Wird im Straßenverkehr selbst Fahrern moderner Oberklassefahrzeuge, ausgestattet mit belüfteten Massagesitzen und zugfreier Luftzufuhr der obligatorischen Klimaautomatik, dringend geraten, bei Langstrecken regelmäßig mindestens 15-minütige Pausen einzulegen, so hilft jener gut gemeinte Rat den DTM-Piloten nur wenig weiter: Eingehüllt in Balaclava und gepolstertem Rennhelm, feuerfester Unterwäsche und Rennanzug, eingezwängt in einen schweißtreibenden Schalensitz müssen die 20 Fahrer mit Vollgas 160 Rennkilometer am Stück zurücklegen.

Insbesondere die letzten beiden Läufe in Brands Hatch und Nürnberg stellten höchste Ansprüche an Kondition und Fitness: Auch bei weit mehr als 30 Grad Lufttemperatur und Schwindel erregenden Temperaturen im Renncockpit mussten sich die DTM-Piloten mit einem simplen Lüftungsgebläse in den Dienstwagen ihrer eigentlich für großzügigere Ausstattungsumfänge bekannten Marken arrangieren. Audi-Pilotin Vanina Ickx mag ihre Mauerberührung während des Norisring-Rennens möglicherweise als durchaus geschicktes Missgeschick empfunden haben - öffnete sich so doch ihre Beifahrertür und machte den Weg frei für zusätzliche Frischluft... Ihre Kollegen Bernd Schneider, Bruno Spengler und Susie Stoddart berichteten uns exklusiv über ihre speziellen Vorbereitungen auf die aktuellen Hitzeschlachten.

Susie Stoddart schreckte vor Saunabesuchen nicht zurück, Foto: Sutton
Susie Stoddart schreckte vor Saunabesuchen nicht zurück, Foto: Sutton

Hüpfen in der Sauna

"Ich habe in der Sonne und bei den warmen Temperaturen ein bisschen mehr trainiert. Ich war mit dem Fahrrad unterwegs und bin gelaufen", beschreibt HWA-Youngster Bruno Spengler sein hitzespezifisches Fitnesstraining, das sich bekanntlich auf dem Norisring als äußerst erfolgreich herausstellen sollte. Auch Susie Stoddart stellte sich physisch frühzeitig auf die besonderen Belastungen ein - bevorzugte allerdings unkonventionellere Methoden als der Kanadier:

"Ich habe in der Sauna ein Hitzetraining gemacht", berichtet die Schottin, "wir haben in der Woche vor dem Rennen in der Sauna Sprungübungen gemacht, solange man es aushielt - insgesamt 45 Minuten." Was selbst den gesundheits- und fitnessbewussten DTM-Zuschauern bereits beim Gedanken Schweißperlen auf die Stirn treibt, erweist sich in der DTM als unumgänglich. "Man verliert in der Hitze schnell die Konzentration und macht Fehler - auch wenn man nicht genug trinkt", gibt Spengler zu bedenken.

Saft als Imageproblem

Mit nur einem halben Liter beziffern die drei Mercedes-Piloten ihren Getränkevorrat während des Rennens. Grund für die spartanische Versorgung ist nicht nur die Sorge um das Fahrzeuggewicht - Bruno Spengler gibt vielmehr praktische Probleme an: "Das ist nicht immer genug, aber ich kann leider nicht mehr mitnehmen. Es ist nicht mehr Platz, aber es ist auch besser als nichts." So gilt es, während der Fahrt das in einer Thermosflasche befindliche kühle Nass sorgsam einzuteilen.

"Ich persönlich trinke am liebsten Wasser, weil das am wenigsten klebt", gibt Bernd Schneider Auskunft über eine wenig exotische Getränkewahl, die allerdings auch Bruno Spengler und Susie Stoddart bevorzugen. Anhänger nicht farbloser Getränke kommen in den Kreisen der DTM-Piloten nicht auf ihre Kosten. "Das Problem, wenn man Säfte einfüllt ist, dass die alle eine Farbe haben. Weil das erste, was aus dem Schlauch kommt, so heiß ist, läuft es herunter", gibt Schneider die Begründung, "Mercedes hat immerhin ein gescheites Auftreten, und ich glaube nicht, dass es ihnen gefallen würde, wenn man sieht, wie wir uns gerade vollgeschlabbert haben..."

Der Boxengassenbesuch erweist sich als am unangenehmsten, Foto: DTM
Der Boxengassenbesuch erweist sich als am unangenehmsten, Foto: DTM

Während des gesamten Rennwochenendes gilt es, auch abseits des Fahrzeuges, wo die Wasserzufuhr über einen Knopf automatisch betätigt werden kann, auf den Flüssigkeitshaushalt des Körpers zu achten - was sich laut Bruno Spengler banaler anhört, als es ist: "Man muss auch trinken, wenn man nicht durstig ist. Das macht man nicht immer. Und wenn man dann Durst hat, dann ist es zu spät." Die nach dem Fahren laut Schneider mit Wasser "vollgeschlabberte" Kleidung kann in Folge eines Hitzerennens ohne Bedenken vorübergehend gegen ein knapper geschnittenes Outfit getauscht werden - zwei Kilogramm Flüssigkeit werden dem Körper während eines DTM-Laufs entzogen.

Menschliche Klimaanlage

Den Beweis für die Effektivität ihrer Trainingsprogramme erbrachten sich Schneider, Spengler und Stoddart in Nürnberg selbst. Die exorbitant hohen Temperaturen in ihren Fahrzeugen empfanden die drei Mercedes-Lenker als durchaus annehmbar. "Wenn man 270 fährt, kommt schon genug Luft ins Auto. Aber wenigstens kann man auf dem Norisring auf den Geraden mal durchatmen", relativierte der vierfache DTM-Meister die tropische Hitze im Fahrzeug, "das Problem ist nicht das Fahren, sondern wenn man in die Box kommt - dann heizt sich alles dermaßen auf..."

Ein Problem, mit dem es sich angesichts der Kürze der Aufenthalte in der Boxengasse leben lässt. DTM-Debütantin Susie Stoddart steht Schneider in nichts nach: "Während des Fahrens ist es nicht so schlimm, man konzentriert sich und denkt nicht darüber nach, wie heiß es im Auto ist." Ein Fitnesstraining von höchster Güte erweist sich für die DTM-Piloten als effizienteste Klimaanlage. Bliebe als größte Sorge vor einem Hitzerennen noch das möglichst schnelle Trocknen des "vollgeschlabberten" Rennanzugs...