"Nachdem ich bester Jahreswagenfahrer war, hatte ich schon gehofft, dieses Jahr wieder in einem neuen Auto zu sitzen", blickt Christian Abt etwas wehmütig auf die Chancen des vergangenen Jahres zurück. Nach einem recht desaströsen Jahr 2004 im Audi-Neuwagen schien die Degradierung in einen Audi-Jahreswagen des Joest-Teams wahre Wunder zu wirken: Wieder und wieder tauchte der Allgäuer in seinem anthrazitfarbenen Audi A4 in vorderen Gefilden auf, wusste sich bereits beim Saisonauftakt in Hockenheim in Form eines vierten Platzes gekonnt in Szene zu setzen und erlebte auf dem Norisring mit der Eroberung des Podests den Höhepunkt seines zweiten Frühlings.

Wenngleich der Ingolstädter Jahreswagen dem Stuttgarter Pendant im vergangenen Jahr überlegen schien und so bereits hinsichtlich der technischen Voraussetzungen regelmäßiger Punkteanwärter war - den Ergebnissen Christian Abts wusste niemand der restlichen drei Audi-Vorjahreswagenpiloten etwas entgegenzusetzen. Während der renommierte Langstreckenpilot Rinaldo Capello in seinem Debütjahr zur tragischen DTM-Figur geriet, hatten auch die DTM-Neulinge Pierre Kaffer und Frank Stippler mit ihrem Erfahrungsrückstand zu kämpfen - nur unregelmäßig gelangten die beiden Rheinländer in Punktenähe.

Pierre Kaffer hat zu Christian Abt aufgeschlossen, Foto: DTM
Pierre Kaffer hat zu Christian Abt aufgeschlossen, Foto: DTM

Als unangefochtenes Zugpferd des Ingolstädter Jahreswagenquartetts wurde dem hinter Bernd Schneider dienstältesten DTM-Piloten so beinahe zwangsläufig die Rolle des Lehrmeisters - insbesondere für seinen direkten Teamkollegen Kaffer - zuteil. Schien es in der zweiten Saisonhälfte 2005 so, als stagnierte die Lernphase des Eifelers, so hat der ehemalige "Fahrschüler" in dieser Saison zu seinem Lehrmeister Abt aufgeschlossen. Immer seltener gelingt es Abt, sich fahrerisch von Kaffer abzusetzen - Lehrer und Schüler sind auf einem Niveau angekommen.

"Dadurch, dass die Leistungsdichte so knapp beieinander liegt, zählt auch die Erfahrung des Fahrers viel", konstatiert Kaffer und zieht einen Vergleich zwischen Kräfteverhältnissen des vergangenen und des aktuellen Jahre: "Letztes Jahr war Christian uns durch seine Erfahrung immer einen Schritt voraus; dieses Jahr merke ich, dass ich durch meine persönliche Entwicklung näher herangekommen bin, dass wir in etwa gleich sind. Mal fährt Christian ein bisschen schneller, mal fahre ich ein bisschen schneller."

In der Lausitz vereitelte ein fehler-hafter Stopp eine Zielankunft Abts, Foto: Audi
In der Lausitz vereitelte ein fehler-hafter Stopp eine Zielankunft Abts, Foto: Audi

Zur Tatsache, dass Kaffer und Abt im Qualifying nunmehr vergleichbare Leistungen erbringen, kommt für den Allgäuer das Rennpech hinzu - einem 17. Platz in Oschersleben stehen zwei unverschuldete Ausfälle in Hockenheim und Klettwitz gegenüber. Der Glanz des vergangenen Jahres verblasst, ohne dass Abt Einfluss nehmen könnte, tragen doch auch die durchscheinende Unterlegenheit des aktuellen Audi-Jahreswagen verglichen mit dem Mercedes-Pendant ebenso wenig zur Chance auf Überraschungserfolge bei wie der Wechsel Kaffers und Abts vom aus der DTM geschiedenen Team Joest zur früheren Opel-Mannschaft Phoenix.

"Es ist besser, wenn man zwei Jahre mit der gleichen Mannschaft arbeitet. In der DTM ist alles kompakt. Mit zwei Zehntel mehr, landet man schnell fünf, sechs Plätze weiter vorne. Und das erreicht man, wenn man das Team gut kennt", muss Christian Abt eingestehen - und erkennen, dass selbst gestandene DTM-Lehrmeister bei der Einarbeitung in ein neues Team rasch auch zu Schülern werden können...