Während der Circuit de Catalunya für Formel-1-Piloten angesichts zahlloser Testfahrten auf eben jenem Kurs ein Garant für unaufgeregte Routineübungen während des spanischen Grand Prix ist, blicken die DTM-Fahrer mit weitaus mehr Spannung und Ehrfurcht auf den Kurs unweit der katalanischen Metropole Barcelona. Erstmals in der DTM-Geschichte reisen sie im Rahmen eines DTM-Laufes nach Spanien - abgesehen von einzelnen Piloten, die bereits einige Testrunden auf dem Grand-Prix-Kurs bestritten, sammelt das Fahrerfeld erst in zwei Tagen erstmals Barcelona-Kilometer im DTM-Boliden.

War der achte Saisonlauf zunächst auf dem 4,629 Kilometer langen Grand-Prix-Kurs angedacht, so entschieden sich die Verantwortlichen erst vor wenigen Wochen für die 2,949 Kilometer lange Kurzanbindung. Ein Entschluss, der für Freude bei den Zuschauern vor Ort sorgen dürfte, bei den beiden Herstellern jedoch neutral gesehen werden kann: Ein Teil der für Mercedes vorteilhaften, nicht enden wollenden Start-/Ziel-Geraden fällt der Kürzung ebenso zum Opfer wie die ganz im Sinne Audis viel Abtrieb erfordernden Kurvenkombination im ersten Streckensektor der Langversion.

Von seinem ursprünglichen Charakter verliert der mit 15 Jahren recht junge und hohen Sicherheitsstandards genügende Kurs trotz der Kurzanbindung nur wenig: Zwar gehört die unweit der Mittelmeerküste gelegene Strecke durchaus zu den schnelleren im DTM-Kalender, offeriert neben den für sie typischen schnellen und langgezogenen Kurven auch langsamere Biegungen.

Auch bei der Kurzanbindung fällt die Start-/Ziel-Gerade durch ihre Länge auf, Foto: Sutton
Auch bei der Kurzanbindung fällt die Start-/Ziel-Gerade durch ihre Länge auf, Foto: Sutton

Audi

Ebenso wie die Stuttgarter Konkurrenz können auch die Ingolstädter die auf dem Grand-Prix-Kurs gesammelten Testerfahrungen nur noch bedingt für das Beschleunigen der Testarbeit verwerten - eine umso effizientere Testarbeit am Freitag ist gefragt. "Wir hatten zwischen Zandvoort und Barcelona einen weiteren Entwicklungstest, haben uns für die kommenden Rennen gut vorbereitet und konsequent daran gearbeitet, weiter um die Meisterschaft kämpfen zu können", muss Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich auf streckenfremde Vorbereitungen verweisen.

Auch die Tatsache, dass Tom Kristensen zu längst vergangenen Formel-1-Testzeiten die Kurzanbindung in Angriff nahm, hilft nur bedingt weiter - anders als der zehn Kilogramm betragende Gewichtsvorteil. Dieser erscheint umso größer, als Mercedes das Mehrgewicht auf dem vergleichsweise flüssigen Kurs so nur bedingt in einen bedeutsamen Traktionsvorteil ummünzen kann.

"Es gibt in Barcelona eine lange Gerade, auf der wir einen guten Top-Speed brauchen. Wenn wir das ähnlich gut hinkriegen wie in Zandvoort, können wir auch da gut aussehen", äußert sich Jahreswagenpilot Timo Scheider mit Blick auf jene Passage optimistisch, die für Audi durchaus ein Hindernis darstellen könnte: Auf der Suche nach dem jeweiligen Abstimmungskompromiss würde es kaum überraschen, sollten die Stuttgarter die Prioritäten bewusst bei einem kleinen Topspeed-Vorteil setzen, der am Ende der besagten Start-/Ziel-Geraden in der folgenden 180-Grad-Kurve die möglicherweise besten Überholmöglichkeiten in Barcelona offeriert.

Der dritte Streckensektor steht für langgezogene Kurven, Foto: Sutton
Der dritte Streckensektor steht für langgezogene Kurven, Foto: Sutton

Mercedes

"Die Strecke hat mir bei den Testfahrten gut gefallen und mit nur noch zehn Kilo mehr Gewicht als die Audi sollten wir gute Erfolgsaussichten haben", äußert sich so auch Mercedes-Speerspitze Bernd Schneider recht optimistisch. Mit einem Sieg auf der katalanischen Kampfbahn würde der Saarländer bereits für eine Vorentscheidung im Titelkampf gegen Tom Kristensen sorgen. Vorher jedoch gilt es auch für den vierfachen DTM-Meister, sich mit dem Barcelona-spezifischen Unannehmlichkeiten auseinanderzusetzen:

"In Barcelona ist es wie in Zandvoort oft windig, so dass eine gute Abstimmung nicht einfach zu finden ist", spielt der Meisterschaftsdritte Bruno Spengler auf die häufig wechselnden Windbedingungen an der küstennahen Strecke an, die im Extremfall ganze Setups ad absurdum führen können. Derweil bereitet Persson-Pilot Jean Alesi der hohe Reifenverschleiß sorgen, durch den lange Stints - wie sie insbesondere von den Strategen der Jahreswagenteams immer wieder bevorzugt werden - mit Blick auf Reifenschaden durchaus mit einem gewissen Risiko behaftet sind.

Trotz der in den schnellen Kurven gefragten hohen aerodynamischen Effizienz, wie sie die Mercedes C-Klasse zweifelsohne aufweist, lässt sich Mercedes-Sportchef Norbert Haug derweil dennoch nicht ganz vom Tiefstapeln abhalten: "Vor den letzten drei Rennen ist alles offen und es zählt nur, welche Resultate wir erzielen werden und nicht welche wir bereits erzielt haben. Allen in unserer Mannschaft ist dies Ansporn."