Womit heute insbesondere die Formel 1 noch bis zum Ende des Jahres aufwartet, hat auch die DTM bereits erlebt: Einen Reifenkrieg. In der alten DTM lieferten sich zuletzt Michelin und Bridgestone ein Schaulaufen um die Gunst der Teams - denen wiederum die Wahl des vermeintlich richtigen Reifenherstellers oder der richtigen Gummimischung Kopfzerbrechen bereitete.

Seit 2000 werden die Pneus sämtlicher DTM-Boliden exklusiv von Dunlop geliefert, je Rennwochenende steht lediglich eine einheitliche Reifenspezifikation zur Verfügung. Doch nach wie vor kann das schwarze Gold auch in der DTM über Gold, Silber, Bronze oder Blech entscheiden: Audi-Pilot Pierre Kaffer klärt Sie darüber auf, was es im Umgang mit den Reifen in der heutigen DTM zu beachten gilt...

Schwarze Kontraste

"Serienreifen und Rennreifen - das ist ein Vergleich, der nur sehr schwer anzustellen ist", erwähnt Pierre Kaffer zunächst das nur scheinbar Banale, "ein Serienreifen hat ja einen ganz anderen Aufbau als ein Rennreifen. Wir haben kein Profil, wir haben einen Slick-Reifen, der natürlich viel mehr Haftung als ein Straßenreifen mit Profil aufbaut. Ein Straßenreifen ist für alle Bedingungen ausgelegt - für Regen, für Trockenheit."

Kaffer sieht den Schlüssel im richtigen Radsturz, Foto: Audi
Kaffer sieht den Schlüssel im richtigen Radsturz, Foto: Audi

Kontraste zwischen Straßen- und Rennreifen, die eher simpel klingen mögen, präsentieren sich bei genauerer Betrachtung drastischer als angenommen. "Unser Reifen muss auch keine 20.000 Kilometer leisten, sondern exakt eine Zeitrunde - und dann geht die Performance ganz stark herunter, im Bereich von bis zu einer Sekunde", legt Kaffer die Leistungskurve eines Rennreifens offen, die auch in der DTM dazu führt, dass die Piloten während des Qualifyings auf eine gezeitete Runde nur in Ausnahmefällen sofort eine weitere Runde folgen lassen.

Schwarze Leistungskurve

So besteht die Kunst des Umgangs mit den Dunlop-Pneus darin, den "Tyredrop" genannten Leistungsabfall mit Hilfe der Abstimmung in Grenzen zu halten. "Es ist von Strecke zu Strecke unterschiedlich, wie hoch der Tyredrop von der schnellsten Runde bis zur langsamsten Runde ist, wo der Reifen dann konstant ist", erläutert Pierre Kaffer auch mit Blick auf Brands Hatch, "man pendelt sich dann auf einem gewissen Niveau ein, und das hält man dann." So war auch während des vierten Saisonlaufs zu beobachten, dass die Fahreigenschaften der Reifen nach nahezu 50 Runden zwar problematisch wurden - das Risiko eines abnutzungsbedingten Reifenschadens jedoch bei weitem nicht bestand: Auch für ausgefallene Taktiken mit außerordentlich langen Stints hält Dunlop bewusst Reserven bereit.

Während der Abstimmungsarbeit beachten die Piloten insbesondere die unterschiedlichen Anforderungen von Qualifying und Rennen: "Im Qualifying ist es sehr wichtig, den Reifen voll zu nutzen, wenn er neu ist. Es ist aber genauso wichtig, mit dem Reifen über die Distanz zu kommen, wenn man einen Longrun fährt." So kann der Pilot die Leistungskurve des Reifens mit Hilfe der Mechanik eigenständig strecken oder stauchen:

Insbesondere der so genannte negative Radsturz, bei dem die beiden Räder einer Achse auf der Fahrbahn einen größeren Abstand aufweisen als im oberen Bereich des Radkastens, bietet sich an, um die Charakteristik des Setups in Richtung kurzfristige Performance oder Langlebigkeit zu lenken - doch Vorsicht ist geboten: "Man kann sehr viel Sturz auf die Reifen geben, dann kommt man aber nur zwei Sektoren weit - danach ist der Reifen ebenso wie die Zeit kaputt." Während des gesamten Wochenendes gilt es, bei der Suche nach dem Grip nicht nur auf allzu viel Radsturz zu setzen, stehen doch am Rennwochenende insgesamt nur zehn Reifensätze pro Fahrzeug zur Verfügung.

Je Fahrzeug steht nur eine begrenzte Reifenzahl zur Verfügung, Foto: Sutton
Je Fahrzeug steht nur eine begrenzte Reifenzahl zur Verfügung, Foto: Sutton

Mit dem Luftdruck ins Schwarze treffen

"Man kümmert sich stets darum, die Reifentemperaturen in den Griff zu bekommen, was von Rennstrecke zu Rennstrecke unterschiedlich ist. Wie viel Temperatur ist in der Innenschulter und wie viel in der Außenschulter?", schildert Pierre Kaffer einen weiteren heiklen Aspekt des Feintunings im Reifenbereich, "das hängt sehr vom Luftdruck ab." Wählt man einen zu geringen Luftdruck, wird die Karkasse, das aus mehreren unterschiedlichen Schichten bestehende, tragende "Reifengerüst", nach kurzzeitig höchstem Gripniveau zu heiß - wiederum leidet die Haltbarkeit.

"Da gibt es viele verschiedene Philosophien: Die einen fahren eher mit einem Zehntel mehr Luftdruck, die anderen mit einem Zehntel weniger Luftdruck. Fahrerisch ist das dann auch interessant", spielt Kaffer auf das so genannte "Temperatur-Window" zwischen Innen- und Außenseite des Reifens an, "man probiert, keine größeren Streuungen als 25 Grad von innen nach außen zu haben."

Schwarze Einheit

Den bei der Suche nach einer Setup-Harmonie zwischen Fahrzeug und Reifen ohnehin recht eingespannten Piloten bleibt auf Grund der Exklusivpartnerschaft der DTM mit Dunlop so zumindest die Entscheidung zwischen unterschiedlichen Reifenmischungen erspart. "Es ist so, dass man bei einer weichen Mischung sehr schnelle Zeiten fahren kann, dann aber einen Tyredrop hat und langsamer fährt als mit einer harten Mischung", schildert Kaffer ein von Strecke zu Strecke mühsames Abwägen, wie es den Kollegen in anderen Serien begegnen kann, "dafür kann man mit einer harten Mischung die Toprunde wie mit einer weichen Mischung nicht fahren."

Dennoch werden auch die DTM-Fahrer mit den Errungenschaften anderer Reifenhersteller konfrontiert. "Zwischen den einzelnen Herstellern gibt es natürlich große Unterschiede", berichtet Kaffer aus seinem reichen Erfahrungsschatz, "auch wir haben manchmal das Problem, dass wir bei den DTM-Sessions, wenn vorher die Formel 3 mit Kumho-Reifen fuhr, einen ganz anderen Reifenabrieb auf der Strecke haben, der sich mit unserem Reifen nicht verträgt." Was sich mit Blick auf die Rundenzeiten durchaus auch als schwarzes Pech herausstellen kann...