Womit insbesondere in westlichen Industrieländern seit Jahrzehnten eine zunehmende Zahl an Übergewichtigen zu kämpfen hat, ist mittlerweile auch mit Bezug auf das Gewicht von DTM-Boliden nicht mehr unbekannt: Der Jo-Jo-Effekt. Folgt beim Menschen auf eine Radikaldiät sowie das Purzeln der Kilos oftmals wieder die Gewichtszunahme hin zum alten Niveau, so ist auch die reglementbedingte Gewichtsabnahme eines DTM-Fahrzeugs oftmals nicht von langer Dauer:

Seit Saisonbeginn wird die Enttäuschung jener Marke, die das vorangegangene Rennen nicht siegreich beendete, mithilfe eines Gewichtsrabatts von fünf Kilogramm sowie einer damit einhergehend steigenden Fitness der 2006er-Fahrzeuge beim folgenden Rennen gelindert - die Neuwagen der triumphierenden Marke bekommen ihren Punktewohlstand in der Meisterschaftstabelle durch fünf Kilogramm Bauchspeck, sprich: zusätzliche Bleiplatten am Unterboden, zu spüren. Schlägt sich beim kommenden Rennen ein geändertes Kräfteverhältnis auch im Rennergebnis nieder, kommt es zum Jo-Jo-Effekt... Wie hat sich das modifizierte Gewichtsreglement bei den Neuwagen in der ersten Saisonhälfte bewährt?

Vergangenheit...

Wenngleich die DTM auch im vergangenen Jahr übergewichtige Sieger und Diät haltende Verlierer kannte, blieb der Jo-Jo-Effekt in Zeiten von drei beteiligten Herstellern weit gehend aus: Die zunächst als "Lex Opel" verspottete neue Gewichtsregel sah bei einem Basisgewicht von 1.050 Kilogramm für die siegreiche Marke eine Gewichtszunahme von zehn Kilogramm vor, während die Fahrzeuge jenes Hersteller, der beim selben Rennen das zweitbeste Einzelergebnis einfuhr, ihr Gewicht behielten. Die Marke, deren erfolgreichster Pilot hinter mindestens jeweils einem Fahrzeug beider gegnerischer Hesteller landete, durfte vom Unterboden ihrer Neuwagen Bleiplatten mit einem Gewicht von insgesamt zehn Kilogramm entfernen.

Opel verharrte 2005 auf dem niedrigsten Gewichtsniveau, Foto: DTM
Opel verharrte 2005 auf dem niedrigsten Gewichtsniveau, Foto: DTM

In der Praxis erschienen die Gewichte der Fahrzeuge nahezu zementiert: Während die sieglosen Rüsselsheimer schon nach dem zweiten Rennen beim Mindestgewicht von 1.030 Kilogramm angekommen waren und jenen Gewichtsvorteil für den Rest der Saison behielten, trat Mercedes ab dem sechsten Saisonlauf in Oschersleben ununterbrochen mit dem Maximalgewicht von 1.070 Kilogramm an. Die Audi-Neuwagen durften sich nach ihrem ersten Saisonsieg in Brünn beim Blick auf die Waage an 1.060 Kilogramm gewöhnen. 2005 ließ das Gewichtsreglement die drei Marken zweifelsohne näher zusammenrücken, die Leistungsdichte und die Spannung profitierten - für kurzfristige, spürbare Änderungen des Kräfteverhältnisses sorgte es jedoch angesichts der Kontraste in der Performance, wie sie insbesondere im Vergleich von Mercedes und Opel sichtbar waren, nicht.

... und Gegenwart

Wenngleich sich das Gewichtsreglement somit mit seiner leicht angleichenden Wirkung bewährt hatte, blieb angesichts der nur noch zwei vertretenen Hersteller dennoch keine andere Wahl, als es einer Modifikation zu unterziehen, hätte nun doch nach der bisherigen Regelung bereits ein zweiter Platz hinter einem Fahrer der gegnerischen Marke eine um 20 Kilogramm auseinanderklaffende Gewichtsschere bedeutet. Die neue Lösung, die auf Basis des Grundgewichts von 1.060 Kilogramm sowie zwanzig und zehn Kilogramm Spielraum nach oben bzw. unten stets Sprünge von insgesamt zehn Kilogramm in der Gewichtsdifferenz zwischen Audi und Mercedes vorsieht, schien einen guten Kompromiss darzustellen - dessen mögliche Auswirkungen gleichwohl mit Respekt betrachtet wurden:

Kristensen verdankte seine Oschersleben-Pole auch dem Gewicht, Foto: Sutton
Kristensen verdankte seine Oschersleben-Pole auch dem Gewicht, Foto: Sutton

"Die Zeiten sind sehr eng zusammen. Die Rundenzeit von Heinz-Harald Frentzen und unsere lagen in Hockenheim nur ein paar Hundertstel auseinander. Da machen zusätzliche zehn Kilo sicherlich viel aus", blickte Bernd Schneider nach seinem ersten Saisonsieg in Hockenheim bereits mit Skepsis auf den Kampf gegen einen 1.055 Kilogramm schweren Audi-Neuwagen im 1.065 Kilogramm schweren Mercedes. Die Befürchtungen des Saarländers bestätigten sich angesichts seines zweiten Saisonsiegs auf dem EuroSpeedway Lausitz noch nicht - die Aufholjagd Tom Kristensens vom neunten Startplatz auf Platz zwei im Rennen deutete dennoch einen Aufwärtstrend bei den Ingolstädtern an.

Auf zwei bis drei Zehntelsekunden war der Vorteil der nun mit 1.050 Kilogramm auf Jahreswagenniveau befindlichen Abt-Audi gegen die nunmehr 20 Kilogramm schwereren C-Klassen in Oschersleben geschätzt worden - und in der Tat war der Gewichtsvorteil den Ingolstädtern auf dem Kurs in Mitteldeutschland behilflich: So durfte bezweifelt werden, ob Pole-Setter Tom Kristensen angesichts eines Vorsprungs von nur fünf Tausendstelsekunden auf den Zweiten Jamie Green seine Startposition ohne den Gewichtsvorteil hätte einfahren können. Im Rennen hingegen war der Gewichtsvorteil eher psychologischer Natur - gegen den im Auftrieb befindlichen Kristensen war in Oschersleben für keinen Mercedes-Piloten auch nur annähernd ein Kraut gewachsen.

Der Gewichtsnachteil trug in Eng-land nicht zur Stern-Niederlage bei, Foto: Sutton
Der Gewichtsnachteil trug in Eng-land nicht zur Stern-Niederlage bei, Foto: Sutton

"Es gibt nur einen Grund, weshalb es nicht leicht sein wird zu gewinnen: Wir fahren immer noch Zusatzgewicht mit uns herum. Es sind jetzt zehn Kilo und das ist nicht so viel", offenbarte HWA-Pilot Mika Häkkinen mit Blick auf den vierten Saisonlauf in Brands Hatch großen Respekt vor dem nunmehr nur noch zehn Kilogramm großen Gewichtsnachteil über Audi. Dass es noch andere Gründe für ihn sowie seine Mercedes-Kollegen gab, die gegen einen "leichten" Sieg sprachen, lernte der Finne im Rennen: Von einer deutlichen Pole Position aus startend hatte Tom Kristensen das Rennen souverän unter Kontrolle, bevor er nach seinem unverschuldeten Ausfall von Mattias Ekström würdig vertreten wurde. Der Gewichtsvorteil hatte den Ausschlag des Pendels, das in Brands Hatch eindeutig in Richtung Audi ausschlug, nur leicht verstärkt.

Nach dem zweiten Audi-Sieg in Folge nahm man mit Blick auf den Norisring den neuen Gewichtsgleichstand mit Genugtuung entgegen - ohne dass in Folge des Rennens ein Zweifel daran bestanden hätte, dass die Stuttgarter auch mit Gewichtsnachteil den Sieg für sich hätten verbuchen können: Zu wenig passte der Stadtkurs in Nürnberg auf Fahrzeugcharakteristik und Setup des A4 DTM, als dass die Ingolstädter ihren Rivalen beim Heimrennen hätten Konkurrenz machen können.

So muss sich Mercedes nach den Diäten der dritten und vierten Saisonläufe erneut dem Jo-Jo-Effekt stellen, der bis zum Nürburgring eine Gewichtszunahme der vier HWA-C-Klassen um fünf Kilogramm bedeutet. Ein Jo-Jo-Effekt, der wie aus den letzten Rennen gewohnt nicht rennentscheidend sein wird, gleichwohl jedoch für einen dezenten Ausgleich sorgt...