Zwar gingen Saisonauftakt und -finale angesichts der Stuttgarter Affinitäten zu ihrem altbekannten Austragungsort erneut an Mercedes - vom zweiten bis zum neunten Saisonlauf ging es jedoch im Kampf der Neuwagen angesichts eines Gleichstands bei der Zahl der Siege umso enger zu. Wieso die Äbte dennoch eher geknickt, HWA jedoch erhobenen Hauptes aus der Saison hervorgingen? Wir blicken zurück...

Die Piloten

Es war ein langer Abschied auf Raten - zumindest den Versprechern Heinz-Harald Frentzens nach: Bereits nach seinem Unfall im Qualifying von Brands Hatch hatte der Mönchengladbacher das Medical Centre uns gegenüber zum "Hospitality" erklärt. Fühlte sich Frentzen schon zu Saisonmitte zwischen weiß bekittelten Damen und Herren wohler als in der anthrazit-grau gekleideten Audi-Gesellschaft der Ingolstädter Hospitality? Wie dem auch sei - die Leistung des Ex-Opel-Piloten scheint angesichts der internen Querelen, die durch den Wechsel des Renningenieurs zeitweise gelindert wurden, schwer zu bewerten. Doch ein Blick auf das Jahr 2005 sowie auf seine Formel-1-Karriere zeigt: Zur Hochform läuft Frentzen lediglich in automobilen Underdogs auf...

Zum Saisonende fuhr Ekström seiner Form hinterher, Foto: Sutton
Zum Saisonende fuhr Ekström seiner Form hinterher, Foto: Sutton

Glücklicher agierten da bereits seine Neuwagenkollegen - Ausnahmen bestätigten die Regel: Während sich Mika Häkkinen mit seinem Ex-F1-Kollegen solidarisch zeigte, indem er anders als 2005 neben einer überzeugenden Konstanz auch ein wirkliches Highlight vermissen ließ, sich Jamie Green in britischem Understatement übte und seinem Teamkollegen Bruno Spengler nicht nur im Rahmen der Starts den Vortritt ließ, bekleckerte sich auch Mattias Ekström zum Saisonende nicht mit Ruhm. Mit Blick auf seine äußerliche Unbekümmertheit bewarb sich der spitzbübische Schwede zwar auch in dieser Saison für eine Hauptrolle in Astrid Lindgrens Kinderbuchklassikern - jedoch nicht für eine Hauptrolle auf der DTM-Bühne:

Insbesondere im Qualifying schien die Pechsträhne des einst so brillanten DTM-Meisters von 2004 mentale Auswirkungen zu haben - kein einziges Mal schaffte es Ekström in Startreihe eins. "Mattias hat fünf Jahre lang viel Glück gehabt. Das Glück war in den letzten fünf Jahren immer auf seiner Seite. Dass nun auch einmal ein Jahr folgt, in dem bei ihm viel Pech mitspielt, ist eigentlich logisch", zeigt Martin Tomczyk wenig Mitleid mit seinem Kollegen - und freut sich, aus dem skandinavischen Schatten hinausgetreten zu sein. Ein Schatten, der zum Ende hin selbst von Dänemark aus nicht mehr geworfen wurde:

So präsentierte sich der Bayer seit Saisonmitte dem zweifachen DTM-Dritten Tom Kristensen immer öfter ebenbürtig - und offenbarte damit beachtliche Qualitäten. Qualitäten, die dem siebenfachen Le-Mans-Champion ohne den wohl meistzitierten, von Kristensen selbst "Magenpumpe" getauften Aufhängungsbruch der DTM-Geschichte sowie fahrerische Totalausfälle in Barcelona zum Champion hätten machen können. Das "Hätte, wäre, wenn"-Lied darf auch Bruno Spengler - nicht nur angesichts deutlicher Fortschritte bei seinen Deutschkenntnissen - singen: Hätte sich in Hockenheim einer seiner Pneus nicht in Luft aufgelöst, wäre nach zehn Saisonläufen ein Punktegleichstand zwischen Bernd Schneider zu vermerken - und somit der erste DTM-Titel für Spengler. Es wäre zumindest für Schneider ein Gesang zum Weglaufen, hatte sich der Saarländer angesichts seiner bestechenden Konstanz im Rennen doch bereits vor den Youngsters in Sicherheit gewähnt...

Die Qualifyings

Das Qualifying war auch 2006 nicht Schneiders Metier, Foto: Sutton
Das Qualifying war auch 2006 nicht Schneiders Metier, Foto: Sutton

Das Qualifying war hingegen nach wie vor nicht das bevorzugte Metier des Rekordmeisters - und auch Tom Kristensen kann sich hier so manchen unangenehmen Gefühls im pumpenden Magen entsinnen: Gleich zwei Mal wurde Kristensen die Pole Position in letzter Sekunde von einem Vertreter der Stuttgarter weggeschnappt. So stand es wie beim Siegduell auch im zehnteiligen Qualifying-Kampf 6:4 für Stuttgart - wenngleich die Ingolstädter beim Zeitfahren oftmals glücklicher agierten als 2005. Tat sich Audi im vergangenen Jahr selbst auf inoffiziellen "Audi-Strecken" immer wieder schwer, so wandte sich diesmal das Blatt:

So versprachen die Piloten des A4 DTM im Qualifyings manchmal mehr, als sie im Rennen halten konnten; ein Phänomen, das beim Finallauf in Hockenheim nochmals bestätigt wurde. Doch längst nicht alle überzeugenden Aspekte der Qualifying-Leistungen der Herren der Ringe waren als schöner Schein zu deuten: Insbesondere in der zweiten Saisonhälfte offenbarten die vier Abt-Piloten beim Zeitfahren immer wieder geschlossene Mannschaftsleistungen, an die man auch bei HWA nicht immer heranreichte. Ein Umstand, den man von 2005 eher in umgekehrter Form kannte.

Die Rennen

Dass auch Autos manchmal nur Menschen sind, versuchte bereits Bruno Spengler mit den rituellen Liebkosungen für seine C-Klasse zu verdeutlichen. Und auch der A4 DTM zeigte menschliche Züge: Je schlanker der Ingolstädter Rennbolide wurde, desto durchtrainierter zeigte er sich im Rennen. Trug er hingegen zusätzliche Pfunde in Form einiger Bleiplatten am Unterboden, ging ihm im Rennen rasch die Puste aus - und das jeweils in deutlicherem Maße, als es die bloßen aus den Gewichtsdifferenzen zur C-Klasse resultierenden Zehntelsekunden erklären konnten...

Auch der Audi A4 DTM zeigte menschliche Seiten..., Foto: AUDI
Auch der Audi A4 DTM zeigte menschliche Seiten..., Foto: AUDI

Des Rätsels Lösung: Ausgerechnet auf den so genannten "Audi-Strecken" kam Audi auch in den Genuss der größten Gewichtsvorteile - auf den Mercedes-Strecken Hockenheimring und Norisring hatte man sich hingegen zwei Mal ohne derartigen Bonus gegen die Konkurrenz zu behaupten. So verstärkte sich das Bild einer wechselhaften Audi-Performance. "Wir haben auf verschiedenen Strecken Vor- und Nachteile, während Mercedes auf allen Strecken eine sehr schöne Balance hat", bestätigt Martin Tomczyk, dessen Dienstwagen sich im Saisonverlauf damit wie in den vergangenen Jahren eher launisch zeigte.

Derartige Eigenheiten haben die Stuttgarter ihrer C-Klasse bereits seit 2005 weit gehend abgewöhnt - wie auch der geistige Vater des Benz-Boliden, Cheftechniker Gerhard Ungar, betont: "Vor Jahren, als Fahrzeuge noch ganz spezifisch für Strecken entwickelt waren, traf es zu, dass wir auf Strecken, auf denen der Anteil der Geraden größer war als der der Kurven, stärker waren. Doch diese Zeiten sind vorbei." Und so passt es ins Bild, dass sich die C-Klasse aktuellen Jahrgangs auch von unterschiedlichen Strecken- bzw. Wetterbedingungen nicht irritieren ließ - sieht man von der Leib- und Magenvariante des A4 DTM, dem abtrocknenden Asphalt, ab.

Und auch bei der Strategie wusste die HWA-Mannschaft immer wieder zu überzeugen. Gebührte Audi 2005 schon allein wegen des nach Dr. Wolfgang Ullrichs Reglementlückensuche ersonnenen ekströmschen Doppelstopps der Taktiktitel, so blieben ähnlich spektakuläre Manöver zwar diesmal aus. Die Eitelkeiten der Strategen wurden jedoch auch diesmal befriedigt, trugen doch beispielsweise Bruno Spengler in Barcelona und Bernd Schneider in Le Mans mit bescheidenen Startplätzen doch immer wieder ihren Teil dazu bei, die Güte ihrer Rennstrategien umso mehr aufblitzen zu lassen...

Ob radikal kurze oder radikal lange Stints: Bei Mercedes wusste man jede Variante gemessen an der Ausgangssituation des Piloten meist gekonnt einzusetzen. Konservativer und teils allem Anschein nach weniger flexibel gestaltete die Audi-Truppe ihre Rennstrategien, ohne sich jedoch bei Speerspitze Tom Kristensen im Titelkampf einen Fehler zu erlauben. So gab man sich auch bei den Äbten taktisch meist keine Blöße - ließ doch selbst die weniger geglückte Hockenheimer Strategie Frentzen nicht im "Hospitality" enden...