Was die Jahre 1993 und 2006 gemeinsam haben? In diesen Tagen mag sich der Gedanke aufdrängen, dass das deutsche Kanzleramt in beiden Jahren in Unionshand war bzw. sein wird. Doch auch abseits der Politik findet der aufmerksame Beobachter des Tourenwagensports eine Gemeinsamkeit: Sowohl 1993 als auch 2006 sind für die DTM Übergangsjahre - mit nur zwei werksseitig engagierten Herstellern. So wird das Jahr 1993 seitens der Verantwortlichen immer wieder gern als Beispiel für das mögliche Gelingen eines solchen Übergangsjahres zitiert. Berechtigterweise?

Aus eins mach zwei

So faszinierend der Motorsport der DTM-Jahre 1984 bis 1992 auch gewesen sein mochte. Die wiederholten Diskussionen und Streitigkeiten um die Vergleichbarkeit der beteiligten Fahrzeuge stellten eine Schattenseite dar. Oberklasselimousine gegen Kompaktklassefahrzeug, Allradantrieb gegen Heckantrieb, Turbomotoren gegen herkömmliche Saugmotoren - selbst ein regulierendes Gewichtsreglement konnte dies nicht immer miteinander vereinbaren.

Nach 1992 wurde BMW bis heute nicht mehr in der DTM gesichtet... , Foto: Sutton
Nach 1992 wurde BMW bis heute nicht mehr in der DTM gesichtet... , Foto: Sutton

So sehnte man sich nach einem engeren Technischen Reglement, das dem Grundkonzept der Fahrzeuge einen verbindlichen Rahmen zu geben vermochte. Während das ursprüngliche Tourenwagen-Reglement unter dem Namen "Klasse 2" fortbestand und in anderen Serien zum Einsatz kam, wurde von Seiten der ITR das so sogenannte Klasse-1-Reglement, das unter anderem auf der Antriebsseite einen V6-Motor mit 2,5 Litern Hubraum vorschrieb, auserkoren - ein Konzept, das zunächst im Groben von den beteiligten Herstellern Audi, BMW, Mercedes und Opel mitgetragen worden war.

Aus vier mach zwei

Nach dem Eklat um den allzu übermächtigen und noch während der Saison 1992 zurückgezogenen Audi V8 quattro verzichteten die Ingolstädter allerdings auch 1993 auf eine Teilnahme an der DTM, BMW bestand derweil auf den Einsatz eines Reihensechszylinders - und zog sich schließlich ebenfalls zurück. In Rüsselsheim zeigte man sich zunächst verunsichert und verschob die Einführung des neuen Calibra vorerst auf unbestimmte Zeit. Stattdessen trat Alfa Romeo mit der Ankündigung des DTM-Einstiegs als "Retter" der DTM hervor. Die DTM sollte 1993 mit nur zwei werksseitig engagierten Herstellern an den Start gehen...

Bei Mercedes reichte es nur zu einem überarbeiteten 92er-Modell, Foto: Sutton
Bei Mercedes reichte es nur zu einem überarbeiteten 92er-Modell, Foto: Sutton

So war es ebenso wie heute Mercedes, wo man sich fest zur DTM bekannte - ungünstigen Bedingungen zum Trotz: Der Einsatz der neuen C-Klasse auf Basis des Klasse-1-Reglements musste verschoben werden; stattdessen kam ein entsprechend modifizierter Mercedes 190 des Vorjahres zum Einsatz. Derweil witterte Alfa Romeo seine Chance: Mit dem neuen Alfa Romeo 155 V6 Ti gingen die Italiener optimal vorbereitet in ihre erste DTM-Saison; eine Saison, die zudem über das Fortbestehen der DTM entscheiden sollte.

Die Klasse-1-DTM bestand die Feuerprobe: Nur zweien werksseitig engagierten Herstellern zum Trotz strömten die Fans in ähnlichem Maße wie 1992 an die Strecken und erlebten ein italienisch-deutsches Duell der Spitzenklasse. Nachdem der Alfa 155 mit Nicola Larini am Steuer die beiden Debütrennen souverän gewonnen hatte, stellte sich Larini auch in der weiteren Saison als Speerspitze im Hause Alfa heraus. Schließlich durfte sich Larini als DTM-Meister der Saison 1993 feiern lassen...

Alfa Romeo feierte 1993 seine größten DTM-Erfolge, Foto: Sutton
Alfa Romeo feierte 1993 seine größten DTM-Erfolge, Foto: Sutton

Dabei war die Konkurrenz weitaus stärker als angenommen: Mit Roland Asch, Bernd Schneider und Klaus Ludwig stellten die Stuttgarter gleich drei Piloten, die im betagten 190er-Mercedes mehr als nur Achtungserfolge feierten. Das deutsche Trio fuhr insgesamt sieben Siege ein und landete auf den Meisterschaftsplätzen zwei bis vier; auch der dänische Altmeister Kurt Thiim wusste die Alfa Romeo in Wunstorf zu bezwingen. Erst beim Finalrennen in Hockenheim war die traute Zweisamkeit von Alfa Romeo und Mercedes Vergangenheit - das italienisch-deutsche Duo hatte die DTM sicher durch eine schwierige Phase manövriert.

Zwei ungleich zwei?

So wurde in Hockenheim erstmals der neue Opel Calibra beim Renneinsatz gesichtet - nach anfänglichen Unsicherheiten hatte sich Opel wieder für die DTM entschieden und sammelte mit dem neuen Klasse-1-Coupé erste Rennerfahrungen für die kommende Saison. Während es eher unwahrscheinlich erscheint, dass das DTM-Feld bereits beim Finalrennen 2006 um einen neuen Hersteller bereichert wird, wies die 1993 eine weiteren Unterschied zum kommenden Jahr auf: Mit einigen BMW M3 der neuen Generation, betagten Opel Omega, hoffnungslos hinterfahrenden Opel Astra sowie zwei nur optisch spektakulären Ford Mustang durfte sich die DTM eines kleinen Feldes an Privatiers erfreuen - die allerdings meist unter ferner liefen ihre Runden drehten.

2006 erwartet die DTM erneut ein Duell, Foto: Sutton
2006 erwartet die DTM erneut ein Duell, Foto: Sutton

Nicht nur auf Grund der Tatsache, dass das Kanzleramt anders als 1993 nicht mehr am Rhein, sondern an der Spree liegt, sind die Jahre 1993 und 2006 zwar somit nicht direkt vergleichbar - ob die Privatfahrzeuge die Attraktivität der DTM 1993 allerdings wesentlich erhöhten, ist fraglich. Für den Fortbestand der DTM bedurfte es 1993 sowohl der Begeisterung der Fans sowie der Aussicht auf einen weiteren Hersteller, der sich damals im Laufe der Saison in Form der Rüsselsheimer ankündigte. Mit ersterem werden die Fans wohl auch im kommenden Jahr dazu beitragen, eine schwierige Übergangsphase der DTM zu überwinden - letzteres könnte sich erneut im Laufe der Saison immer deutlicher ankündigen und käme möglichweise aus Fernost...