Wie sehen Sie insgesamt Tom Kristensens Entwicklung? Wo hat er sich so gesteigert, dass er jetzt plötzlich vorne fährt?

Hans-Jürgen Abt: Er war von Beginn an immer schnell. Es haben sich sicherlich anfangs ein paar fahrerische Fehler eingeschlichen, aber das legt sich mit der Erfahrung in der DTM. Tom hat immer weiter gearbeitet, hat immer mehr Vertrauen ins Team bekommen, hat sich ein wenig zurückgenommen und sich speziell auf das Fahren konzentriert. Das ist die Entwicklung, bei der er letztlich zugeschlagen hat. Er kam aus dem Sportwagenbereich als Neuling in unser Team, was natürlich eine gewisse Umstellung erfordert hat. Man muss ihm einen hohen Respekt zollen, wie konstant er geworden ist und wie er sich entwickelt hat.

Bei Mattias ist es gegenüber dem letzten Jahr genau umgekehrt. Momentan sieht es nach all dem Pech so aus, als wenn er sich aus dem Sumpf wieder herauszieht.

Hans-Jürgen Abt: Man müsste mal statistisch festhalten, mit wie vielen Starts, wie vielen Ankünften und wie vielen Ergebnissen Mattias in den letzten Jahren aufwarten konnte. Das war einmalig, er ist in der Statistik mit Sicherheit ganz vorne. Er hat sicherlich einmal einen Durchhänger gehabt, aber das gehört dazu. Man muss das Tief überstehen, was er mit dem Sieg in Brands Hatch getan hat.

Beunruhigen Sie als Teamchef die Defekte und Ausfälle in diesem Jahr?

Hans-Jürgen Abt: Wir fahren in der DTM am Limit. Man muss Defekte analysieren, um sie abschlaten zu können. Das ist geschehen, das ist das Wichtigste. Die DTM ist berüchtigt dafür, dass es kaum Ausfälle gibt, die Motoren müssen über eine ganze Saison hinweg halten, auch die Chassis sind sehr stabil.

Wie würden Sie das Reglement in diesem Jahr einschätzen? Ist die Balance zwischen Neu- und Jahreswagen das Optimale, was man erreichen kann?

Hans-Jürgen Abt: Absolut, man hat eine Konstanz geschaffen, die nicht zu toppen ist. Früher haben sich die Zuschauer manchmal über Alt und Neu aufgeregt. Kein Hersteller kann in jedem Jahr zehn neue Autos bauen, also versucht man, die Jahreswagen so anzupassen, dass sie eine faire Chance haben. Früher waren die Unterschiede sehr groß, heute sind sie sehr eng beieinander. Dieses Jahr haben die Jahreswagen große Chancen, vorne mit dabei zu sein und in die Punkte zu fahren.

Abt sieht Frentzen in einer ähnlichen Situation wie Häkkinen, Foto: Sutton
Abt sieht Frentzen in einer ähnlichen Situation wie Häkkinen, Foto: Sutton

Wie haben Sie auf das neue Reglement reagiert, das die Entwicklung weit gehend einfriert? Hat es sie gestört bei dem Gedanken, dass man eigentlich noch etwas aufholen muss?

Hans-Jürgen Abt: Wenn man im letzten Jahr nicht Meister geworden ist, sicherlich. Aber man muss den Sinn der Sache im Blick behalten, wir können in einem gewissen Rahmen weiterentwickeln und man sieht: Die Autos sind wieder schneller geworden. Wenn man dieses Reglement ablehnt, besteht die Gefahr, dass die Kosten explodieren, die Zuschauer aber nichts vom zusätzlichen Kostenaufwand haben. Das Wichtigste ist, dass toller Sport geboten wird, dass gesehen wird, dass in der DTM gekämpft wird und man Rennen gewinnen kann. Das macht die DTM auch mit zwei Herstellern so spannend.

Wie wichtig ist der Meistertitel für Audi? Könnte man bei Audi damit leben, eine Meisterschaft - obwohl man konkurrenzfähig ist - zu verlieren, ohne dass es intern Ärger gibt?

Hans-Jürgen Abt: Ich glaube, dass man jedes einzelne Rennen bewerten muss, man muss sehen, dass wir in einer supranationalen Meisterschaft in mehreren Ländern fahren. Für Audi ist momentan der Sieg wichtig, denn wenn uns der Sieg in Brands Hatch nicht wichtig gewesen wäre, hätten wir Mattias Ekström auch sagen können 'Du darfst nur Zweiter werden', weil wir dann auf dem Norisring weniger Gewicht als Mercedes gehabt hätten. Man sieht also, dass für Audi jedes Rennen wichtig ist.

Ist die Konsequenz daraus, dass Mattias zurzeit noch absolut frei fahren darf und auch vor Tom Kristensen gewinnen dürfte?

Hans-Jürgen Abt: Auch Mercedes hat gezeigt, dass ein Jamie Green nicht vor Bernd Schneider zurückstecken musste. Teamorder bringt uns letztlich nicht nach vorne, denn wir wollen Sport treiben, wir wollen den Wettkampf unter den Teams, unter den Mercedes-Fahrern, unter den Audi-Fahrern. Auch hier haben die Sportchefs ganz klar kommuniziert, dass hier Sport getrieben wird und der Beste gewinnen soll. Es kann sein, dass sich einmal ein Fahrer in den Dienst des anderen stellen muss, aber das soll nicht die Regel werden.

Eine letzte Einschätzung zu Heinz-Harald Frentzen?

Hans-Jürgen Abt: Er ist ein Rennfahrer wie jeder andereund doch sehr populär als Person. Aber es ist klar, dass er es nicht leicht hat in diesem starken Team gegen Mattias Ekström und Tom Kristensen - sie waren in den Jahren schon dabei, als er noch für Opel fuhr. An ihnen muss er sich messen, er muss versuchen, sie zu überholen und um Siege zu fahren. Aber man sieht auch an Mika Häkkinen, dass der Wettbewerb in der DTM sehr hart ist, auch er tut sich in seiner HWA-Gruppe schwer. Heinz-Harald ist ein guter Teamplayer und sehr schnell, aber man kann nicht erwarten, dass er alle Rennen gewinnt.