns.

Wie empfindest du es, sehr stark auch von der Rennstrategie abhängig zu sein?
Lucas Luhr: Zunächst einmal kommt das daher, dass man im Verkehr viel Zeit und Abtrieb verliert und somit schlecht überholen kann. Die Strategie ist wichtig und entscheidend, und fest steht: Wenn man ein Rennen gewinnen will, muss man dem Rennen aus dem Weg gehen, um nicht in den Verkehr zu kommen. Das kann nicht Sinn und Zweck von Tourenwagenrennen sein.

Inwieweit bist du in die Ausarbeitung der Strategie eingebunden?
Lucas Luhr: Natürlich gebe ich meinen Input und mache Vorschläge, wie ich mir die Strategie vorstelle. Ob das letztlich so umgesetzt wird, ist immer auch vom Rennverlauf abhängig.

Wie bewertest du die strategischen Entscheidungen des Kommandostands?
Lucas Luhr: Sicherlich gibt es Entscheidungen, mit denen man einverstanden ist, und andere, die man nicht mag. Generell stehe ich hinter den Entscheidungen, die am Kommandostand getroffen werden.

Wie schwierig ist es, die Strategien und Anweisungen im Cockpit umzusetzen?
Lucas Luhr: Wenn es einfach wäre, könnte es jeder... Die Umsetzung im Cockpit ist mit Sicherheit nicht immer einfach, aber dafür werden wir bezahlt und auch anderweitig belohnt: Dass ich in Le Mans für Audi den Start-Stint fahren durfte, war eine große Ehre und gehört zu den Momenten, die das Leben versüßen, wenn es in der DTM einmal nicht so gut läuft.

Was unternimmst du in deiner Freizeit als Ausgleich zum Rennsport?
Lucas Luhr: Wenn ich zu Hause bin, verbringe ich viel Zeit mit Familie und Freunden. Ich gehe gerne fischen oder fahre mit meiner Harley ein bisschen durch die Gegend. Im Grunde ganz normale Dinge, die jeder in seiner Freizeit gerne macht.

Lucas Luhr hofft auf einen Aufwärtstrend während der zweiten Saisonhälfte, Foto: Sutton
Lucas Luhr hofft auf einen Aufwärtstrend während der zweiten Saisonhälfte, Foto: Sutton

Wie stellt sich für dich der Umgang mit Medien und Fans dar?
Lucas Luhr: Solange die Ergebnisse gut sind, macht es natürlich Spaß, Interviews zu geben und Autogramme zu schreiben. Wenn die richtig guten Ergebnisse wie bisher in diesem Jahr ausbleiben, fällt das zugegebenermaßen schwerer. Ich muss mich noch an die große Aufmerksamkeit gewöhnen, die die DTM mit sich bringt, aber das gelingt mir mit der Zeit immer besser.

Welche beruflichen Ziele hättest du gehabt, wenn du nicht in den Motorsport gegangen wärest?
Lucas Luhr: Ich hätte mit Sicherheit irgendetwas mit Autos gemacht. Ich habe eine kaufmännische Lehre absolviert; vielleicht hätte ich angefangen, mit Autos zu handeln und hätte in einem Autohaus gearbeitet. In der Vergangenheit hatte ich schon einmal einen Autohandel.

Wie erlebst du auch in privater Hinsicht den Kontakt zu deinen Teamkollegen?
Lucas Luhr: Sehr gut - Marco Werner, Mike Rockenfeller, Mattias Ekström und ich leben alle am Bodensee. Da arrangieren wir es schon einmal, zusammen etwas zu unternehmen. Dafür, dass es Altersunterschiede gibt, verstehen wir uns untereinander sehr gut.