Brands Hatch war eine Reise wert - schon im Vorfeld war die Spannung nicht nur angesichts der bisher unvorhersehbaren Rennverläufe groß. Mit Spannung durfte auch das Debüt der neuen Rennleitung erwartet werden, nachdem der DMSB einen personellen Wechsel vorgenommen hatte:

Die Entscheidung für eine neue Rennleitung war aus meiner Sicht korrekt - nicht nur auf Grund der Vorfälle in der Lausitz. Es gab in dieser Saison schon zu viele Situationen, in denen die Rennleitung eher unglücklich agierte. Volle Punkte, halbe Punkte, volle Punkte - schon bei der Frage um die Wertung des Hockenheim-Rennens fehlte die Souveränität. Auch die Durchfahrtsstrafe für Jamie Green in Oschersleben war nur einer von vielen strittigen Punkten, über die man nicht einfach hinwegsehen sollte. Fehler sind erlaubt, aber so, wie sie sich häuften, entsprachen sie nicht mehr der Professionalität der DTM.

Gelungenes Debüt

Der Startcrash brachte die Rennleitung nicht in Verlegenheit, Foto: Sutton
Der Startcrash brachte die Rennleitung nicht in Verlegenheit, Foto: Sutton

Die neu besetzte Rennleitung hat sich in Brands Hatch gleich zum Debüt sehr gut geschlagen. Mit der anfänglichen Safety-Car-Phase wurde schnell reagiert, rund um die zeitgleiche Schließung der Boxengasse und die Aberkennung von Daniel La Rosas erstem Pflichtstopp wurde alles klar und eindeutig gehandhabt. Es wurden keine unnötigen Durchfahrtsstrafen vergeben - und so hoffe ich, dass die Rennleitung ihre neue Linie durchsetzt und fortführt. Damit wäre uns allen geholfen, denn in Brands Hatch haben wir ein extrem spannendes Rennen gesehen, dessen Ausgang wieder einmal kaum zu prognostizieren war. Es wurde sowohl von den Fahrern als auch von den Teams mit ihren Strategien auf höchstem Niveau gefightet, Bernd Schneider, Martin Tomczyk und Mattias Ekström haben es sich richtig gegeben - nachdem der Anfang etwas holprig verlief:

Mit Blick auf den Startunfall in der zweiten Kurve fiel es selbst in der Kommentatorenkabine schwer, auf den Bildern und Zeitlupen einen Auslöser auszumachen. Hier ist der Ziehharmonika-Effekt zum Tragen gekommen. Der eine hat den anderen ein wenig angeschoben, Markus Winkelhock drehte sich - woraufhin manche Piloten noch stärker abbremsten, andere jedoch versuchen, ihm auszuweichen. Eine unglückliche Situation, mit der der Ausfall Mike Rockenfellers allerdings nichts zu tun hatte: Mike kam am Start sehr schlecht weg, hetzte dem Feld hinterher und hat sich in Turn 2 schlichtweg verbremst.

Jahreswagen nur im Zwischentief

Im Rennverlauf wurde sichtbar: Die Neuwagen haben in ihrer Weiterentwicklung einen Schritt nach vorne gemacht. Aber auch ein Paul Di Resta im Gebrauchtwagen hätte viel erreichen können: Während seiner Longruns am Freitag hinterließ er einen sehr guten Eindruck. Ich schreibe die Jahres- und Gebrauchtwagen auch nach Brands Hatch nicht ab, war das Rennen doch stark von Strategie geprägt. Gerade auf einer so kurzen Strecke ging es vor allem darum, wer wie lange frei und ohne Verkehr fahren konnte - hier hatten die älteren Fahrzeuge mit Blick auf ihre Startplätze keinen Vorteil. Selbst Bruno Spengler und Mika Häkkinen sahen auch auf Grund ihrer Taktik diesmal nicht ganz so gut aus.

Zwar glaube ich nicht, dass die 2006er-Audi auf dem Norisring unter normalen Bedingungen aufs Podest fahren können. Den Mercedes-Jahreswagen ist das jedoch durchaus zuzutrauen: Am Wochenende waren sie noch 18 Kilogramm schwerer als die aktuelle C-Klasse - eine Last, die auf einer so kurzen Strecke wie Brands Hatch nicht zu vernachlässigen ist, der sich die 2006er-Mercedes aber schon in Nürnberg nicht mehr stellen müssen. Die Jahreswagen werden künftig wieder ihre großen Chancen haben, sollte ein erneuter HWA-Sieg für weitere Verschiebungen in der Gewichtstabelle sorgen - und sie selbst weiterhin so beherzt kämpfen wie bisher:

Auch markenintern keine Geschenke

Häkkinen hatte ähnlich wie Green und Spengler zu kämpfen, Foto: Sutton
Häkkinen hatte ähnlich wie Green und Spengler zu kämpfen, Foto: Sutton

Die Szene zwischen Gary Paffett und Mathias Lauda, der nach einer Berührung mit dem Briten von der Strecke abkam, war strittig. Gary dachte offenbar, Mathias hätte ihn gesehen, er könnte die Lücke nutzen und mit durchrutschen. Normalerweise sollten derartige Zwischenfälle unter Markenkollegen zwar nicht passieren, andererseits war es herzerfrischend zu sehen, dass auch markenintern richtig hart gekämpft wird. Somit war es berechtigt, dass durch die Rennleitung auch in diesem Fall nicht gleich eine Durchfahrtsstrafe verhängt wurde.

Was Mika angeht, so sah man deutlich, dass er am Ende immer größere Bögen fahren musste, keine enge Linie mehr fahren konnte. An ein technisches Problem glaube ich allerdings nicht: Mika hatte offenbar keine ganz optimale Balance, aber letztlich ähnelte er hier nur Bruno und Jamie Green. Schon während der Trainings hatte sich angedeutet, dass Bernd die bei HWA hervorragende Balance sowie die beste Longrun-Abstimmung hatte. Somit fiel Mika nicht negativ aus der Reihe, sondern vielmehr Bernd in positiver Hinsicht.

Martin als neuer Tabellenführer hat in Brands Hatch mit seiner Aufholjagd von Platz acht auf Rang zwei ein tolles Rennen gezeigt. Und mit dem Wechsel seines Renningenieurs hat Martin seit der zweiten Saisonhälfte 2006 zwar konstant gute Leistung erbracht. Ehrlich gesagt traue ich ihm den Titel jedoch noch nicht so ganz zu - lasse mich aber gern vom Gegenteil überzeugen! Für ihn ist es nun ganz wichtig zu zeigen, dass er zu den absoluten Top-Piloten aufgeschlossen hat und Mattias teamintern weiterhin Paroli bieten kann. Denn eine solche Chance bekommt Martin wohl nicht noch einmal.