Geradezu hineingestolpert kam Nicolas Kiesa Mitte August in die neue DTM. Das zweite Futurecom-TME-Cockpit neben Vanina Ickx hatte sich wieder einmal als Schleudersitz erwiesen: Nachdem bereits im Vorfeld des vierten Saisonlaufs die niederländische Erstbesetzung Olivier Tielemans sein Cockpit mangels fahrerischer Performance hatte räumen müssen, traf es mangels Sponsorengelder nur zwei Rennen später seinen durchaus überzeugenden Landsmann Jeroen Bleekemolen.

In die DTM gestolpert

"Ich habe Dienstagabend in Dänemark die Nachricht bekommen, dass ich in der DTM starten werde. Dann bin ich mittwochs zum Nürburgring gereist", erinnert sich Nicolas Kiesa gegenüber der adrivo Sportpresse seiner ersten Stunden als DTM-Pilot, "ich bin um sechs Uhr morgens angekommen und habe die Mechaniker getroffen, die das Material auspackten." Was folgte, war ein Eingewöhnungsprozess im Schnellstdurchlauf, den der Däne mit beachtlicher Souveränität meisterte:

Waren die überzeugenden Zeiten der Nürburgring-Tests noch vom altbekannten Interpretationsnebel des Freitags umwoben, so deutete ein 17. Platz im Qualifying vor seinen drei Kollegen in den 2004er-Fahrzeugen bereits deutlicher an, dass Nicolas Kiesa bereits jetzt mental und mit Blick auf seine Performance in der DTM angekommen war. Und wenngleich Kiesa Mathias Lauda im 2004er-Mercedes am folgenden Rennsonntag kaum etwas entgegenzusetzen hatte, so hatte er angesichts der regnerischen und damit gerade für einen Debütanten erschwerten Bedingungen eine solide Leistung dargeboten.

Vanina Ickx stellte für Kiesa in Zandvoort keine große Hilfe dar, Foto: Audi
Vanina Ickx stellte für Kiesa in Zandvoort keine große Hilfe dar, Foto: Audi

Der Däne, dem in der Formel 1 in fünf Rennen beim chronischen Hinterbänkler Minardi sowie als Testpilot bei Jordan und Nachfolger MF1 Racing der Durchbruch versagt geblieben war, wähnte sich bereits in einer neuen Heimat: "Ich habe die letzten drei Jahre in der Formel 1 verbracht, was auch mein Traum war. Ich hätte nicht gedacht, dass es dafür einen Ersatz gibt", deutete Kiesa in Folge des Nürburgring-Wochenendes an, sich eine Zukunft in der DTM vorstellen zu können oder gar zu wünschen, "Dr. Ullrich und die anderen Audi-Verantwortlichen wissen, dass ich nur ein 2004er-Fahrzeug habe - und ich habe mir das Ziel gesetzt, auch 2007 dabei zu sein." Nicolas Kiesa hatte der Ehrgeiz gepackt...

In der DTM gestolpert

"Ich erkenne auch manchmal noch nicht alle Fahrer; manchmal begegnet man sich und es sagt jemand 'Hallo', aber es wäre mir ein wenig peinlich zu fragen, welcher Fahrer er denn ist...", berichtete Nicolas Kiesa zunächst noch von kleinen Stolpersteinen des Debütantenalltags. Es sollten größere Folgen: Zwar wusste der 28-Jährige auch im Rahmen seines zweiten Qualifyings zu überzeugen, als er mit einem weiteren 17. Rang immerhin die beiden Damen in ihren gegnerischen 2004er-Boliden hinter sich ließ. Doch war es am Tag darauf ausgerechnet Teamkollegin Ickx, die Kiesa daran hinderte, sich gegenüber den Vorgesetzten weitere Argumente für einen Verbleib in der DTM 2007 zu schaffen:

Steuert Kiesa wider den anfänglichen Erwartungen ins Abseits?, Foto: Sutton
Steuert Kiesa wider den anfänglichen Erwartungen ins Abseits?, Foto: Sutton

Nach einer unverschuldeten Kollision mit der Belgierin in Runde eins war das Rennen Kiesas praktisch beendet, blieben ihm doch mit lädiertem Fahrzeug und zwei Runden Rückstand keinerlei Möglichkeiten, sich im Kampf gegen die direkte Konkurrenz zu präsentieren. Die Anspannung des Dänen mit halbitalienischen Wurzeln schien bereits in Barcelona sichtlich zuzunehmen: Ein 15. Rang im Qualifying - normalerweise für einen jeden 2004er-Piloten Grund zum Jubel - rief bei Kiesa größtenteils Enttäuschung hervor, hatte er doch anders als seine erfahreneren Kollegen die Chance der ungewöhnlichen Wetterbedingungen nicht zu nutzen gewusst. Und auch in Barcelona endete das Rennen des Ex-Formel-1-Piloten nach einer Audi-internen Kollision in Runde eins...

Dass die Rennleitung die Meinung des bereits als Auslöser des Unfalls gescholtenen Christian Abt bestätigten und ebenfalls eher Kiesa als Übeltäter sah, vermochte die Stimmung des dienstjüngsten Audi-Piloten nicht aufzuhellen; für Stellungnahmen stand er nicht zur Verfügung - Kiesa befand sich im Flugzeug bereits über allen Wolken. Dass er selbst abseits der DTM-Wochenenden nicht vor Rückschlägen sicher ist, ahnte Nicolas Kiesa zu jenem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich noch nicht - und wurde eines Besseren belehrt: Eine Fraktur des rechten Beins nach einem Motorradunfall, eine Operation und ein paar Tage Bettruhe später klammert sich der Däne verzweifelt an den Strohhalm der letzten beiden Saisonrennen...

Mit einer Schiene im Bein und einer gewissen Wut im Bauch wird Nicolas Kiesa voraussichtlich an den letzten beiden Saisonrennen in Le Mans und Hockenheim teilnehmen - um seinen Zug in Richtung DTM 2007 nicht endgültig entgleisen zu lassen. Sein eigentliches DTM-Potenzial sollte Kiesa bei seinem Vorhaben nicht im Wege stehen.