Die saloppe Bezeichnung "Achterbahn" für eine Rennstrecke ist im Grunde auch in der DTM nicht mehr gänzlich unbekannt: Auch dem legendären Ardennenkurs im belgischen Spa-Francorchamps, der für 2006 nach nur einem Jahr wieder aus dem DTM-Kalender gestrichen wurde, wurde jener Titel oft zugeschrieben. In der Kurzversion des britischen Traditionskurses hat die Ardennenachterbahn einen würdigen, wenn auch anders gearteten Nachfolger gefunden.

Die alternativen, nicht nur schmeichelhaft gemeinten Titulierungen "Micky-Maus-Kurs" (Rosberg-Teamchef Arno Zensen) und "Go-Kart-Bahn" (Alexandros Margaritis) teilt sich Brands Hatch mit dem Motopark Oschersleben. Frank Stipplers Kreation "kleine Nordschleife" ist da bereits eher als Kompliment zu verstehen: Ebenso wie die "grüne Hölle" präsentiert sich das Brands-Hatch-Layout als fahrerisch äußerst herausfordend, genauso wie der traditionsreiche Eifelkurs hält die Strecke in der südostenglischen Grafschaft Kent einen Wechsel aus Berg und Tal bereit.

Fällt die Nordschleife jedoch durch ihre exorbitante Länge aus dem Rahmen, so ist die Besonderheit der von der DTM auserkorenen Streckenvariante ihre Kürze: Mit nur 1,973 Kilometern, die - eine fehlerlose Runde vorausgesetzt - in höchstens 42 Sekunden zurückgelegt sind, präsentiert sich Brands Hatch noch kompakter als der Norisring. Das kommende Wochenende verspricht somit längst nicht nur auf Grund des Formel-1-Grand-Prix in Indianapolis sowie des MotoGP-Rennens in Donington ein Highlight der Motorsportsaison 2006 zu werden - der Anteil der DTM an einem unvergesslichen Racing-Wochenende sollte auch angesichts des extravaganten Austragungsortes nicht zu unterschätzen sein...

Tom Kristensen wusste bei den ITR-Tests am meisten zu überzeugen, Foto: Sutton
Tom Kristensen wusste bei den ITR-Tests am meisten zu überzeugen, Foto: Sutton

Audi

"Die Strecke ist hinsichtlich der Bestimmungen hart an der Grenze. Wenn man sich dort einen Fehler erlaubt, ist das Auto kaputt", berichtet Heinz-Harald Frentzen von seinen Erfahrungen während der ITR-Testfahrten im März, im Zuge derer so mancher Pilot Bekanntschaft mit den englischen Kiesbetten und Leitplanken machte. Tom Kristensen ergänzt: "Der Reifenabrieb, den man neben der Ideallinie aufsammelt, kann über 80 Runden gesehen gefährlich werden."

Vom - angesichts der niedrigeren Temperaturen auch weniger großzügig verstreuten - Reifenabrieb ließ sich der Däne im Rahmen der Testfahrten allerdings nicht aufhalten: Mit einer absoluten Bestzeit von 41,587 Sekunden hatte sich der aktuelle Meisterschaftserste schon damals Respekt verschafft. Audi-Neuwagenpilot Martin Tomczyk zeigt sich selbstsicher, möchte die Testergebnisse jedoch nicht überbewerten: "Ich glaube, dass wir dort gut sein werden - wie gut, das lässt sich nur schwer einschätzen, denn die Testfahrten haben vor Saisonbeginn stattgefunden."

Die Gebrauchtwagen könnten vom Streckenlayout profitieren, Foto: Sutton
Die Gebrauchtwagen könnten vom Streckenlayout profitieren, Foto: Sutton

Den Pechvogel der bisherigen Saison, Mattias Ekström, plagen derweil andere Sorgen: "Nach Toms Sieg in Oschersleben müssen wir mit ein paar Kilogramm mehr Gewicht fahren." Verwöhnt vom 20 Kilogramm betragenden Gewichtsvorteil in Oschersleben hat sich das Gewichtshandicap der Stuttgarter nun halbiert. Angesichts des hügeligen Streckenlayouts, das ein niedriges Fahrzeuggewicht gerade beim Beschleunigen in Bergauf-Passagen belohnt, gibt es für Audi - ebenso wie für die mit beständigem Gewichtsrabatt versehenen Jahres- und Gebrauchtwagen beider Marken - dennoch keinen Grund zur Klage...

Mercedes

Ebenso wie in der vergangenen Saison darf der - für die Stuttgarter beinahe schon traditionelle - Gewichtsnachteil auch weiterhin in keiner Prognose der Fahrer und Verantwortlichen fehlen. "Es gibt nur einen Grund, weshalb es nicht leicht sein wird zu gewinnen: Wir fahren immer noch Zusatzgewicht mit uns herum", übernimmt diesmal Mika Häkkinen den kritischen Blick auf die Waage. Anlass zur Panik besteht jedoch auch bei Mercedes nicht:

Bei Mercedes zeigt man sich vom Gewichtsnachteil unbeeindruckt, Foto: DTM
Bei Mercedes zeigt man sich vom Gewichtsnachteil unbeeindruckt, Foto: DTM

Die aktuelle Mercedes C-Klasse präsentiert sich bislang als Allrounder der DTM, dem zudem weiterhin die Mannschaftsleistung der Mercedes-Piloten zu Gute kommen könnte: Jene präsentierte sich bislang auch in dieser Saison überzeugender als die der Ingolstädter Kollegen. Auf der gemeinhin als wenig überholfreundlich eingestuften Strecke sollten auch die taktischen Fähigkeiten der HWA-Truppe Gold wert sein.

"Es wird das härteste Rennen der Saison. In Brands Hatch gibt es keine richtige Gerade, nur Kurven - von daher gibt es auch keine Erholungsphasen", blickt Meisterschaftsanwärter Bernd Schneider dem vierten Saisonlauf mit Skepsis entgegen. Das England-Comeback der DTM verspricht ein spannungsgeladenes und möglicherweise durchaus chaotisches Rennen - das Schneider angesichts seines unübertroffenen Erfahrungsschatzes besonders souverän überstehen könnte...