Aus Gesprächen über ihn sind sie kaum wegzudenken, aus Gesprächen mit ihm ebenso wenig, von den Zuschauern auf den Tribünen und vor den TV-Geräten werden sie mittlerweile ebenso akribisch beäugt wie am Mercedes-Kommandostand: Die Starts des Jamie Green - und ihr häufiges Misslingen. War zuletzt mit Blick auf die Starts ein Aufwärtstrend bei dem Briten zu verzeichnen, so folgte in Zandvoort auf eine eindrucksvolle Leistung im Qualifying ein umso weniger eindrucksvoller Start.

Was geht in dem Mann vor, der im Qualifying seinen unbestrittenen Grundspeed in beeidruckender Regelmäßigkeit im entscheidenden Moment auf den Punkt zu bringen vermag, einen Tag später jedoch dem Druck der guten Ausgangsposition nicht standhält?

"Mit DTM-Autos konstant gute Starts zu hinzubekommen, ist sehr schwierig. Man kann nie sagen: Jetzt mache ich immer einen guten Start", erklärte Green uns gegenüber kürzlich im Interview. Mit einem Lächeln und scheinbar großer Gelassenheit kamen ihm die Worte über die Starts über die Lippen - als sei eben jenes Thema in der Vergangenheit keine Belastung für ihn gewesen. "Ich denke, ich muss meine normale Arbeit weitermachen, denn wenn ich mir mehr Druck mache, hilft mir das auch nicht", fügte er hinzu.

War das erneute Scheitern beim Start in Zandvoort, das ihn von Rang eins weit zurückwarf, tatsächlich ohne Druck zu erklären? Auch im Anschluss an das Rennen sprach Green uns gegenüber erstaunlich locker über den entscheidenden Moment - von Niedergeschlagenheit war kaum etwas zu spüren: "Die Reifen sind am Start zu stark durchgedreht, so dass ich nach dem Start auf den fünften Platz zurückgefallen bin." Umso verwunderlicher erscheint sein Auftritt angesichts dessen, was im Rennverlauf folgte:

Ein möglicher vierter Platz scheiterte an der Kollision mit Ekström., Foto: DTM
Ein möglicher vierter Platz scheiterte an der Kollision mit Ekström., Foto: DTM

"Ich war dicht hinter Ekström; er ging direkt vor mir in die Box und kam auch vor mir wieder heraus, also steckte ich noch immer hinter ihm fest. Das gleiche bei den zweiten Boxenstopps - er kam zwar eine Runde früher rein, blieb aber trotzdem vor mir", beschrieb Green Strapazen für die Geduldsfäden eines jeden Rennfahrers, "ich steckte die ganze Zeit hinter ihm fest; er wechselte oft die Linie, um seine Position zu verteidigen. Ich habe es in der Tarzanbocht außen versucht, was nicht funktioniert hat." Was sich anschloss, war eine Fortsetzung jener besonderen Freundschaft mit Mattias Ekström, die bereits 2005 immer wieder sichtbar wurde.

So war es auf dem EuroSpeedway Lausitz, vor allem jedoch in Istanbul zu viel diskutierten Kollisionen zwischen Green und Ekström gekommen, deren Neuauflage sich in Zandvoort anschloss: "Beim nächsten Mal habe ich es innen versucht. Wir standen beide auf der Bremse, aber er versuchte, die Lücke zu schließen. Dann berührten wir uns. Frentzen zog vorbei und ich bekam eine Durchfahrtsstrafe." Während selbst der nicht gerade als Choleriker bekannte Ekström jenen Zwischenfall eher genervt kommentierte, sind es - wie schon so oft - auch diesmal die 'Coolness' und Sachlichkeit, mit der der HWA-Pilot jene Erlebnisse beschreibt, die auch sein Rennen ruinierten: "Es ist enttäuschend - ob ich die Strafe richtig finde oder nicht, ändert nichts mehr. Ich muss es so hinnehmen, wie es ist."

Zum vierten Mal - das dritte Mal auf dem Norisring sei entschuldigt - in dieser Saison war ein Rennen zu Ende gegangen, in dem Jamie Green seine Pole Position nicht hatte nutzen können. In den Ergebnislisten springt das Phänomen ins Auge, wonach Jamie Green in diesem Jahr gerade dann das Podest erklomm, wenn er sich am Samstag nicht für Platz eins qualifiziert hatte. "Die Pole Position selbst ist nicht das Problem. In Brands Hatch hatte ich einen guten Start auf Startplatz zwei, auf dem Norisring von der Pole Position aus", stellte Jamie Green fest.

Gibt es einen Jamie Green Renncockpit, der den Druck oftmals nicht ausreichend zu absorbieren vermag, der getrieben vom eigenen Ehrgeiz im Wettbewerb mit Bruno Spengler und im Fernduell mit Gary Paffett Fehler begeht, wie sie seiner fahrerischen Klasse nicht entsprechen? Der anders als der Jamie Green im Fahrerlager weit weniger locker mit Fehlern umgeht und sich keine Fehler zugesteht? Es wird vermutlich ein Rätsel bleiben...