Dass insbesondere Gastspiele auf unbekannten Kursen ein hohes Potenzial für Überraschungen bergen, hat spätestens das Qualifying auf dem Circuit Bugatti unter Beweis gestellt. Auch das Rennen könnte so manche Kuriosität bereithalten - vom Fahrerwechsel in letzter Sekunde bis zur Fortführung des so genannten "Poller-Gedöns"...

Das erste Szenario

Fiktion... "Den Abt-Brüdern ist der große Coup gelungen: Schon vor dem letzten Formel-1-Grand-Prix der Saison in Brasilien konnten sie Michael Schumacher, der zuvor im Titelkampf gegen Fernando Alonso vorzeitig aufgegeben hatte, zu einem Einstieg in die DTM überreden. Zwar ist Teamchef Hans-Jürgen Abt bewusst, dass Schumacher gemäß dem Reglement nicht ohne Teilnahme am Qualifying am Rennen partizipieren darf - doch sie bedienen sich eines Tricks: Sie legen bei Futurecom-Teamchef Dr. Colin Kolles ein gutes Wort für ihn ein und bitten den siebenfachen F1-Weltmeister, sich die Haare blond zu färben. So verspricht sich Abt eine gewisse Ähnlichkeit zu dem, mit einem ähnlich markanten Kinn ausgestatteten Schweden Thed Björk im Futurecom-A4, dessen Cockpit Schumacher unbemerkt übernehmen soll...

Bekommt dieses Auto seinen in dieser Saison fünften Fahrer?, Foto: Sutton
Bekommt dieses Auto seinen in dieser Saison fünften Fahrer?, Foto: Sutton

Im Rennen erlebt Schumacher ein Déjà-vu: Zwar gelingt ihm von Platz 16 aus ein sensationeller Start, der ihn zum von Platz neun gestarteten Bernd Schneider aufschließen lässt, doch anschließend erlaubt sich Schumacher ein folgenschweres Missgeschick: Wie schon 1990, als er im DTM-Finale mit seinem Mercedes 190 versehentlich BMW-Titelanwärter Johnny Cecotto aus dem Rennen kickte, verursacht der Kerpener nun eine unbeabsichtigte Kollision mit Schneider, die den vierfachen DTM-Meister ins Aus reißt. Es gewinnt Tom Kristensen vor Bruno Spengler."

... und Realität: Ebenso wie die Abt-Brüder und Schumacher-Fans wohl noch lange vergeblich auf einen DTM-Einstieg Michael Schumachers warten werden, dürfte Tom Kristensen wohl ebenso vergeblich auf einen kuriosen Vorfall hoffen, der ihn im Titelrennen hält. Die Siegchancen Kristensens stehen durchaus recht gut: So lief der Däne auch in dieser Saison gerade dann zur Höchstform auf, wenn er sich angesichts einer eher bescheidenen Audi-Mannschaftsleistung an der Spitze als Einzelkämpfer betätigen musste.

Bilden sich an diesem Auto die Siegambitionen Jamie Greens ab?, Foto: Sutton
Bilden sich an diesem Auto die Siegambitionen Jamie Greens ab?, Foto: Sutton

So erwartet uns möglicherweise zwischen Spengler und Kristensen ein interessanter Kampf um den Triumph beim Le-Mans-Debüt, der von der Potenz des Dienstwagens weit gehend unbeeinflusst bleiben sollte: So bewies Kristensen im Gegensatz zu seinen Abt-Audi-Kollegen - auch angesichts des minimalen Zeitabstands von nur 32 Tausendstelsekunden zu Spenglers Pole-Zeit - dass der A4 DTM der gegnerischen C-Klasse nicht nur beim Gewicht, sondern vielmehr auch bei der Performance ebenbürtig ist. Sollte der Kommandostand eine gute Rennstrategie bereithalten und eine Ansammlung an fahrerischen Missgeschicken diesmal ausbleiben, könnte sich Tom Kristensen mit Blick auf den höchstwahrscheinlichen vorzeitigen Titelgewinn Schneiders zumindest über einen Trostpreis in Form seines vierten DTM-Sieges freuen...

Das zweite Szenario

Fiktion... "Jamie Green hat der Ehrgeiz gepackt: Mit einem gelungenen Start schiebt sich der junge Brite an Mika Häkkinen vorbei und nimmt im Folgenden den weiterhin zweitplatzierten Tom Kristensen ins Visier: Doch wie bereits beim vorletzten Saisonlauf 2005 in der Türkei, als er mit einem etwas übermotivierten Überholmanöver das Rennen von Titelkandidat Mattias Ekström in negative Bahnen lenkte, erscheint die Fahrweise Greens, der sich unbedingt den Befreiungsschlag in Form eines ersten DTM-Sieges verschaffen will, recht stürmisch: Beim Versuch, Tom Kristensen zu passieren, ruft er versehentlich eine allzu heftige Berührung dabei, die den A4 DTM des Dänen sichtlich in Mitleidenschaft zieht...

Wird dieses Auto prominentes Poller-Opfer?, Foto: Sutton
Wird dieses Auto prominentes Poller-Opfer?, Foto: Sutton

Mit seinem lädierten Dienstwagen fällt Kristensen bis auf Platz sechs zurück - wo er wenig später den roten Mercedes seines siebtplatzierten Titelrivalen Bernd Schneider im Rückspiegel entdeckt. Mit aller Kraft will die Audi-Speerspitze einen erfolgreichen Überholvorgang von Seiten Schneiders verhindern; seine Kampflinie wird dem einer Schlangenlinie verdächtig ähnlich... So überrascht es kaum, dass Kristensens Slalomfahrt in der Schikane damit endet, dass er sämtliche der berüchtigten grünen Poller umfährt und auf der Strecke verteilt. Ein Exemplar der von Pierre Kaffer "Poller-Gedöns" getauften Streckenbegrenzungen verhakt sich unter dem Fahrzeug Bernd Schneiders, der daraufhin ins Kiesbett rodelt. Die Sportkommissare entgehen dagegen nur knapp einem Tobsuchtsanfall und sprechen gegen Kristensen eine Durchfahrtsstrafe aus, die den Dänen auch diesmal aus den Punkterängen wirft. Ein vorzeitiger Titel für Bernd Schneider wird durch einen souveränen Sieg Bruno Spenglers abgerundet."

... und Realität: Die Vergabe von Durchfahrtsstrafen für das Umfahren eines Pollers wird die Rennleitung hoffentlich vermeiden, sollten die Diskussionen um Drive-through-Strafen nicht endgültig ausarten... Mehr als für ein derartiges Strafmaß spricht dagegen für den fünften Saisonsieg der Stuttgarter: Sollte Tom Kristensen am Start von Mika Häkkinen und/oder Jamie Green überholt werden, stünde einer Umsetzung der gelungenen HWA-Mannschaftsleistung des gestrigen Tages kaum etwas im Wege - eine wie gewohnt clevere Strategie vorausgesetzt.

Dagegen darf sich Bernd Schneider auf ein anstrengendes Rennen gefasst machen: Umrahmt von einem Audi-Quintett ist der Saarländer auf einen guten Start angewiesen, will er nicht wertvolle Zeit hinter den Piloten der Audi-Jahreswagen verlieren, die zu letzten Hilfestellungen für Tom Kristensen bereit sind. Hier wäre ebenso wie im Startgetümmel der ersten Kurve ein kühler Kopf gefragt, darf Schneider doch durchaus darauf vertrauen, von einer gelungenen Strategie des HWA-Kommandostandes früher oder später an der Audi-Jahreswagenarmada vorbei auf den rettenden sechsten Rang getragen zu werden...