Ihre neue Mittelklasselimousine in Sportausstattung hat erst wenige Kilometer auf dem Tacho. Satt steht sie auf 18-Zoll-Rädern in der Hauseinfahrt, reckt Ihnen wahlweise vier glänzende, voluminös eingerahmte Audi-Ringe entgegen oder einen stolzen Mercedes-Stern in die Höhe. Wem würden Sie Ihr Auto anvertrauen? Dem 21-jährigen Fahranfänger, der bislang in vergleichsweise kleinen Vehikeln vergleichsweise kurze Strecken fährt - oder dem 36-jährigen Vielfahrer, der in ausladenden Karossen regelmäßig hunderte von Kilometern zurücklegt?

Eine Frage, der sich in der DTM die Motorsport- und Personalchefs in Personalunion, Norbert Haug und Dr. Wolfgang Ullrich, jährlich stellen - und die sie am Ende meist völlig unterschiedlich beantworten. Während Audi-Sportchef Dr. Ullrich seine A4 DTM bei der Suche nach neuen Cockpitbesetzungen meist den routinierten Vielfahrern, ihres Zeichens meist mehrfache Sieger bekannter Langstreckenklassiker, anvertraute, vertraute der Mercedes-Sportchef in der Regel der Jugend. Haug ließ jene Fahranfänger ans Steuer der Mercedes C-Klasse, die zuvor noch in den Nachwuchsklassen des Formelsports ihre Runden gedreht hatten - und das in teils unterlegenen Teams nicht selten nur im Mittelfeld.

Mit Luhr und Rockenfeller bleibt Audi der bisherigen Linie treu, Foto: Audi
Mit Luhr und Rockenfeller bleibt Audi der bisherigen Linie treu, Foto: Audi

Auch mit Blick auf die kommende Saison scheinen sich die Vorlieben der beiden Sportchefs bemerkbar zu machen: Dürfen sich bei Mercedes insbesondere Talente aus der Formel 3 Euroseries Hoffnung auf ein DTM-Debüt machen, so geben bei Audi 2007 zwei Piloten mit Sportwagen- und Langstreckenerfahrung ihren Einstand. Zwar sind der 23-jährige Mike Rockenfeller und der 27-jährige Lucas Luhr für bisherige Ingolstädter Maßstäbe vergleichsweise jung; zudem entstammen sie entgegen früheren Traditionen nicht dem eigenen Langstrecken-, sondern dem Porsche-Kader. Die grundsätzliche Personalpolitik bleibt dennoch auf beiden Seiten erhalten - die seit 2004 recht unterschiedliche (Miss-)Erfolge hervorbrachte...

2004: Trefferquote 1:4

Zum werksseitigen Comeback fahren die Ingolstädter schwere Geschütze auf: Aus Zeiten der abtschen Alleinherrschaft behalten nur Christian Abt, Mattias Ekström und Martin Tomczyk ihre Cockpits; Verstärkung für die sechs Neuwagen verspricht man sich von Tom Kristensen, Emanuele Pirro und dem DTM-Meister von 1991, Frank Biela - allesamt gestandene Sieger der 24 Stunden von Le Mans. Weitaus weniger hochkarätig erscheinen dagegen die beiden Mercedes-Debütanten: Markus Winkelhock, im Jahr zuvor Vierter in der F3 Euroserie, sowie der Tscheche Jaroslav Janis, 2003 Meisterschaftsachter in der Formel 3000, geben ihren Einstand im Jahreswagen.

Und während Janis während der gesamten Saison kaum zu überzeugen vermag und sich Winkelhock zwar mehr als achtbar schlägt, anders als Jahreswagenkollege Stefan Mücke die Punkteränge jedoch nur aus der Entfernung kennt, erweist sich auch die Debütantenauslese der Ingolstädter nicht immer als gelungen: Während Mattias Ekström im Audi A4 DTM die Meisterschaft einfährt, kann Frank Biela nur wehmütig an vergangene Meisterschaftstage im Audi V8 quattro zurückdenken - dem Rennroutinier gelingt in einer Serie aus Pleiten, Pech und Pannen kein einziger Einzug in die Punkteränge. Auch Emanuele Pirro kann, wenn auch ebenso wie Biela gehandicapt vom Lernprozess des Joest-Teams, mit insgesamt elf Meisterschaftspunkten nur bedingt als künftiger DTM-Meister von sich reden machen.

Auch Le-Mans-Sieger Pirro hatte 2004 gegen die Benz-Youngster das Nachsehen, Foto: Sutton
Auch Le-Mans-Sieger Pirro hatte 2004 gegen die Benz-Youngster das Nachsehen, Foto: Sutton

Dass sich am Ende von fünf Neulingen lediglich Tom Kristensen für eine weitere DTM-Saison bewerben kann, zeichnet sich bereits lange ab: Rasch lebt sich der Däne in die DTM-Welt ebenso wie ins Abt-Team ein, überzeugt mit einer hohen Konstanz und fährt in Oschersleben nach einem harten Duell gegen Martin Tomczyk seinen ersten DTM-Sieg ein, der am Ende zum vierten Meisterschaftsrang beiträgt. Für 2005 hofft man dennoch in Ingolstadt wie in Stuttgart auf ein glücklicheres Händchen bei der Auswahl der Debütanten...

2005: Jugend forscht - Routine scheitert

Auch 2005 scheint Audi mit dem prominenteren Debütantenfeld aufzuwarten: Ex-Formel-1-Pilot Allan McNish darf sich nach einer erfolgreichen Langstreckensaison für Audi über einen Neuwagen freuen, Le-Mans-Sieger Rinaldo Capello nimmt ebenso wie die früheren Porsche-Supercup-Asse Frank Stippler und Pierre Kaffer, die 2004 ebenfalls im Zeichen der vier Ringe Langstreckenkilometer sammelten, immerhin in einem Jahreswagen Platz. Dagegen setzt Mercedes weiterhin auf die Jugend: Neben F3-Euroseries-Sieger Jamie Green, von McLaren als "Champion of the Future" ausgezeichnet, darf erste Erfahrungen im Persson-Neuwagen sammeln, Bruno Spengler und Alexandros Margaritis, die sich aus dem Mittelfeld der Formel 3 Euroserie bestens bekannt sind, erfreuen sich eines Jahreswagens.

Die geringe Trefferquote bei Audi bleibt - bei Mercedes erhöht sie sich. Während sich McNish in Oschersleben die erste und letzte Podestchance mit einer Durchfahrtsstrafe verbaut und sich trotz seiner Reputation als motorsportlicher Allrounder der DTM-Welt fremd bleibt, bleibt von Capellos erster und einziger DTM-Saison hauptsächlich der Zandvoorter Auffahrunfall mit Bernd Schneider in Erinnerung. Frank Stippler und Pierre Kaffer wecken in ihren Jahreswagen mit einzelnen Punkterängen Hoffnungen - im Jahr darauf sinkt ihr Stern jedoch insbesondere im Vergleich mit der Ingolstädter Jahreswagenübermacht Timo Scheider.

Vom F3-Gesamtelften von 2004 zum DTM-Vizechampion: Bruno Spengler , Foto: DTM
Vom F3-Gesamtelften von 2004 zum DTM-Vizechampion: Bruno Spengler , Foto: DTM

Zwar läuft auch im Mercedes-Lager nicht alles nach Plan: Margaritis erwirbt sich während seiner Einstandssaison kein wesentlich ruhmvolleres Image als Capello - beide bleiben ohne Punkte. Bei Jamie Green und Bruno Spengler machen sich jedoch steigende Lernkurven bemerkbar: Während der Brite zu Saisonende seine ersten beiden Podestplätze einfährt, macht der Kanadier als Qualifying-Ass von sich reden. Ein Trend, der sich im Jahr darauf fortsetzt...

2006: Wie die Herren, so die Damen

So avanciert Margaritis 2006 neben Jean Alesi zur Jahreswagenspeerspitze der Stuttgarter, Spenglers erster DTM-Titel wird nur durch einen Reifenplatzer beim Saisonauftakt in Hockenheim verhindert. Jamie Green überzeugt nach seiner Beförderung ins HWA-Team immerhin mit seinem hohen Speed, wenn auch ebenso wie der diesjährige Mercedes-Neuling Daniel La Rosa nicht mit seinen Starts: Doch auch La Rosa, in den Nachwuchsserien des Formelsports in den Endabrechnungen nur mäßig platziert, lässt ebenso wie der frühere, nur sehr mäßig erfolgreiche GP2-Pilot im Gebrauchtwagen, Mathias Lauda, Potenzial erkennen.

Derweil tun es die weiblichen DTM-Debütanten ihren männlichen Kollegen gleich: Audi-Pilotin Vanina Ickx, die zuvor Scherpunkte im Langstreckensport gesetzt hatte, wird von ihrer jüngeren Mercedes-Kollegin Susie Stoddart im dameninternen Gebrauchtwagenduell regelrecht abgehängt - war diese doch zuvor in der britischen Formel 3 aktiv... Doch lassen sich die Erfolge des früheren Formel-Nachwuchses, die ihrerzeit auch Christijan Albers und Gary Paffett unterstrichen, sowie die Schwierigkeiten der reiferen Langstreckenpiloten tatsächlich verallgemeinern?

"Uns ist wichtig, dass unsere Piloten bei Bedarf auch in das Sportwagen-Projekt mit dem Audi R10 TDI eingebunden werden können", nennt Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich seine altbekannten Prioritäten - und hofft, dass den Neuverpflichtungen Luhr und Rockenfeller das Einleben in die DTM leichter fällt als betagteren Sportwagenpiloten à la Capello und McNish. Doch könnte wohl auch der Erfolg des ullrichschen Debütantenduos Mercedes-Sportchef Norbert kaum davon abhalten, bei der Wahl der Neulinge auch künftig die Stuttgarter Beziehungen ins größtenteils Mercedes-motorisierte Feld der Formel-3-Piloten spielen zu lassen...