Die DTM sollte dorthin kommen, wo die Menschen leben - das war auch in diesem Jahr die erste Erkenntnis in Nürnberg: Wir haben erneut eine tolle Veranstaltung erlebt, auch wenn es schade war, dass am Samstag das Wetter nicht mitgespielt hat. Der Sonntag hat hingegen mit vollen Tribünen, einer tollen Atmosphäre und viel Prominenz gezeigt, dass man die Idee eines Nachtrennens in einer Großstadt bzw. eines weiteren Stadtrennens in Düsseldorf weiter verfolgen sollte.

Doch ob englische Provinz oder bayrische Großstadt - erneut stand ein Mercedes-Pilot auf dem Podest ganz oben. Mercedes war Favorit und ist dieser Rolle ganz klar gerecht geworden. Traditionell kommt Mercedes auf dem Norisring gut zurecht, hinzu kam ein kleiner Gewichtsvorteil. Bruno Spenglers erster Saisonsieg war überfällig, doch auch Bernd Schneider war nicht weit weg. Mika Häkkinens Zeiten waren ebenfalls so schnell, dass er ohne sein Taktikpech ein gewichtiges Wort um den Sieg mitgeredet hätte. Selbst Paul Di Resta war nach der Verwicklung in den Startcrash, der auch Martin Tomczyk in Mitleidenschaft zog, extrem schnell unterwegs. Am Ende hat Bruno verdient gesiegt - trotz der Diskussionen um seine Boxenausfahrt:

Licht und Schatten bei der Rennleitung

Der Druck auf die Damen wächst, Foto: Sutton
Der Druck auf die Damen wächst, Foto: Sutton

Bruno fuhr noch zu einem Zeitpunkt in die Boxengasse, als diese noch nicht geschlossen war. So hat er sich einen strategischen Vorteil erarbeiten können - doch warum die Boxenausfahrtampel ausgerechnet Sekundenbruchteile vor seinem Verlassen der Boxengasse umsprang, war diskussionswürdig. Fest steht: In einem DTM-Auto sitzt man extrem weit hinten, somit bewirkt die A-Säule einen umso größeren toten Winkel auf die sehr weit innen platzierte Ampel hin. Ohnehin schaut man, wenn man sich nur noch vier Meter vor der Ausfahrtslinie befindet, nicht mehr auf die Ampel. Bruno hatte mit Sicherheit keine Chance, auf die rote Ampel zu reagieren - ihn trifft keine Schuld. Sicherlich kann man auf einer strengen Umsetzung der Regeln beharren, aber im Sinne des Sports wurde richtig gehandelt.

Dennoch bleibt die Frage, ob man über das neue Prozedere während der Safety-Car-Phasen nicht noch einmal diskutierten sollte. In US-amerikanischen Rennserien gibt es traditionell sehr viele Safety-Car-Phasen, die allerdings wesentlich einfacher geregelt sind: Solange sich das Safety-Car und das Feld nicht am Eingang der Boxengasse befinden, bleibt die Boxenausfahrtsampel grundsätzlich grün - auch für die DTM wäre dies eine gute Lösung.

Nachwehen der viel diskutierten Safety-Car-Phase schien es auch zu späteren Zeitpunkten zu geben: Bevor Daniel La Rosa mit einem unglücklichen Überholversuch den zu überrundenden Lucas Luhr umdrehte, hatte Lucas zwei Runden lang keine blauen Flaggen gesehen. Offenbar war man noch zu sehr mit der Untersuchung von Brunos Boxenausfahrt beschäftigt, als man die anstehende Überrundung von Daniel gegen Lucas übersah. Ein Vorfall, der Raum für Diskussionen lässt, ob die Rennleitung hinsichtlich ihrer Manpower nicht stärker besetzt werden sollte.

Generell hat die neue Rennleitung bei der Strafvergabe ihre in Brands Hatch gezeigte Linie beibehalten - was auch beim Unfall zwischen Vanina Ickx und dem verwarnten Mathias Lauda sichtbar und richtig war. Die Bilder in der Kommentatorenkabine zeigten, dass Vanina ihre Linie vor der Grundig-Kehre gewechselt hat und Mathias vors Auto gefahren ist. So war auch Vanina selbst an der Kollision nicht ganz unbeteiligt. Sowohl für Vanina als auch für Susie Stoddart ist die Luft 2007 dünner geworden. Sie stehen in ihren 2005er-Boliden im Wettbewerb mit sehr starken Fahrern, sprich: Adam Carroll und Paul Di Resta. Die Damen wissen, dass sie ihre Leistung steigern müssen, sie spüren den Druck, was auch Susie auf dem Norisring nicht mehr verbergen konnte.

Der entscheidende Fehler

Schon am Freitag verbaute sich Audi die Siegchancen, Foto: Sutton
Schon am Freitag verbaute sich Audi die Siegchancen, Foto: Sutton

Mattias Ekström ist ein extrem starkes Rennen gefahren, er hat klar seine Teamkollegen distanziert. Am Ende lag er auf Platz drei nur zwei Sekunden hinter Bruno - Hut ab vor Mattias' Leistung. Ein noch besseres Ergebnis haben sich die Ingolstädter schon am Freitag verbaut: Sie sind mal mit viel Aerodynamik gefahren, mal mit wenig. Sie haben vor Ort noch einmal grundverschiedene Varianten ausprobiert, wodurch in der Feinabstimmung viel Zeit verloren ging:

Die Fahrer konnten sich nicht rechtzeitig auf eine Grundabstimmung einstellen, was gerade auf dem Norisring beim Kampf um Hundertstelsekunden viel Zutrauen ins Auto kostet. Audi hätte von Beginn an auf wenig Aerodynamik setzen und mehr Zeit in die Feinheiten wie die Gesamtbalance investieren sollen. Doch schon in Mugello könnte die Welt wieder komplett anders aussehen - nicht nur mit Blick auf die Gewichtstabelle. Auch das Layout der Strecke dürfte Audi deutlich mehr entgegenkommen als der Norisring, wo Christian Abt sein letztes "Heimrennen" in der DTM bestritt:

Christian ist ein Charakterkopf, der sich nie verbiegen ließ und hervorragend in die DTM passte. Er ist in diesem Jahr 40 geworden, er hat viele Jahre im Motorsport durchlebt - da kann ich es nachempfinden, wenn er sagt: Es reicht. Christian war immer dort dabei, wo es Action gab; mit seiner Fahrweise hat er sich nicht immer Freunde gemacht. Aber das war Christian, wie man ihn kennt. Man konnte auf der Rennstrecke eine noch so harte Auseinandersetzung mit ihm haben - spätestens am Abend bei einem Weißbier war alles wieder im Lot.