Das Abnehmen der Fronthaube gibt keinen Blick auf ihn frei, bei Piloten und Mechanikern spielt er im Renn- und Abstimmungsalltag eine Nebenrolle, mit Defekten macht er nur in Ausnahmefällen auf sich aufmerksam: Der Motor eines DTM-Fahrzeuges. Selten bleiben 460 Pferdestärken so unauffällig und geheimnisvoll wie in der DTM - und werden gerade dadurch so interessant. Ulrich Baretzky, Leiter Motorentechnik bei Audi Sport, und die adrivo Sportpresse stellen Ihnen die V8-Aggregate der neuen DTM aus allen Perspektiven vor: Motoren, die sich sowohl entwicklungstechnisch als auch reglementarisch am Limit bewegen...

Limitierte Seriennähe

Erschöpfen sich die Gleichteile von DTM-Bolide und Serienfahrzeug heute auf Dachholme und Blechdach, so sah das Reglement der neuen DTM zumindest während der ersten beiden Jahre noch eine größere Seriennähe vor. Auf Basis eines Serienmotors sollte das V8-Aggregat für die DTM konstruiert werden - für die Privatiers von Abt Sportsline vier Jahre vor dem werksseitigen Audi-Einstieg keine leichte Aufgabe: Jene Achtzylinder, wie sie im A8 ihren Dienst verrichteten, waren mit dem Reglement nicht kompatibel. "Der einzige Motor, den Abt Sportsline verwenden konnte, basierte auf einem Vierliter-V8 von BMW, denn nur dieser bot die entsprechenden Zylinderabstände, um die vorgeschriebenen Bohrungen zu realisieren", berichtet Ulrich Baretzky, Leiter Motorentechnik bei Audi Sport, von einem unfreiwilligen technischen Seitensprung des Teams Abt Sportsline, der aber bald der Vergangenheit angehörte.

Zwei Jahre nach ihrem DTM-Einstieg durfte Abt die erste Eigenentwicklung in den TT-R implantieren: "2002 ist das Reglement geändert worden, nachdem man feststellte, dass die serienbasierten Motoren zu aufwändig werden." Fünf Jahre später befindet sich im Audi A4 DTM der Werksteams die neueste Generation eines eigens für die DTM entwickelten Achtzylinders. Ulrich Baretzky geht den Vergleich zwischen DTM- und Serienaggregat pragmatisch an: "Reden wir zuerst über die Gemeinsamkeiten - denn das sind relativ wenige: Sowohl DTM- als auch Serienmotor sind aus Aluminium und der Hubraum ist ähnlich." Weitere Überschneidungen: Vier Ventile je Zylinder, zwei obenliegende Nockenwellen pro Zylinderbank.

Das Reglement zwang die Abt-Ingenieure noch 2001 zu einem technischen Seitensprung, Foto: Sutton
Das Reglement zwang die Abt-Ingenieure noch 2001 zu einem technischen Seitensprung, Foto: Sutton

"Der Rest ist rennspezifisch - und die Entwicklung kompromisslos. Man versucht, jedes Bauteil in Abstimmung mit dem Reglement perfekt auf Rennbedingungen abzustimmen. Dabei limitiert das Reglement den Hubraum, auch die Bohrung von 93 Millimetern ist vorgeschrieben", erklärt Baretzky. Auf Basis eines Serienmotors wäre die verlangte Bohrung, die den inneren Durchmesser des Zylinderrohrs festlegt, nach wie vor nicht umzusetzen: "Eine Bohrung von 93 Millimetern wäre viel zu groß für den Zylinderabstand eines Audi Serienmotors - dieser beträgt in der Regel 90 Millimeter. Die größte Bohrung aus der Serie liegt bei 84,5 Millimetern." Begrenzungen prägen auch andere Bereiche:

Limitierte Verbrennung - limitierte Defekte

Ein Luftmassenbegrenzer, der das Sauerstoffvolumen einer Zylinderfüllung limitiert und so für die Verbrennung eines geringeren Treibstoffvolumens sorgt, steht einer beeindruckenden Leistungsspitze von rund 460 PS bei über 500 Newtonmetern zwar nicht im Wege - jedoch einem allzu hohen Verschleiß. Im Gegensatz zu anderen Rennserien, wo die Motoren auf Distanzen von lediglich 1.000 bis 2.000 Kilometern ausgelegt sind, soll ein DTM-Motor bis zu 6.000 Kilometer - und damit eine Le-Mans-Distanz - ohne Defekte überstehen.

Eine Zahl, die laut Baretzky auch Sicherheitsreserven beinhaltet: "Eine Besonderheit in der DTM ist, dass man für die zwei Autos eines Teams je Saison nur drei Motoren verwenden darf. Das heißt, dass die Motoren mindestens vier Rennen laufen müssen. Pro Rennwochenende werden 600 bis 700 Kilometer gefahren. Das ergibt mindestens 2.500 bis 3.000 Kilometer." Insbesondere an Nockenwellen und Kolben, die sich im Zylinder während des Verdichtungsprozesses auf und ab bewegen, werden höchste Ansprüche in der Haltbarkeit gestellt.

Motorentests auf der Strecke sind angesichts der limitierten Testmöglichkeiten in der DTM kaum zu leisten - moderne Simulationstechnik ermöglicht jedoch, mit Blick auf die Zuverlässigkeit Experimente zu vermeiden. "Die Langlebigkeit der Motoren wird durch viel Prüfstandarbeit erreicht. Auf dem Prüfstand werden Rennstrecken simuliert - 36 Stunden lang, was rund 6.000 Kilometern entspricht", berichtet der Cheftechniker der Motorenabteilung. Kommt es vor Ende der Simulation zu einem Defekt, gelangt das Aggregat nicht ins Fahrzeug. Bei den weiteren Modifikationen beginnt ein Wettlauf mit der Zeit: "Die Tests laufen meist im Oktober und November, während die Teile bereits bestellt sind." Während der Saison können konzeptionelle Fehler nicht nur wegen der wenigen Testfahrten nicht mehr korrigiert werden - laut DTM-Gesetz ist der Motor in seiner ursprünglichen Form unantastbar:

Beim Nachtanken zeigt sich, dass der DTM-Motor nicht zu den sparsamsten zählt, Foto: DTM
Beim Nachtanken zeigt sich, dass der DTM-Motor nicht zu den sparsamsten zählt, Foto: DTM

"Wir dürfen pro Saison zwei Mal in Gegenwart eines Technischen Kommissars den Zylinderkopfdeckel entfernen, die Ventile einstellen und die Deckel wieder schließen. Auch einen Ölwechsel darf man durchführen", nennt Ulrich Baretzky die einzigen Möglichkeiten, die Verplombung des Motors im legalen Rahmen zu durchbrechen. Die vergleichsweise geringen Kosten für die in der DTM engagierten Hersteller werden auch im Bereich des Motors durch reglementarische Restriktionen erzielt - was Baretzky nicht nur als Nachteil sieht: "Die Materialien betreffend gibt es nichts Exotisches. Ich unterstütze die Philosophie, Werkstoffe anzuwenden, die auch in der Serie verwendet werden können. Wir betreiben Motorsport, um für die Serienmotoren Erkenntnisse zu gewinnen."

Limitierter Fortschritt

Umgekehrt wären in der Serie schon längst Erkenntnisse für einen geringeren Kraftstoffverbrauch der DTM-Motoren gewonnen - die jedoch reglementarisch bedingt außen vor bleiben. Die Technik des V8-Aggregats ist im Kern auch Rennfahrern im Ruhestand vertraut: "Was den Kraftstoffverbrauch angeht, ist ein DTM-Motor nicht auf dem neuesten Stand. Die Technologie ist relativ alt, denn anders als in der Serie ist dieser Motor kein Direkteinspritzer, sondern ein klassischer Saugrohreinspitzer", erklärt Baretzky und sähe die FSI-Direkteinspritztechnik, wie sie in der Serie alle Audi A4 Benziner antreibt, künftig gern im sportlichen Rahmen umgesetzt: "Vor ein paar Jahren hatte die Saugrohrtechnik noch Kostenvorteile, jetzt eher weniger. Vielleicht gibt es in dieser Hinsicht bald ein Umdenken, um die Motoren auf den aktuellen, technischen Standard zu bringen."

Bis dahin gilt es, weiter an der Performance des Motors zu feilen. Zwar bleiben die PS-Zahlen in der DTM seit Jahren weit gehend konstant - diese jedoch sind nicht allein Maß der Dinge. "Das Reglement will die Felder, auf denen man entwickeln könnte, relativ gering zu halten. Dennoch versuchen wir vor jeder Saison, trotz der Restriktionen des Reglements durch den Luftmassenbegrenzer mehr Leistung über Drehzahlen und Drehmoment zu generieren", erläutert Ulrich Baretzky, dem auch hier andere Herausforderungen begegnen als seinen Kollegen aus der Serie: Ihnen reicht ein simpler Turbolader...