"Ich finde es super, dass ich die Chance bekommen habe, mein Debüt in einer 2005er-Mercedes C-Klasse zu bestreiten. Aber manche sagen, sie hätten nicht gerne mit mir getauscht, weil man dann mehr Druck hat." Mit diesen Worten zitierte der diesjährige Jahreswagenpilot und DTM-Debütant Daniel La Rosa seine Kollegen in den 2004er-Fahrzeugen. Meist außer Konkurrenz drehen sie am Ende des Feldes ihre Runden - und dürfen es als Sieg betrachten, wenn sie als schnellster Pilot des Gebrauchtwagenquartetts hervorgehen.

Zwar ist es zu bezweifeln, dass Jamie Green sein Persson-Team vor Beginn der Saison 2005 bat, für ihn einen betagten Mercedes des Baujahres 2003 aus der Garage zu holen, um so mit möglichst wenig Druck seine erste DTM-Saison bestreiten zu können. Doch so groß die Freude Jamie Greens gewesen sein mag, das erste DTM-Jahr im Mercedes-Neuwagen zu bestreiten, so hell ist auch das Rampenlicht, dem Green seitdem ausgesetzt ist - insbesondere seit dem Wechsel zu HWA.

Herausgetreten aus dem finnischen Schatten...

Die Boxenstopps stellten 2005 für Green ein Novum dar, Foto: DTM
Die Boxenstopps stellten 2005 für Green ein Novum dar, Foto: DTM

"Die langen Rennen waren am schwierigsten für mich", erwähnt Jamie Green uns gegenüber eine besondere Herausforderung im Lernprozess, die er mit dem Umstieg aus Nachwuchsserien erklärt, "ich bin vorher immer nur Sprintrennen gefahren. In der Formel 3 gibt es keine Boxenstopps und du fährt maximal 30 Minuten Rennen. So habe ich einige Zeit gebraucht, um im Rennen das alles zusammen zu bringen und eine Stunde lang einen guten Job zu machen." Zweiter Neuling im Neuwagen war im vergangenen Jahr ausgerechnet Mika Häkkinen, für den sich die Erfolge rasch stellten: Während Green zwar Potenzial erkennen ließ, jedoch noch nicht bis ganz an die Spitze vorzudringen vermochte, gelang dem zweifachen Formel-1-Weltmeister beim dritten DTM-Wochenende in Spa-Francorchamps mit Pole Position und Sieg der Durchbruch.

Der Finne legte die Messlatte für den jungen Briten hoch - eine Messlatte, die er nie aus den Augen verlor. Green sah insbesondere im Bereich seines größten Defizits, den langen Renndistanzen, den großen Vorsprung Häkkinens. "Ich denke, seine Erfahrung hilft ihm über die Renndistanz. In der Formel 1 hat man 1,5-Stunden-Rennen mit Boxenstopps und das sind Kenntnisse, die einem in der DTM weiterhelfen", führt der unweit von London geborene Brite den Vergleich weiter - und kommt zum selbstbewussten Schluss: "Ich glaube, dass ich genauso rasch wie er gelernt habe, mit dem Auto umzugehen. Ich habe schnell gelernt, den Wagen schnell zu fahren, das zeigt auch meine Qualifying-Leistung."

Jamie Green wusste jedoch, welche Konsequenzen aus der ersten Saison zu ziehen waren: "Die Schwierigkeit der langen Distanzen lag nicht an der Fitness, eher am Fahrstil bzw. dem Umgang mit Auto und Reifen. Einen Fahrstil, der den Reifen entgegenkommt und dir hilft, konstant zu sein und schnell zu bleiben. Daran musste ich arbeiten." Die aktuelle Saison gibt Green Recht: Längst haben sich die Vorteile des 37-jährigen Finnen gegenüber dem 24-jährigen Briten im Bereich der Boxenstopps und der Renndistanz relativiert. Während Green besondere Stärken, wofür das Qualifying nur exemplarisch steht, mit sichtbarem Erfolg weiter ausbaute und vorhandene Schwächen - wie die Starts - zuletzt abzulegen schien, scheint Häkkinen zu stagnieren. Nicht ganz ohne Grund befindet sich Green in der Meisterschaftstabelle immerhin knapp vor dem früheren McLaren-Mercedes-Piloten.

...hineingetreten in den kanadischen Schatten

Da Häkkinen jedoch zurzeit in den Reihen der HWA-Mercedes-Piloten die rote Laterne trägt, bietet die aktuelle Vormachtstellung dem 20-fachen Grand-Prix-Sieger gegenüber keinen Grund zur grenzenlosen Euphorie. "Die Leute haben sehr auf meine Starts geschaut", beobachtete Green während der ersten Saisonhälfte, während derer ein zweiter Platzplatz hinter dem jungen Briten in den Augen mancher Betrachter durchaus die eigentliche Pole dargestellt haben soll, "aber ich hatte auch einige gute Starts im letzten Jahr. Es ist nicht so, dass ich noch nie starten konnte. Letztes Jahr lief das zufrieden stellend. Manchmal habe ich Gas und Kupplung nicht optimal dosiert, aber ich hatte auch sehr gute Starts."

Jamie Green plagen keine Zweifel an seiner Siegfähigkeit, Foto: DTM
Jamie Green plagen keine Zweifel an seiner Siegfähigkeit, Foto: DTM

Die zu Saisonbeginn oftmals suboptimalen Starts standen symptomatisch für die erste HWA-Saison Jamie Greens: Während der englische Youngster im Qualifying immer wieder einen Speed offenbarte, wie er dem seines Vorgängers Gary Paffett in nichts nachsteht, scheiterte der verdiente Durchbruch bislang an Banalitäten. Einen erster Sieg in Brands Hatch erbte Audi-Pilot Mattias Ekström, nachdem die Konzentration für einen Augenblick ebenso nachgelassen hatte wie die nach knapp 40 Runden arg strapazierten Dunlop-Pneus. Der Ausfall auf der Fahrt zum Sieg auf dem Norisring endete größtenteils unverschuldet an der vermeintlichen Routineübung, Christian Abt zu überrunden.

"Am Norisring habe ich alles richtig gemacht. Es war das ganze Paket: Starts, Boxenstopps, Konstanz. Ich bin talentiert genug, um Rennen zu gewinnen", stellt Green eine These auf, die durchaus auch bereits als Tatsache bezeichnet werden darf. Und doch wird der ohnehin schon vorhandene Druck, der sich nicht zuletzt bei den Starts äußerte, immer größer. So gelassen sich Green hiermit nach außen hin mit seiner Position im Rampenlicht arrangieren mag: Während er selbst nach wie vor auf den ersten Sieg wartet, ist Bruno Spengler der Durchbruch in überdeutlicher Form gelungen.

Ausgerechnet Spengler, der anders als Jamie Green 2005 noch im Persson-Jahreswagen Platz nahm und das Wort "Meisterschaft" zu Saisonbeginn bestenfalls über Umwege in den Mund nahm, avanciert zum Shooting-Star der aktuellen Saison. Stellte sich auf dem Norisring noch die Frage, ob der Kanadier auch ohne den unglücklichen greenschen Ausfall den ersten Triumph hätte feiern können, so bot Spengler auf dem Nürburgring eine Leistung dar, die eine deutlichere Ansage an die Routiniers Bernd Schneider und Tom Kristensen kaum hätte sein können. Jamie Green beobachtete - und gedenkt, es seinem nordamerikanischen Kollegen gleichzutun: "Ich denke, dass ich bereit bin zu zeigen, was ich gelernt habe..."