Weder fällt Tom Kristensen durch übergroße Schneidezähne auf noch hat Bernd Schneider einen Frisurenwechsel vollzogen - und doch erinnern der Däne und der Saarländer mehr und mehr an Hase und Igel. Seit Verlust seiner Meisterschaftsführung in Brands Hatch kann Kristensen noch so überzeugende Leistungen vollbringen; es nützt ihm wenig. Sowohl für Zandvoort als auch für Barcelona hatte sich der Meisterschaftszweite - und es wäre angesichts der Performance der Ingolstädter durchaus nicht unrealistisch gewesen - ein Podest mit kompletter Audi-Besetzung gewünscht. Doch wohin Hase Kristensen in Spanien gar nicht erst kam, dort war Igel Schneider schon längst gelandet...

In drei der letzten vier Rennen überquerte Tom Kristensen nach eifriger Punktejagd erst dann die Ziellinie, als Bernd Schneider bereits angekommen war; der Punktevorsprung von 18 Zählern bei 20 noch zu vergebenden Punkten, wie ihn der vierfache DTM-Champion sein Eigen nennen darf, deutet an, dass sich jenes Spiel mit höchster Wahrscheinlichkeit auch im Rennen um den Titel fortsetzen wird. Bernd Schneider kann beruhigt sein - weiß er doch selbst aus eigener Erfahrung, dass die Mühen eines jeden Hasen umsonst sind...

Tom Kristensen müht sich vergeblich..., Foto: Sutton
Tom Kristensen müht sich vergeblich..., Foto: Sutton

Igel Aiello

Früher als in der aktuellen Saison Kristensen gerät der amtierende DTM-Champion Bernd Schneider 2002 in die Hasenrolle: Drei der ersten vier Rennen entscheidet Laurent Aiello im Abt-Audi TT-R für sich, Schneider in seinem Mercedes CLK bleibt chancenlos. Erst auf dem Norisring rechnet sich der DTM-Veteran gute Chancen aus, die oberste Stufe des Podests zu erklimmen - und wähnt sich in zu großer Sicherheit. In der letzten Runde überrumpelt der Franzose seinen Rivalen in der Grundig-Kehre und fährt einen überraschenden Sieg ein. Nach der ersten Saisonhälfte ist Aiellos Vorsprung auf Schneider bereits auf 27 Meisterschaftspunkte angewachsen...

In den beiden folgenden Rennen kann Bernd Schneider den Rückstand um ganze drei Punkte verkürzen; auf dem österreichischen A1-Ring gelingt es ihm immerhin noch, die Meisterschaft offen zu halten: Beim wohl spektakulärsten Rennen der neuen DTM wird Laurent Aiello nach nicht ganz karbonscherbenfreien Attacken der Mercedes-Piloten nur Fünfter, Schneider erringt Platz zwei - nachdem "versehentlich" Teamkollege Marcel Fässler gewonnen hat. Die Teamorder an den führenden Jean Alesi und den auf Position zwei liegenden Marcel Fässler kommt nur beim Franzosen an, den im Folgenden sowohl der "falsche Sieger" Fässler als auch Schneider passieren...

Schneider mühte sich vergeblich..., Foto: Sutton
Schneider mühte sich vergeblich..., Foto: Sutton

Die eher unschöne Stallregie zahlt sich nicht aus: Beim folgenden Rennen in Zandvoort wird Laurent Aiello trotz seines sechsten Platzes vorzeitig DTM-Meister, wenngleich er in der Meisterschaft auf den zweitplatzierten Schneider fünf Punkte verliert. Igel Aiello war in der Meisterschaft bereits dort angekommen, wohin Schneider erst noch wollte...

Mit und ohne Gattin

Ausgerechnet der größte Unterschied zwischen den Jahren 2002 und 2006 trägt dazu bei, dass die Meisterschaft wohl wie einstmals beim neunten von zehn Rennen entschieden werden wird. Wurde vor vier Jahren noch mit aller Kraft für die jeweilige Speerspitze gefahren, was sich nicht nur in Stallordern zu Gunsten Schneiders, sondern auch in Abt-Audi-Blockaden vor die Box ansteuernden Mercedes-Piloten äußerte, so hält man sich mit derartigen Manövern lobenswerterweise nun zurück.

So ist es auch im Märchen der Gebrüder Grimm die Gattin des siegreichen Igels, die am jeweiligen Zielpunkt der Wettläufe als Double ihres zu langsamen Mannes fungiert und so mit ihrer Hilfe seinen Triumph manifestiert. Auch Bernd Schneider wäre bereits in Barcelona DTM-Champion des Jahres 2006 geworden, hätte er in Brands Hatch den zweiten Platz Jamie Greens statt seines dritten Platzes sowie in Nürnberg und Nürburg die Siege Bruno Spenglers an Stelle seiner zweiten Plätze für sich verbuchen dürfen...