Es begab sich zu einer Zeit, als Safety-Cars noch stets den Führenden einfingen, als sich Jahreswagenpiloten noch über sechste bis achte Rängen freuten und als Podestplätze für HWA-Fahrer noch eine Selbstverständlichkeit waren: Aus heutiger Sicht gehörte der vierte Saisonlauf 2006 in Brands Hatch zur damals häufigen Gattung der "normalen" Rennen - und war im vergangenen Jahr dennoch eines der markanteren Rennen der einst so geordneten DTM-Welt...

Qualifying der anderen Art

Einzig das Qualifying hätte vorzüglich in die DTM-Saison 2007 gepasst: Gleich zwei Publikumslieblinge erlaubten sich während des samstäglichen Zeitfahrens spektakuläre Missgeschicke, die den Atem nicht nur an den Kommandoständen stillstehen ließen. Während Heinz-Harald Frentzen in Turn 1 die Kontrolle über seinen A4 DTM verlor und in die Reifenstapel einschlug, geriet Mika Häkkinen ausgangs der letzten Kurve zu weit über die Curbs und wurde auf der Start-/Ziel-Geraden zwischenzeitlich zum Geisterfahrer. Der Finne musste sich mit Rang acht begnügen, der Mönchengladbacher durfte sich über den Trostpreis eines dritten Startplatzes freuen.

Nicht nur im Qualifying war Tom Kristensen eine Klasse für sich, Foto: Audi
Nicht nur im Qualifying war Tom Kristensen eine Klasse für sich, Foto: Audi

Fehlerlos präsentierte sich hingegen Audi-Speerspitze Tom Kristensen: Mit einem souveränen Vorsprung von zweieinhalb Zehnteln verwies der Däne One-Lap-Wonder Jamie Green auf Rang zwei, Mattias Ekström komplettierte eine gelungene Mannschaftsleistung der Audi-Neuwagen mit Position vier. Nach dem Verlust der Meisterschaftsführung in Oschersleben musste der nur sechstplatzierte Bernd Schneider eine weitere Niederlage befürchten. Übrigens: Sämtliche Jahres- und Gebrauchtwagen waren am Einzug in die letzte Session gescheitert...

Wenig Taktik - viel Tragik

Viel war über die Kurzversion des Traditionskurses von Brands Hatch als potenzielle Chaosstrecke spekuliert worden: Geradezu prädestiniert schien der enge Kurs ohne große Sicherheitsreserven für Safety-Car-Einsätze - doch es kam anders. Diszipliniert schlängelte sich das Feld durch die erste Runde, erwartungsgemäß gewann Kristensen den Start gegen Green. Lediglich Frank Stippler sorgte mit einem Einschlag in die Reifenstapel zwischenzeitlich für Unruhe, das Safety Car blieb jedoch - zum Glück? - in der Box.

Für Action neben der Strecke sorgten im Rennen nur Frank Stippler und Vanina Ickx, Foto: Sutton
Für Action neben der Strecke sorgten im Rennen nur Frank Stippler und Vanina Ickx, Foto: Sutton

Trotz der eher überholfeindlichen Auslegung des Kurses gelang so manchem Piloten ein sehenswertes Überholmanöver, insgesamt verlief das Rennen jedoch ruhig. Eher konventionell präsentierten sich auch die Rennstrategien. Dennoch hätten sie leicht zum Zünglein an der Waage werden können: Auf nachlassenden Reifen reizte Kristensen den ersten Stint zu sehr aus - und wäre nach seinem ersten Boxenstopp um ein Haar hinter Green zurückgefallen. Rasch wusste der Abt-Audi-Pilot seinen Vorsprung jedoch wieder auf das vorherige Niveau zu bringen; während der zweiten Boxenstoppphase reagierte der Audi-Kommandostand schneller auf den greenschen Boxenbesuch. Der Sieg wäre damit perfekt gewesen...

Und während Mattias Ekströms auf freier Fahrt die Chancen eines extrem späten zweiten Stopps auszuloten versuchte, wurde Timo Scheider im 2005er-Audi eine Rolle zuteil, die für die Jahreswagen heute fast undenkbar wäre. Vor Mercedes-Speerspitze Schneider liegend schoben Scheider und sein Rosberg-Team ohne Rücksicht auf das eigene Ergebnis den zweiten Boxenstopp auf und kosteten den Altmeister so wertvolle Sekunden - die Schneider am Ende fehlten, um vor Ekström zu bleiben. Scheider verschenkte so einen möglichen Punkterang, gab jedoch an, sich jederzeit gerne in den Dienst der Marke zu stellen...

Nach dem Flüchtigkeitsfehler Greens fuhr Ekström dankend seinem Geschenk entgegen, Foto: Sutton
Nach dem Flüchtigkeitsfehler Greens fuhr Ekström dankend seinem Geschenk entgegen, Foto: Sutton

Ein Radaufhängungsbruch an Tom Kristensens A4 DTM 17 Runden vor Schluss bildete den Wendepunkt das Rennens: Unbeschwert schien der aufgerückte Green nun seinem ersten DTM-Sieg entgegenfahren zu können, bis der Brite sich seinen Triumph auf nachlassenden Reifen mit einem Ausflug ins Grüne verbaute. Zum Erbprinzen in der Grafschaft Kent avancierte damit Mattias Ekström, der das Geschenk des Lokalmatadoren dankend annahm und vor Green und Schneider seinen einzigen Saisonsieg einfuhr.

Während Heinz-Harald Frentzen seinen aus seiner Sicht unfahrbaren Dienstwagen drei Runden vor Schluss abstellte und so endgültig aus dem Titelkampf ausschied, eroberte Bernd Schneider die Führung in der Meisterschaft zurück. Wie sich die Zeiten doch ändern: Es bedürfte am kommenden Sonntag schon eines Sieges des Saarländers in Brands Hatch, um einen schwächelnden Paul Di Resta im 2005er-Mercedes von der Tabellenspitze zu verdrängen...