Eine exzessive Kohlefaserschlacht, eine ausgiebige Vergabe von Durchfahrtsstrafen, Ausfälle en masse, Überraschungen in den Punkterängen - all das sah man in Nürnberg diesmal in begrenzterem Maße als in den Vorjahren. Einem Rennen, das Gesprächsstoff bot, stand dies dennoch nicht im Wege...

Automobile Schadensbegrenzung

Wenngleich sich nach Allan McNish 2005 und Martin Tomczyk 2006 mit Susie Stoddart auch diesmal eine Piloten ihrer Motorhaube gleich ganz entledigte: Das Crash-Festival der beiden Vorjahre blieb weit gehend aus. Mit nur einer Safety-Car-Phase ging es für Nürnberger Verhältnisse beinahe geordnet zu - nicht ohne dass die eher wenigen Crashs, an denen insbesondere die Damen beteiligt waren, für Diskussionen gesorgt hätten. Nachdem Stoddart angesichts ihres zwölften Startplatzes die Chance auf erste DTM-Punkte gewittert hatte, präsentierte sie sich leicht übermotiviert: Bereits in der ersten Kurve schob die Schottin den Meisterschaftsführenden Martin Tomczyk sowie Paul Di Resta ineinander, wenige Runden später drehte sie ebenfalls in der Grundig-Kehre Vanina Ickx um.

Schon im Chaos der ersten Kurve verlor Martin Tomczyk die Tabellenführung, Foto: Sutton
Schon im Chaos der ersten Kurve verlor Martin Tomczyk die Tabellenführung, Foto: Sutton

"Aber immerhin hat sie sich entschuldigt und gesagt, es sei eindeutig ihr Fehler gewesen. Das täte wohl kein anderer Fahrer. Sie hat mehr Stärke als alle ihre Kollegen", bemerkte eine verbitterte Ickx, deren Rennen nach einem weiteren Zusammenstoß mit Mathias Lauda wie schon in Barcelona 2006 von Startplatz 14 aus unverschuldet früh endete: "Lauda hatte wohl offensichtlich vergessen, vor der ersten Kurve zu bremsen." Und obwohl die Belgierin in Zweikämpfen nicht zu den abgeklärtesten zählt - ihre häufige Verwicklung in Kollision wirft die Frage auf, ob der nötige Respekt vor Ickx bei ihren Fahrerkollegen immer vorhanden ist. Doch es gab auch Berührungen ohne weibliche Beteiligung: "Tom Kristensen hat mir das Rennen zerstört, indem er mir in die Seite gefahren ist. die Tür war kaputt, die Aerodynamik hat nicht mehr gestimmt. Er wohl etwas übermotiviert", erlebte Christian Abt mit Blick auf sein letztjähriges Norisring-Rennen einen Perspektivwechsel...

Begrenzte Übersicht?

Ein souveränes Debüt hatte die neue Rennleitung um Renndirektor Sven Stoppe in Brands Hatch gefeiert, nachdem der traditionellen Besetzung das Lausitz-Debakel zum Verhängnis geworden war. In Nürnberg hagelte es allerdings erste Kritik. "Ich verstehe noch nicht ganz, weshalb es so unterschiedliche Strafmaße gibt", bemerkte Ickx, die den Unfall mit Lauda offensichtlich gern mit einer Durchfahrtsstrafe für den nur verwarnten Österreicher geahndet gesehen hätte. Doch passte die nachsichtigere Bewertung von Unfällen noch zu jener Linie, die die man schon in England verfolgt hatte, so leistete man sich auch aus Sicht Daniel La Rosas durchaus nicht ganz unbeträchtliche Fehler. So vermisste der Mücke-Pilot beim Versuch, Lucas Luhr zu überrunden, lange die blauen Flaggen für den Rosberg-Audi, bevor er sich im Schöller-S zu einem riskanten Manöver hinreißen ließ - und nach seinem Misslingen selbst eine Durchfahrtsstrafe kassierte.

Lucas Luhr sah blaue Flaggen ebenso wenig wie ein Schild an der Boxeneinfahrt, Foto: Sutton
Lucas Luhr sah blaue Flaggen ebenso wenig wie ein Schild an der Boxeneinfahrt, Foto: Sutton

"Das war ein klarer Fehler von der Rennleitung. Das hat sie auch zugegeben und sich bei mir entschuldigt. Aber es ist einfach total enttäuschend, wenn solche Entscheidungen getroffen werden", äußert La Rosa scharfe Kritik und vermisste bei der Rennleitung die Übersicht. Eine größere Übersicht als zuletzt herrschte hingegen bei den Zuschauern in Sachen Taktik: Nachdem die Spitzengruppe abgesehen vom gebeutelten Mika Häkkinen durchweg eine ähnliche Strategie relativer früher Boxenstopps vorzog, blieb der Kampf um den Sieg für den Zuschauer nachvollziehbar; lediglich Alexandros Margaritis fiel mit einer Taktik extrem später Stopps aus der Reihe, kam in den Genuss einiger Führungsrunden und fuhr trotz eines mäßigen 17. Startplatzes verdient einen siebten Rang ein.

Chaosbegrenzung

Der Rennleitung dürfte der Atem gestockt haben, nachdem sich die Bilder aus der Lausitz während der Safety-Car-Phase infolge von Ickx' Einschlag in die Leitplanken nahezu wiederholten: Zwar nicht der Klettwitzer Mercedes SLK, sondern diesmal ein Audi RS4 setzte sich unter gelbem Blinklicht vor alle Fahrzeuge - nur nicht vor den Führenden Mika Häkkinen. Vom Safety-Car vorbeigelassen wurde offenbar auch der Finne an das Brandenburger Chaos sowie seine Folgen erinnert - und ließ es hinter der Grundig-Kehre zurücküberholen. Nach der Halbierung seines Sieg-Zehners von Klettwitz ging Häkkinen allerdings auch diesmal als Verlierer der Gelbphase hervor: "Die Safety-Car-Regel, wonach die Box während der Gelbphase geschlossen bleibt, hat ihn getroffen. Man kann nicht vier Autos gleichzeitig abfertigen", bemerkte Sportchef Norbert Haug, der sich nicht zu den Freunden der neu eingeführten Regelung zählt.

Erneut ging Mika Häkkinen als Verlierer der Safety-Car-Phase hervor, Foto: Sutton
Erneut ging Mika Häkkinen als Verlierer der Safety-Car-Phase hervor, Foto: Sutton

Ein weiterer Vorfall zur gleichen Zeit sorgte derweil bei seinem Audi-Kollegen Dr. Wolfgang Ullrich zunächst für Unmut. "Es muss geklärt werden, wie man nach Überfahren einer roten Ampel ganz oben auf dem Podest stehen kann", kommentierte der Österreicher, der den kurz vor der Safety-Car-Phase zum ersten Pflichtstopp angetretenen Bruno Spengler Sekundenbruchteile vor Schließung der Boxengasse die rote Boxenausfahrtsampel überfahren sah. Der Kanadier blieb unbestraft - was im Nachhinein auch Dr. Ullrich nachvollziehen konnte: Als die Ampel auf Rot sprang, befand sich Spengler nur noch vier Meter vor ihr. Verwunderung herrschte hingegen auch Stunden nach dem Rennen bei Lucas Luhr, dessen erster Stopp aberkannt wurde: "Eine Runde zuvor war das Schild 'Pit lane closed' sichtbar. Als ich in die Box kam, war es nicht mehr da. Da war die Boxengasse aus meiner Sicht offen..."

Ingolstädter Schadensbegrenzung

Bei allen Diskussionen um die Regeln und ihre Umsetzung fand durchaus auch ein Kampf um den Sieg statt. Dass Mercedes diesen erneut für sich entschied, überraschte weder angesichts der Stuttgarter Langzeitbilanz in Nürnberg noch mit Blick auf die Startplätze der HWA-Piloten. Mit einem seinem ersten Saisonsieg nach einem fehlerfreien Rennen verschaffte sich Bruno Spengler als einer der bisherigen Pechvögel der Saison einen Befreiungsschlag - und darf sich freuen, sich im Titelkampf nun wieder in Schlagdistanz zur Spitze befinden. Mit einem ebenso souveränen zweiten Platz löste Bernd Schneider Martin Tomczyk als Meisterschaftsführenden ab - während Mattias Ekström nur noch Schadensbegrenzung betreiben konnte.

Mattias Ekström blieb nur die Schadensbegrenzung, Foto: Sutton
Mattias Ekström blieb nur die Schadensbegrenzung, Foto: Sutton

"Vom siebten Startplatz aus Dritter zu werden, ist in Ordnung", konstatierte der Schwede, haderte jedoch mit seiner schlechten Ausgangsposition: "Was die Abstimmung angeht, war das Auto für mehr als für den dritten Platz gut." Dass Ekström mit Spengler und Schneider trotz arg nachlassender Bremsen auch in der Schlussphase Schritt halten konnte, bestätigt seine These, auch Ekströms Rückstand von "nur" zweieinhalb Zehntelsekunden auf Bruno Spenglers Schnellste Rennrunde gestaltete sich zumindest erträglicher, als es die Ergebnisse der Testsessions vermuten ließen. Und während Timo Scheider sich von mehreren Berührungen sowie einem Plattfuß am Punktesammeln gehindert sah, erlebte Tom Kristensen auf Rang fünf ein durchaus gelungenes Comeback - wenngleich der Däne leichte Konditionsprobleme eingestand: "Während der letzten 15 Runden gab es Temperaturprobleme - beim Motor, bei den Bremsen, und auch bei mir selbst..."

Schadensbegrenzung im Titelkampf

Während sich Tomczyk nach dem frühen unverschuldeten Crash mit dem Verlust der Meisterschaftsführung und einem aktuellen Rückstand von 5,5 Punkten auf Bernd Schneider abfinden muss, durfte Ekström erhobenen Hauptes die Heimreise antreten: Nachdem er als einziger Vertreter des Fahrerfelds den bereits dritten Podestplatz der Saison einfuhr, hält sich der Schwede weiterhin souverän auf Tabellenplatz zwei - und hält sich trotz vierer Mercedes-Siege in Folge die Übernahme der Meisterschaftsführung schon für Mugello offen. Nach zuletzt zwei Pleiten in Folge durfte sich mit einem verdienten vierten Platz auch Gary Paffett im Mercedes-Jahreswagen nicht nur über den ersten größeren Punktesegen seit seinem Sieg in Oschersleben freuen - mit 16,5 Punkten bleibt die Sichtweite des Ex-DTM-Champions auf die Tabellenspitze begrenzt: "Der Rückstand auf Bernd ist überschaubar..."