Nebelschwaden verhindern nach wie vor einen halbwegs ungetrübten Blick auf die DTM-Bühne des Jahres 2007, nur in homöopathischen Dosen dringen bislang Details zur kommenden Saison durch. Beste Bedingungen, der Fantasie freien Lauf zu lassen und, wie bei uns bereits vor jedem Rennsonntag gewohnt, zwei mögliche - unüberlesbar nicht ganz ernst gemeinte - Szenarien durchzuspielen. Das erste stieße in Stuttgart auf mehr Gegenliebe als in Ingolstadt...

Das erste Szenario

Das DTM-Jahr beginnt mit einem Paukenschlag: Nach ersten durchwachsenen Rennen in der Nascar-Serie begräbt Juan-Pablo Montoya seinen Traum vom Ruhm im Land der unbegrenzten Nudeltöpfe. Der Ex-Formel-1-Pilot begibt sich zurück auf jenen altehrwürdigen Kontinent, wo besagte Behältnisse noch auf jedes Ceranfeld passen - und heuert bei Audi in der DTM an. Ergriffen vom DTM-Elan seines früheren F1-Kollegen folgt ihm auch Jacques Villeneuve in den Audi-Kader, woraufhin Ex-Champion Mattias Ekström einer Degradierung in den Phoenix-Jahreswagen entgehen möchte, sich einen Skoda Fabia WRC aus dem Red-Bull-Restbestand zulegt und fortan auf den Schotterpisten dieser Welt auf Erfolgsjagd geht.

Versuchen diese beiden Herren ihr Glück in der DTM-Welt?, Foto: Sutton
Versuchen diese beiden Herren ihr Glück in der DTM-Welt?, Foto: Sutton

Angesichts des Ausstiegs seines schwedischen Lieblingsfeindes zeigt sich Mercedes-Sportchef Norbert Haug beim Auftaktrennen in Hockenheim umso besser gelaunt - und lässt das schwäbische Temperament gänzlich mit sich durchgehen, als Bernd Schneider gewohntermaßen in seinem "Wohnzimmer" gewinnt. Derweil feiert auch Jacques Villeneuve hinter dem zweitplatzierten Tom Kristensen einen Podesterfolg, der die Diskussionen mit seinen Ingolstädter Vorgesetzten über seine neuerdings grün gefärbten - und damit nicht zum Corporate Design passenden - Haare zunächst vergessen macht.

Auch das zweite Rennen in Oschersleben geht an Bernd Schneider, erst zwei Wochen später wittert Audi Morgenluft: Nachdem DTM-Rückkehrer und EuroSpeedway-Sieger Gary Paffett wegen zu geringer Restbenzinmenge disqualifiziert worden ist, werden dem bis dahin zweitplatzierten Tom Kristensen die lang ersehnten zehn Punkte zugesprochen. Mit Rückenwind reist der Däne nach Brands Hatch, stellt seinen A4 auf die Pole Position und bewegt sich zuversichtlich auf die erste Kurve zu - wo Teamkollege Montoya ihn und sich selbst mit einem temperamentvollen Überholversuch ins Kiesbett befördert. Es siegt Bernd Schneider.

Wird der Fahrer dieses Wagens zur Reizfigur?, Foto: DTM
Wird der Fahrer dieses Wagens zur Reizfigur?, Foto: DTM

Die Stimmung vor dem fünften Saisonlauf auf dem Norisring ist geladen: Während Norbert Haug nach Kräften versucht, in Nürnberg gegen Christian Abt ein Fahrverbot zu erwirken, erkennt Villeneuve in Rekordmeister Bernd Schneider mehr und mehr die Züge eines gewissen Kerpeners, mit dem ihn zu F1-Zeiten stets die gegenseitige Abneigung verband. Schneider lebe auf dem "Planeten Bernd", habe seine Erfolge auf zweifelhafte Art und Weise errungen und fahre außerdem ein rotes Auto. Und nachdem Juan-Pablo Montoya versehentlich besagten Rekordchampion ins Aus gerissen und der daraufhin führende Paffett die weiße Linie an der Boxenausfahrt überfahren hat, darf sich Mika Häkkinen auf seinen zweiten DTM-Sieg freuen - lässt jedoch unerwartet in der letzten Runde Jacques Villeneuve passieren und revanchiert sich so für den geschenkten Grand-Prix-Sieg in Jerez 1997. Audi hat den zweiten Sieg errungen, Norbert Haug ist außer sich vor Wut und legt dem Finnen die Rückkehr in die Rente nahe.

Doch Mercedes lässt sich nicht irritieren: Dass Schneider gefolgt von Kristensen auch das sechste Rennen auf der Ferrari-Hausstrecke Mugello gewinnt, legt für Villeneuve den Verdacht nahe, dass zwischen seinen Lieblingsfeinden Schumacher und Schneider eine direkte Verwandtschaft bestehen könnte - die Verbalduelle des Kanadiers und des Saarländers verschärfen sich. Bald darauf in Zandvoort zeigt sich in Reihen der Audi-Truppe nicht nur Villeneuve missgelaunt: Das Pappflugzeugrennen muss wie schon zuvor in Nürnberg, wo aggressive Fledermäuse einen Strich durch die Rechnung machten, auf Grund von Übergriffen durch Seemöwen abgesagt werden. Dass Pole-Setter Montoya das Startduell gegen Jamie Green gewinnt, zaubert nur vorübergehend ein Lächeln auf die Lippen von Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich: Der führende Montoya wird wegen eines Frühstarts in die Box berufen und muss dem eher verhalten gestarteten Briten den Sieg überlassen.

Erhält dieser Mann soeben eine Einladung zur Talkrunde bei Günther Jauch?, Foto: Sutton
Erhält dieser Mann soeben eine Einladung zur Talkrunde bei Günther Jauch?, Foto: Sutton

Auf den überlegenen Doppelsieg Bruno Spenglers und Bernd Schneiders beim 160.000-Meter-Schwimmen auf dem gewohnt staubtrockenen Nürburgring folgt am Barcelona-Sonntag der Todesstoß für die Titelambitionen Tom Kristensens, nachdem am Tag zuvor noch eifrig über angebliche Blockadeversuche im Qualifying diskutiert worden war. Die eigentlich angedachte abendliche ARD-Talkrunde bei Christiansen-Nachfolger Günther Jauch zum Thema "Ist der Frieden an katalanischen Boxenausfahrten noch zu retten?" erübrigt sich und wird kurzfristig durch den Titel "Ist die Gesundheitsreform noch zu retten? - Jubiläumsfolge 25" ersetzt. Norbert Haug und Dr. Wolfgang Ullrich bleibt der stressige Flug zum Berliner Studio erspart.

Das Debütrennen der neuen DTM im französischen Magny-Cours endet mit einem weiteren Sieg für Bernd Schneider vergleichsweise unspektakulär. Das Hockenheim-Finale hat es hingegen in sich: Einem Mercedes-Dreifachtriumph steht in Audi-Reihen ein Crash der zuvor in Führung liegenden Villeneuve und Montoya entgegen - die daraufhin ihren Hut nehmen müssen. Nach dem Rücktritt des nun sechsfachen DTM-Champions Schneider sowie der Aussöhnung mit Norbert Haug unterschreibt der Kanadier jedoch schon wenige Tage nach dem elften und letzten Saisonlauf bei Mercedes - will er sich doch 2008 ein reizvolles Duell gegen die Speerspitze des Neueinsteigers Alfa Romeo, Michael Schumacher, nicht entgehen lassen...