"Du musst ins Gefängnis. Begib dich sofort dorthin. Gehe nicht über Los. Ziehe keine 4.000 Euro ein." Ein jeder kennt jene Anweisung aus dem Spieleklassiker Monopoly; kaum jemand kann sie, unschuldig auf der Suche nach Straßengruppen und Investitionskapital für neue Häuser und Hotels, wirklich nachvollziehen. Der Zusammenhang zur DTM? Durchaus vorhanden - zumindest aus der Sicht Jamie Greens und Mika Häkkinens. Waren sie doch in Zandvoort der Meinung, eine ihrer Schuld nicht angemessene Strafe erhalten zu haben...

Schon 2005 hatte die Vergabe von Durchfahrtsstrafen immer wieder für Kontroversen zwischen liberaleren und sicherheitsorientierteren - und damit strengeren - Beobachtern gesorgt. Standen die Strafen für das Überfahren der weißen Linie am Boxenausgang sowie für die Tempoüberschreitung in der Boxengasse stets außer Diskussion, so war es inbesondere die Strafvergabe für misslungene und zu riskante Überholmanöver, die zum Diskutieren anregte: Handelte sich Bernd Schneider - was der Saarländer ganz und gar nicht nachvollziehen konnte - in Zandvoort eine Drive-through-Strafe ein, nachdem er Audi-Pilot Rinaldo Capello in der Anbremszone zur Tarzanbocht aufgefahren war, blieb Jamie Green in Istanbul straffrei, nachdem er Audi-Titelaspirant während eines Überholvorgangs neben die Strecke gedrängt hatte. Was wiederum für Missmut im Audi-Lager sorgte...

"Du musst in die Boxengasse. Begib dich sofort dorthin. Fahre nicht über Start und Ziel..." - der mögliche Funkspruch an einen "sündigen" Piloten erklang in dieser Saison zunächst vergleichsweise selten. Recht ruhig war es bezüglich des Strafmaßes nach misslungenen Überholmanövern mit Karbonfaserverlust geworden. Nachdem Mercedes auf dem EuroSpeedway Lausitz markeninterne Selbstjustiz übte, indem man den straffrei ausgegangenen Green, der zuvor seinen Teamkollegen Häkkinen während eines Überholmanövers allzu deutlich berührt hatte, selbstständig zurück hinter den Finnen beorderte, zeigten sich die Rennkommissare auch auf dem Norisring großzügig - aus Sicht von Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug zu großzügig:

"Jamie war absolut dominant, bis es beim Kampf mit Abt zu diesem unsäglichen Zwischenfall kam, bei dem ich nicht verstehe, wieso dagegen nichts unternommen wird", rief Haug nach einer Strafe für den im Rennen in der Tat recht ungestümen Audi-Piloten, der sich in den Augen des Mercedes-Sportchefs für den Ausfall des in Führung liegenden Green verantwortlich zeichnete. Tatsächlich dürfte sich so mancher Beobachter gefragt haben, wie viele Strafen auf dem Norisring hätten vergeben werden können - gemessen am Zandvoort-Rennen...

Vor allem das rechte Schild kommt immer wieder gern zum Einsatz..., Foto: adrivo Sportpresse
Vor allem das rechte Schild kommt immer wieder gern zum Einsatz..., Foto: adrivo Sportpresse

Jenem holländischen Küstenspektakel war bereits am Samstag für Alexandros Margaritis eine Bestrafung in Form der Rückversetzung auf Startplatz 20 vorausgegangen, nachdem der Grieche bei der Ausfahrt aus der Boxengasse eine Kollision mit Markenkollege Stefan Mücke verursacht hatte. "Es war zwar unser Fehler, aber das dann so eine harte Strafe ausgesprochen wird, finde ich ein bisschen ungerecht", äußerte der Persson-Pilot nach dem Qualifying, "ich finde es zu hart, weil mein Wochenende damit wieder komplett kaputt gemacht worden ist." DTM-Experte Klaus Ludwig pflichtete ihm bei: "Auch bei ihm war die Bestrafung viel zu hart. Wer noch nie in einem solchen Rennauto gesessen hat, weiß gar nicht, dass man darin nicht die gewohnte Sicht nach hinten hat wie in einem normalen Straßenauto mit Rückspiegeln."

Am Tag darauf blieben die Rennkommissare konsequent - und setzten gleiches Maß an Jamie Green und Mika Häkkinen an, deren Fehler mit Durchfahrtsstrafen geahndet wurden. "Es ist enttäuschend - ob ich die Strafe richtig finde oder nicht, ändert nichts mehr", ließ Jamie Green, der eingangs der Tarzanbocht während eines Überholversuches in Mattias Ekströms Audi gerutscht war, Kritik anklingen. Markenkollege Häkkinen, der Christian Abt versehentlich umgedreht hatte und ebenfalls einen unfreiwilligen Ausflug in die Boxengasse machen musste, sieht Alternativen: "Es ist vielleicht ein bisschen hart, dass es gleich beim ersten Mal eine Durchfahrtsstrafe gibt. Vielleicht sollte man erst einmal eine Verwarnung aussprechen."

Die Kritik hielt an: Während Norbert Haug naturgemäß befand, dass "die vielen Strafen, die immer uns treffen, natürlich gar nicht gehen", ergriffen auch unsere Leser auf die Frage hin, ob die Strafen für Green, Häkkinen und Margaritis gerechtfertigt gewesen seien, Partei für die drei "Sündigen": 60 Prozent erachteten alle Strafen als zu hart, weitere zehn Prozent konnten zumindest die Durchfahrtsstrafen für die beiden HWA-Piloten nicht nachvollziehen. Der dreifache DTM-Meister Klaus Ludwig unterstützt sie:

"Wer Überholmanöver sehen will, darf sie nicht bestrafen", spannt Ludwig den Bogen hin zu jenem hinter den Kulissen viel diskutierten Bestreben, das Überholen in der DTM mithilfe eines neuen Reglements auch technisch einfacher zu gestalten. "Mika wollte überholen; wenn er das nicht machen würde, wäre er im Rennsport fehl am Platz. Das Manöver hätte gut gehen können, dann wäre es ein toller Überholvorgang gewesen", bricht Ludwig für den Finnen ebenso eine Lanze wie für den Briten: "Er suchte seine Chance - seine Räder blieben stehen und dann ist es eben passiert. Auch hier gilt: Wir suchen händeringend nach Möglichkeiten zukünftig mehr Überholmanöver zu ermöglichen."

Jamie Green übte leise Kritik an der Rennleitung, Foto: DTM
Jamie Green übte leise Kritik an der Rennleitung, Foto: DTM

"Du musst in die Boxengasse. Begib dich sofort dorthin. Fahre nicht über Start und Ziel..." - ein Funkspruch, den wir in der DTM künftig nicht mehr hören wollen? Damit wäre die DTM schlecht beraten, mussten die Rennkommissare doch gerade in Zandvoort einen Drahtseilakt meistern. Während die Zuschauer auch beim siebten Saisonlauf nach Überholmanövern gierten, forderten die vergleichsweise geringen Sicherheitsstandard auf dem niederländischen Traditionskurs ihren Tribut - so dass ein akribisches Beäugen übermotivierter Überholversuche nicht nur angemessen, sondern vielmehr auch dringend geboten war.

Fest steht, dass das Zupacken der Rennleitung in der Vergangenheit in der DTM durchaus für eine fahrerische Disziplin gesorgt hat, wie sie einer hochklassigen Serie gut zu Gesichte steht. Auch mit Blick auf das jeweils einzelne Rennwochenende betrachtet erscheinen die Entscheidungen über Strafe und Freispruch in sich konsequent. Dennoch bleibt zu hoffen, dass während der verbleibenden drei Rennen weniger die Strafen der Rennleitung als vielmehr der eigentliche Titelkampf für den Diskussionsstoff sorgen werden...