Schon der Saisonauftakt in Hockenheim einte die skurrilsten Schreckens- und Jubelszenarien in nur einem Rennen. Nachdem in Oschersleben bereits das Qualifying für so manche Überraschung sorgte, steht auch einem unerwarteten Rennverlauf nichts mehr im Wege...

Das erste Szenario

Fiktion... "Längst ist das Fahrerlager menschenleer, die letzten Meetings mit den Ingenieuren beendet - doch die Fahrer kommen nicht zur Ruhe. Bis tief in die Nacht brennt in ihren Hotelzimmern das Licht, schwebt ihnen doch auch ohne Schlaf der Alptraum vor: Fliegende Karbonscherben, kreiselnde DTM-Boliden - die Angst vor dem Massencrash in der neuen ersten Kurve ist allgegenwärtig. Nachdem auch die zweite Modifikation der Kurve nach Start und Ziel auf breite Ablehnung stößt, laufen die Telefonleitungen zwischen Streckenbetreibern, Streckenarchitekten und Bauunternehmen heiß: Der nunmehr dritte Umbau der Kurve ist in wenigen Tagen geplant.

Gelingt Jamie Green der Startunfall hinter dem Safety Car?, Foto: Sutton
Gelingt Jamie Green der Startunfall hinter dem Safety Car?, Foto: Sutton

Am Sonntagmorgen entscheidet sich die Rennleitung zum Start hinter dem Safety Car. Bedächtig führt es die 20 DTM-Boliden durch die erste Kurve, nur Jamie Green verursacht beim Versuch, nach dem Abwürgen des Motors seinen fünften Startplatz noch vor der ersten Kurve zurückzuerobern, einen leichten Auffahrunfall. Kurz darauf wird das Rennen freigegeben - und nachdem sich Mika Häkkinen beim Restart verbremst, übernimmt mit Mike Rockenfeller erneut ein Audi die Führung. Dabei bleibt es: Nachdem übereifrige Bauarbeiter mit Baggern und Dampfwalzen in Richtung erste Kurve steuern und die dritte Umbauphase der ersten Kurve beginnen, rückt erneut das Safety Car aus - und führt Rockenfeller zum Sieg."

... und Realität: Auch wenn es für den Sieg Mike Rockenfellers tatsächlich eines ungewöhnlichen Szenarios bedürfte: Ein kühler Kopf beim Start sowie eine gelungene Rennstrategie des Rosberg-Teams könnten durchaus für den zweiten Podestplatz eines Jahreswagens in Folge sorgen. Wahrscheinlicher bleibt dennoch die Podesteroberung der Audi-Neuwagen:

Wird dieses Gerät Grund für den Sieg Mike Rockenfellers?, Foto: Dutch TT
Wird dieses Gerät Grund für den Sieg Mike Rockenfellers?, Foto: Dutch TT

Zwar befinden sich vor Mattias Ekström im bestplatzierten Audi-Neuwagen gleich zwei 2007er-Mercedes, den prinzipiellen Kräftegleichstand zwischen Ingolstädtern und Stuttgartern konnten jedoch auch die aktuellen Gewichtsunterschiede nicht aufheben. Audi-intern könnte der Schwede für 2007 bereits die Vorentscheidung herbeiführen: Die unverschuldete Hockenheimer Nullrunde sowie der mäßige sechste Startplatz stellen für Timo Scheider im Titelkampf keine Hilfe dar, Martin Tomczyk präsentierte sich in Oschersleben bislang noch nicht in Hochform.

Das zweite Szenario

Fiktion... "Über verweichlichten Motorsport kann sich in der DTM niemand beklagen, ist doch zumindest bei Mercedes hinterm Steuer noch Kraft raubende Handarbeit gefragt. Als Reaktion auf die eher mäßige Zuverlässigkeit ihrer Servolenkungen haben die Piloten der Stuttgarter spätestens seit Hockenheim Sondertrainings zur Stärkung der Arm-, Schulter- und Rückenmuskulatur eingelegt. Mit breitem Kreuz steigen sie auch am Sonntag in ihre C-Klassen.

Verlässt sich Bernd Schneider zu sehr auf den Ausfall seiner Servolenkung?, Foto: Sutton
Verlässt sich Bernd Schneider zu sehr auf den Ausfall seiner Servolenkung?, Foto: Sutton

Zwar macht Bernd Schneider in der - diesmal falschen - Erwartung einer defekten Servolenkung bereits nach dem Start in der ersten Kurve eine viel zu starke Lenkbewegung und verursacht so eine Kollision mit Timo Scheider. Und während die enorme Reibung zwischen Rennhandschuhen und Lenkrad bei Bruno Spengler eine Überhitzung im Innenraum und damit den Fahrzeugbrand zu verursachen droht, schlägt die große Stunde Mika Häkkinens: In konditioneller Hochform hängt er eine zunehmend müder werdende Audi-Armada hinter sich ab, um souverän seinen zweiten DTM-Sieg einzufahren."

... und Realität: Auf die Funktion oder Nichtfunktion seiner Servolenkung wird auch Mika Häkkinen keinen großen Einfluss haben - auf Fortsetzung oder Abbruch seines Aufwärtstrends durchaus: Nachdem sich in Hockenheim noch kein HWA-Pilot nach Punkten die Mercedes-interne Vorherrschaft erarbeiten konnte, hat der Finne die einmalige Chance, von Beginn an ganz vorne im Titelkampf mitzumischen.

Gute Nerven bewies Häkkinen schon in Spa 2005, als er seine Pole Position sowie die gelungene Rennstrategie seines Teams in einen lupenreinen Sieg ummünzte. Doch von Bruno Spengler droht Gefahr: Der in der Summe auch im gestrigen Qualifying nicht schwächere Kanadier lässt das Siegpotenzial in der konkurrenzfähigen C-Klasse ebenso wenig vermissen.