Bleibt Heinz-Harald Frentzen der DTM noch ein weiteres Jahr erhalten oder nicht? Diese Frage stellen sich derzeit wohl viele Fans - entschieden ist sie mit Sicherheit noch nicht. Wundern sollte sich allerdings niemand, wenn es am Ende nicht zu einer Vertragsverlängerung kommt. Und zwar nicht nur unbedingt deshalb, weil Audi ihn vielleicht nicht mehr will. Vielleicht kommt ja auch Frentzen selbst zu dem Ergebnis, bei Audi nicht die richtigen Perspektiven für eine Fortsetzung seiner Karriere zu finden.

Dass man als Nicht-Tourenwagen-Spezialist Zeit braucht, um sich einzugewöhnen, das betont Heinz-Harald immer wieder, auch kürzlich in einem Gespräch mit motorsport-magazin.com. Und auch, dass die Zeit in der DTM eben anders ticke, dass da Monate eben nicht reichen würden: "Es braucht halt seine Zeit, um die Mannschaft kennen zu lernen, damit da was Produktives entsteht. Die sechs Monate, oder noch weniger, die ich jetzt da bin", das sei zuwenig Zeit, um die Leute, richtig kennen zu lernen, mit denen man zusammenarbeite. Einer der Hauptgründe dafür liege darin, "dass in der DTM sehr wenig getestet, sehr wenig gefahren wird. Die Zeit, in der man mit dem Team zusammen ist, ist zu wenig. Man bräuchte wohl zwei, drei Jahre, um sich einzuarbeiten, das entspricht dann etwa einem Jahr in der Formel 1."

Vier Ringe, sie zu knechten, sie alle zu finden

"Meinst Du, dass Du von Audi diese Zeit bekommst?", lautete in besagtem Gespräch unsere Frage - und Frentzen beantwortete sie im Originalton so: "Darüber müssen wir reden. Das hängt davon ab, wie viel Zeit ich mir dafür nehme. Das wird ganz offen diskutiert, das ist ja kein Geheimnis, wir sehen ja die Situation, wie sie ist, da braucht man nichts von außen zu sagen, wie das zum Teil passiert ist."

Und jetzt wird die Sache interessant: Denn Fahrer mit eigener Meinung, mit eigener Persönlichkeit sind offensichtlich zumindest da und dort auch in der DTM nicht mehr gefragt. Was öffentlich zu werden hat, das bestimmen die Öffentlichkeitsarbeiter, speziell die Damen und Herren der Ringe. So wurde dann in der von der Audi-Kommunikationsabteilung autorisierten "Interview"-Fassung aus der obigen Aussage Frentzens die folgende: "Ja, ich bekomme von Audi die Zeit!" Eigenes Denken und eigene Meinung verboten - nach mehr als 15 Jahren internationaler Rennsport-Erfahrung? Sicher nicht die beste Vertrauensbasis für die Zukunft, gerade für den Individualisten Frentzen, der immer sehr viel Wert darauf legte, auch in den Medien authentisch "herüberzukommen", sich nie verbiegen lassen wollte...

Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden

Der Erfolgsdruck in der DTM wäre es jedenfalls nicht, der den inzwischen 38-Jährigen von einer Fortsetzung seiner Karriere abhalten würde. Dem fühlt er sich genauso gewachsen wie den fahrerischen Anforderungen: "Ich habe mich von Anfang an unter Druck gesetzt, aber absichtlich. Denn der einzige Grund, warum ich in diesem Jahr DTM fahre, ist, weil ich Rennen gewinnen will. Was ich in dem Fall unterschätzt habe, ist eben der Zeitfaktor. Ich weiß, dass ich Auto fahren kann, dass auch Mika Auto fahren kann. Die DTM-Jungs können fast alle sehr gut Auto fahren. Aber letztendlich ist der Erfolg davon abhängig, wie gut das Team arbeitet, Fahrer, Ingenieure, Mechaniker, alle, die an dem Projekt beteiligt sind..."

Das Wort Teamsport bekomme in der DTM noch eine ganz andere Wichtigkeit als in der Formel 1, "weil man es ja auch mit sehr großen Teams zu tun hat. Man hat viele Mannschaften bei Audi, es ist ein enormer Aufwand, den Audi da leistet, auch von der Manpower her. Das bringt gewisse ganz eigene Schwierigkeiten, andere als die, die ich aus der Zeit gewohnt war, in der ich in kleineren Teams gearbeitet habe."

Was man, wenn man Heinz-Harald ein bisschen besser kennt, schon durchhören kann - dass er sich gegenüber seinen Teamkollegen nicht immer hundertprozentig optimal betreut fühlt. Auch wenn er sich öffentlich schon sehr vorsichtig und durch die Blume ausdrückt: "In der Formel 1 habe ich immer sehr konzentriert mit dem Team zusammenarbeitet. Natürlich ist hier wie da die Mannschaft erfolgshungrig. In der Formel 1 ist man aber vielleicht noch direkter vom Erfolg abhängig, versucht noch mehr, das Maximale aus jedem Auto herauszuholen - weil man ja nur zwei Fahrer im Team hat. Und so hat man auch immer das optimale Material, das man im Team finden kann, die optimalen Leute. Dadurch, dass alles kleiner und überschaubarer ist, ist die Arbeit logischerweise auch intensiver, direkter."

Im Lande Ingolstadt, wo die Schatten drohn

Diplomatischer geht es kaum - aber auch das wollte man bei Audi nicht so hören. Die Chance, eine für ihn schwierige Situation aus seiner Sicht detailliert zu erklären, bekommt Frentzen offenbar nicht. Ob das zu gesteigerter Motivation beiträgt, wenn man das Gefühl haben muss, die eigene Position sei überhaupt nicht relevant? Der nächste Schritt ist dann ja wohl die Frage, wie es eigentlich mit der Anerkennung seiner sportlichen Kompetenzen steht. Nach seiner langen Zeit im Rennsport wisse er sehr wohl, was man brauche, um ein siegfähiges Auto, eine siegfähige Gemeinschaft, aufzubauen, sagt Frentzen. "Das habe ich über die Jahre gelernt. Das ist die Herausforderung, die sich mir stellt."

Ob er sie noch ein Jahr wolle, das lässt er bewusst noch offen: "Denn das ist für mich ein Thema, an dem ich arbeiten werde, gemeinsam mit Audi. Man muss miteinander reden, sich gemeinsam die passenden Konstellationen schaffen, die Dinge so sortieren, dass die entsprechenden Perspektiven für alle da sind. Man braucht gegenseitiges Vertrauen und den gemeinsamen Willen, um zu gewinnen, das Team gemeinsam mit mir als Bindeglied." Sollte da ein Unterton des Zweifels mitschwingen, ob das unter den gegebenen Umständen möglich ist? Verwunderlich wäre es nicht...