Ein vom Beginn der vergangenen Saison gewohntes Bild: Die Mercedes-Piloten drehen ungefährdet ihre Runden, verbuchen Bestzeit für Bestzeit und stehen am Ende souverän ganz oben auf den Zeitenlisten. Vier von vier Testtagen in Vallelunga gehen an Mercedes; Bernd Schneider, Jamie Green und Bruno Spengler dürfen sich der drei schnellsten Zeiten des Tests rühmen.

Was sich auf den ersten Blick wie eine eindeutige Prophezeiung für die neue Saison liest, ist vielmehr ein Orakel - weisen Orakel doch seit der Antike die auch für neugierige DTM-Beobachter unangenehme Angewohnheit auf, die in ihm enthaltenen Vorhersagen in Form eines kaum zu entschlüsselnden Rätsels darzustellen...

Das Kräfteorakel

Der italienischen Stätte des Orakels war anfangs zur noch effektiveren Verschlüsselung des Geschehens Neptun, seines Zeichens römischer Gott des Wassers, zur Seite gesprungen: Der erste Testtag präsentierte sich von seiner feuchtesten Seite. Die wechselnden Streckenverhältnisse sorgten für eine fünfsekündige Differenz zwischen dem Tagesschnellsten Mika Häkkinen und dem Schlusslicht, Vanina Ickx.

Mika Häkkinen sicherte sich am verregneten Tag 1 die Bestzeit, Foto: DTM
Mika Häkkinen sicherte sich am verregneten Tag 1 die Bestzeit, Foto: DTM

Zwar wäre es durchaus nicht überraschend, sollte Mercedes den insbesondere zu Saisonende sichtbaren Regenvorteil angesichts der reglementarisch diktierten technischen Verwandtschaft der aktuellen und einjährigen Fahrzeuge in die neue Saison gerettet haben. Für ein Lüften des Rätsels des ersten Testtags wäre allerdings selbst diese These zu gewagt...

Beim sonnigen zweiten Testtag rückten die Zeiten erwartungsgemäß wieder näher zusammen. Nach den für die Teams durchaus interessanten Regentests galt es nun, das eigentliche Testprogramm abzuspulen. So konnten sich insbesondere die Mechaniker der Neufahrzeuge nicht über mangelnde Beschäftigung beklagen, war doch gerade bei ihnen das Austesten unterschiedlichster Abstimmungen erforderlich.

"Wir haben viele verschiedene Set-ups ausprobiert - einige waren gut, andere weniger gut", konstatierte Tom Kristensen. Während die "weniger guten" Set-ups den Dänen nicht davon abhielten, sich auf Rang drei zu platzieren, gingen die beiden Bestzeiten an die Sternfahrer Bruno Spengler und Mika Häkkinen, der sich erwartungsgemäß bei einem "positiven Test" freuen durfte, "mit unserer Entwicklungsarbeit sehr gut zurechtgekommen" zu sein.

An jener Rangfolge änderte auch die Fahrerrotation bei Mercedes nichts. So hatten Häkkinen und Spengler mit Bernd Schneider und Jamie Green würdige Nachfolger gefunden, die sich an den verbleibenden beiden Testtagen die Spitzenzeiten sicherten. Tom Kristensen, diesmal Zweitschnellster, gab sich angriffslustig: "Unser Testträger wurde vom Gefühl her immer besser. Ich hoffe, dass wir das gelernte umsetzen können, um die Konkurrenz mit schnellen Rundenzeiten zu schocken."

Mattias Ekström hilft beim Austüfteln neuer Abstimmungen, Foto: Audi
Mattias Ekström hilft beim Austüfteln neuer Abstimmungen, Foto: Audi

Die kleinen Schocks wurden allerdings auch am vierten Testtag bestenfalls von kleineren Ausritten verursacht, die diesmal dem Debütanten Mathias Lauda und Heinz-Harald Frentzen unterliefen. Schockierte Fahrer- und Ingenieursgesichter durch technische Probleme traten während des gesamten Tests auch bei den Neuwagen nur sehr vereinzelt auf.

In der Endabrechnung der je Fahrer besten Zeit des gesamten Tests eroberten alle Neuwagenfahrer mit Ausnahme Martin Tomczyks geschlossen die Spitze - durchaus ein Anzeichen für einen gewissen Reifegrad der 06er-Generation, stand bei den Gebrauchtwagen doch weniger das Testen und Verschleiern vollkommen neuer Set-ups sondern vielmehr das Herantasten der oftmals neuen Piloten ans fahrerische Limit im Vordergrund.

Während Spötter die Bestzeiten der Stuttgarter angesichts der im vergangenen Jahr bei den ersten ITR-Tests in Mugello Bestzeit um Bestzeit einfahrenden, bei den Debütrennen jedoch erschreckend schwachen Opel Vectra als böses Omen sehen könnten, weiß Bernd Schneider das Orakel von Vallelunga realistisch einzuordnen: "Ob das Testergebnis für Hockenheim Ausschlag gebend ist, will ich mal dahinstellen..."

Das Debütantenorakel

Während sich um die Bestzeiten DTM-erfahrene Routiniers rangelten, gaben vier DTM- und zwei Markenneulinge ihr Debüt in Vallelunga. Mit besonderem Interesse wurden dabei die Vorstellungen der Damen verfolgt, die in ihren 2004er-Boliden zudem zu den fleißigsten Piloten der Tests zählten.

Das Damenduell entschied Susie Stoddart für sich, Foto: DTM
Das Damenduell entschied Susie Stoddart für sich, Foto: DTM

Das dameninterne Duell ging dabei Tag für Tag an Susie Stoddart, die sich mit der Mücke-Mannschaft einer erfahreneren Betreuung erfreuen durfte als Vanina Ickx im neuen Midland-Team. Dass sie nur am dritten Testtag nicht das Schlusslicht darstellte, hält die Belgierin nicht von einem positiven Fazit ab: "Der Audi A4 DTM hat mich sehr beeindruckt. Ich habe bei meinem ersten Test viel gelernt und durfte meine Runden sogar mit denen von Mattias Ekström vergleichen..."

Während Daniel La Rosa im 2005er-Mercedes und Mathias Lauda im 2004er-Benz mit den Gesamtrangen neun und 13 eine durchaus gute Figur machten, durften Timo Scheider und Heinz-Harald Frentzen erstmals ihre neuen Audi begutachten. "Im Audi A4 DTM habe ich mich auf Anhieb wohl gefühlt. Ich konnte das Auto relativ schnell im Grenzbereich spüren", berichtete Scheider über seinen Jahreswagen.

Auch Heinz-Harald Frentzen äußerte sich zufrieden und durfte seinen neuen A4 als Kontrastprogramm zum 05er-Opel der ersten Saisonhälfte erleben: "Das Auto fährt sich sehr präzise und reagiert sehr gut auf Veränderungen. Das Handling ist von der Basis her sehr gut." So dürfte wenigstens das persönliche Orakel des Mönchengladbachers leicht zu entschlüsseln sein...