Die Ambitionen sind gewachsen: Zählen für Audi in der kommenden Saison nur Siege und Titel, so war das Ziel für die private Abt-Audi-Truppe im Jahr 2000 eher olympischer Natur: Dabeinsein ist alles. Sieben Jahre bevor sich Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich in der Saisonvorbereitung trotz längst angelaufener Entwicklungsarbeiten unter größtem Zeitdruck sah, blieben dem Privatteam um Hans-Jürgen Abt ganze 100 Tage, um ohne Werksunterstützung aus Ingolstadt einen komplett neuen DTM-Boliden auf die Räder zu stellen. Mühen, die knapp vier Jahre später mit dem werksseitigen Einstieg Audis in die DTM belohnt wurden.

Die Kontraste im Vergleich zwischen der wohl schnellsten Saisonvorbereitung aller DTM-Zeiten mit den heutigen, geregelten Audi-Verhältnissen könnten nicht größer sein...

1. Etappe: Verhandeln statt entwickeln

Dezember 1999: Ein erfolgreiches Jahr liegt hinter dem Team der Gebrüder Abt. Vor einigen Wochen hat Christian Abt im seriennahen Audi A4 den STW-Titel errungen. Für das kommende Jahr muss eine neue Herausforderung her - und es soll keine geringere als die Neuauflage der DTM sein. Mitte Dezember nimmt Hans-Jürgen Abt erstmals Kontakt mit der ITR auf, um die Chancen auf ein DTM-Engagement mit Fahrzeugen auf Basis der abtschen Hausmarke Audi auszuloten.

Erst am 31. Januar 2000 erhielt Hans-Jürgen Abt den Segen der ITR, Foto: Sutton
Erst am 31. Januar 2000 erhielt Hans-Jürgen Abt den Segen der ITR, Foto: Sutton

Dezember 2006: "Die Entwicklung für die kommende Saison hat natürlich schon vor einiger Zeit begonnen", berichtet Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich den Stand der Dinge während der Winterpause - und sieht sich und sein Ingolstädter Ingenieursteam unter Zeitdruck: "Wir müssen jetzt versuchen, das Vorziehen des ersten Rennens in irgendeiner Form abzufedern - das ist nicht so einfach." Dass die Stuttgarter Konkurrenz trotz der Verwendung einer komplett neuen C-Klasse-Silhouette weniger unter Zugzwang zu stehen scheint, bereitet dem Österreicher Kopfzerbrechen...

Januar 2000: In der Kemptener Abt-Zentrale laufen die Telefonleitungen heiß: Zwar erlaubt der Audi-Vorstand dem Privatteam, in der DTM mit der Silhouette des Audi TT anzutreten - doch das kompakte Sportcoupé scheint mit dem Technischen Reglement der DTM kaum kompatibel. Wegen der zu kompakten Abmessungen des TT gibt die ITR erst am 31. Januar grünes Licht: Die Äbte erhalten zum Einsatz des TT eine Ausnahmegenehmigung - und dürfen beginnen, an einer DTM-tauglichen Langversion des TT zu tüfteln...

Januar 2007: Auch vor der Saison 2007 ist man bei Audi im Januar noch weit von den ersten Tests entfernt. Während Mercedes bereits erste Tests mit Komponenten der neuen C-Klasse durchführt, befindet sich der Ingolstädter Teil der 150-köpfigen Audi-Sport-Mannschaft noch in fortgeschrittenen Entwicklungsarbeiten bei Chassis, Aerodynamik und Fahrwerk. In Neckarsulm befasst man sich derweil mit dem abermals modifizierten V8-Motor, der den Piloten bei gleich bleibender Spitzenleistung eine bessere Leistungsentfaltung über das gesamte Drehzahlspektrum bieten soll.

2. Etappe: Entwickeln statt testen

2001 ernteten die Äbte erste Früchte ihres DTM-Engagements, Foto: Sutton
2001 ernteten die Äbte erste Früchte ihres DTM-Engagements, Foto: Sutton

Februar 2000: 100 Tage bleiben den Kemptener Abt-Ingenieuren um Technikchef Albert Deuring, um beginnend mit einem leeren Blatt Papier bis zum DTM-Saisonauftakt am 28. Mai einen fahrbereiten DTM-TT auf die Räder zu stellen. Lediglich im Bereich des Motors können die Ingenieure auf Altbekanntes setzen: Ein V8-Motor, der in der Serie auch in A8 & Co. seinen Dienst verrichtet, wird durch Anpassung des Hubraums und weitere Modifikationen DTM-tauglich gemacht. Ende des Monats liegen erste digitalisierte Konstruktionsplanungen vor.

Februar 2007: Die grundlegenden Entwicklungsarbeiten befinden sich im Endstadium, auch bei Abt laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren: In den Kemptener Werkshallen nehmen die Vorarbeiten aus Ingolstadt und Neckarsulm weiter Gestalt an. In jeweils rund 50 Arbeitsstunden entsteht aus Motor, Getriebe und 6.000 sonstigen Einzelteilen ein Audi A4 DTM des Jahrgangs 2007. Zum Monatsende macht sich die Audi-Mannschaft auf ins spanische Almeria, wo das Roll-out des neuen Boliden stattfinden soll.

März 2000: Der DTM-TT, der später als "TT-R" bezeichnet wird, nimmt Form an, wenngleich das Entwicklungsteam um Albert Deuring auch Rückschläge in Kauf nehmen muss: Die Schließung einer Reglementslücke hat eine einheitliche Breite der Heckflügel von 1,40 Meter zur Folge - in die Konstruktionspläne war bereits eine andere Version des Flügels eingeflossen. Unterstützt werden die Kemptener von der britischen Rennsportschmiede Foss-Tech in York, wo die Fahrzeuge aufgebaut werden sollen. In Hockenheim findet derweil der erste gemeinsame Test von Opel und Mercedes statt.

Nicht erst in Hockenheim wird dieser Audi erste Testkilometer bestreiten..., Foto: Audi
Nicht erst in Hockenheim wird dieser Audi erste Testkilometer bestreiten..., Foto: Audi

März 2007: Tom Kristensen und Timo Scheider absolvieren in Jerez drei erste Testtage mit ihrem künftigen Dienstwagen. Am Montag darauf wird der neue A4 DTM, von Audi als "Übergangsauto" bezeichnet, in München der Öffentlichkeit präsentiert. Die Freigabe der aerodynamischen Entwicklung hat erstmals seit 2005 auch zu leichten optischen Veränderungen geführt, die sich in einer geänderten Luftführung an der Front äußern. Weitere exklusive Testfahrten stehen in den kommenden Wochen auf dem Plan.

3. Etappe: Testen statt siegen

April 2000: Zur Mitte des Monats kommt es erneut zum Testduell zwischen Mercedes und Opel - und auch bei den Tests in Oschersleben kann Abt-Audi nur aus der Ferne zuschauen. Teamchef Hans-Jürgen Abt sieht sich dennoch im Zeitplan. Zum Ende des Monats wird bei Foss-Tech in York mit Hochdruck an der Fertigstellung des ersten TT-R gearbeitet - ein Garant für ausreichende Tests im Mai ist dies jedoch nicht...

April 2007: Im Rahmen der ITR-Tests kommt es für den neuen A4 DTM in Oschersleben zum ersten Schlagabtausch mit der Mercedes C-Klasse aktuellen Jahrgangs; die DTM-Beobachter versuchen sich in ersten Prognosen. Am 15. April dreht der längst auf Herz und Nieren getestete DTM-Audi bei der DTM-Präsentation auf der Düsseldorfer Kö vor den Augen der Fans erste Demonstrationsrunden, denen sich eine Woche später der DTM-Saisonauftakt in Hockenheim anschließt.

Mai 2000: Bei der DTM-Präsentation am 11. Mai in Berlin steht erstmals ein fertiger Abt-Audi TT-R vor der Linse der Fotografen. Das in der Serie oft als Design-Ikone bezeichnete Coupé macht auch im DTM-Trimm eine gute Figur, wenngleich die Aerodynamik bedingt durch die kurze Entwicklungszeit eher einfach wirkt. Erst am Dienstag vor dem Saisonauftakt verlässt der letzte von drei TT-R die Foss-Tech-Werkshallen - und dreht seine ersten Testrunden am 26. Mai, zwei Tage vor dem Renneinsatz...