Weder machte die DTM ihren Fans beim Saisonfinale in Hockenheim den Abschied einfach noch gab es in Hockenheim einen einfachen Abschied - vielmehr galt es, vielfach und und in unterschiedlichster Form Abschied zu nehmen...

Tschüs, Herr Fahrlehrer?

Des Eindrucks, dass so manchem DTM-Pilot der oben zitierte Abschiedsgruß zu früh über die Lippen kam, konnte sich der Beobachter kaum erwehren: Das in der Fahrschule mit meist kleineren Fahrzeugen, jedoch weitaus engeren Parklücken eingeübte und zudem prüfungsrelevante Einparken misslang den Berufsautofahrern deutlich. So kamen die DTM-Zuschauer in den zweifelhaften Genuss eines bestenfalls amüsanten Bildes, das nach der Einführungsrunde mehrere, deutlich außerhalb ihrer Startbox zur Mitte hin versetzte Fahrzeuge zeigte.

Stippler begeisterte mit Platz 5 mehr als mit seinen Einparkkünsten, Foto: Sutton
Stippler begeisterte mit Platz 5 mehr als mit seinen Einparkkünsten, Foto: Sutton

Obgleich Mercedes-Sportchef Norbert Haug, wohl insbesondere auf Frank Stippler schielend, lieber die Bestrafung der betroffenen Piloten gesehen hätte und die Frage, ob sich so mancher Pilot durch vermeintlich fehlende Einparkkünste einen Vorteil verschaffen wollte, durchaus nicht ganz unberechtigt erscheint, entschied die Rennleitung angemessen, indem sie einen Neustart inklusive Einführungsrunde verordnete. Ganz perfekt wollte das Einparken indes auch beim zweiten Versuch nicht klappen...

Servus, Artikel S 43!

Auf der Suche nach einer Reglementslücke, die seinem Schützling Mattias Ekström von Startplatz 15 aus noch zum Sieg verhelfen könnte, war Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich im Sportlichen Reglement, Artikel S 43, fündig geworden. Daher war sich der Österreicher sich sicher: "Das Risiko, Mattias Ekström einen Doppelstopp machen zu lassen, mussten wir eingehen." Begeistert vom Lückenfund wurde das Experiment gestartet: So wurden beim ullrichschen Doppelstopp zunächst ein erstes Mal die Räder gewechselt, bevor Mattias Ekström einige Zentimeter nach vorne fuhr, nochmals Halt machte und ein weiteres Mal die Reifen gewechselt wurden - Forderung des Reglements erfüllt: "Maßgebend für den Beginn des Pflichtboxenstopps ist der Moment, in dem das Fahrzeuge vor der ihm zugeordneten Box zum Stillstand kommt." Von der Pflicht, zwischen den beiden Boxenstopps mindestens eine Rennrunde zu absolvieren, ist dagegen nichts zu lesen…

Überraschung vor der Audi-Box..., Foto: Sutton
Überraschung vor der Audi-Box..., Foto: Sutton

Zwar dürfte das taktische Wagnis der Audi-Mannschaft, die Ekström allerdings auch auf diese Weise nicht aus den Tiefen des Mittelfelds befreien konnte, in den Kreisen der Rennleitung übel aufgestoßen sein - zu bestrafen war es jedoch nicht. So verdient die Einsicht der Rennleitung, die am Ende gegen Ekström verhängte Disqualifikation aufzuheben, ebenso Zustimmung wie der Cleverness bei Audi Respekt gebührt... Dennoch bleibt zu vermuten, dass Dr. Ullrich auf Regellückensuche künftig nicht mehr im Artikel S 43 fündig wird: Dem aktuellen Artikel S 43 wird man wohl ein österreichisches "Servus" sagen, Abschied von ihm nehmen, und ihn zum nächsten Jahr durch einen neuen, überarbeiteten Artikel ersetzen...

Auf Wiedersehen, Opel!

Ein letztes Mal vor dem Abschied nahm man bei Opel Anlauf, einen Podestplatz zu erringen - ein letztes Mal scheiterte man. Nachdem das Wochenende für die Rüsselsheimer mit den Bestzeiten Laurent Aiellos und Heinz-Harald Frentzens beim ersten Freitagstest positiv begonnen hatte und Frentzen in der Super Pole denkbar knapp an Startplatz drei gescheitert war, schienen die Chancen auf den gewünschten Abschiedserfolg nicht nur theoretischer Natur zu sein. Doch bereits nach dem Positionsverlust Frentzens beim Start schien jenes Ziel in weite Ferne zu rücken. Während ein misslungener Boxenstopp beim Mönchengladbacher sein Übriges tat, Laurent Aiello nach dem fehlgeschlagenen Trockenreifenexperiment in der Super Pole im Mittelfeld feststeckte und Manuel Reuter mit einer missglückten Boxenstoppstrategie zu kämpfen hatte, hieß es von Opel-Sportchef Volker Strycek wieder einmal: "Natürlich ist das nicht das Ergebnis, was wir uns erhofft hatten."

Aiello und Frentzen gingen leer aus, Foto: Sutton
Aiello und Frentzen gingen leer aus, Foto: Sutton

Überschattet wurde das nicht erhoffte Ergebnis von einem schweren seitlichen Einschlag Heinz-Harald Frentzens in die Reifenstapel ausgangs des Motodroms - die anschließenden Untersuchungen ergaben schließlich glücklicherweise nur den Befund einer leichten Gehirnerschütterung. So war es Marcel Fässler, nach dem Start zurückgefallen auf Rang zwölf, der mit Platz sechs das einzige zählbare Resultat für die Rüsselsheimer einfuhr. Der Schweizer stellte das vorhandene Potenzial des Vectra GTS V8 heraus, auf Grund dessen man sich sowohl im Nassen als auch bei abgetrockneter Fahrbahn vor keinem Gegner zu verstecken brauchte - vom Mercedes-Trio, das in Hockenheim das Podest eroberte, einmal abgesehen. So fällt der Abschied von Opel schwer und lässt auf ein Wiedersehen in nicht allzu ferner Zukunft hoffen. Volker Strycek fand passende Worte des Abschieds: "Wir sind stolz, dabei gewesen zu sein. Danke an die Fahrer, die nie aufgegeben haben. Danke an die Fans, die sicherlich die Außergewöhnlichsten sind."

Hej då, Titelverteidigung!

Ebenfalls einen Abschied zu verzeichnen hatte Mattias Ekström: Ein schwedisches "Hej då!" durfte er spätestens in Hockenheim zum Projekt Titelverteidigung sagen. Nach dem katastrophalen Istanbul-Ergebnis übte sich der Schwede zwar noch in Kampfansagen - allerdings kam er noch nicht einmal in die Nähe des gewünschten Sieges. Eine misslungene Abstimmung beim Qualifying sowie eine angesichts der abtrocknenden Strecke wenig hilfreiche Regenabstimmung für die Dämpfer, für die man sich noch kurz vor dem Start entschieden hatte, standen der Titelverteidigung ebenso im Wege wie die eigentliche Performance des Audi A4 DTM: Sie zeigte sich insgesamt nicht auf einer Augenhöhe mit der der Mercedes C-Klasse. Angesichts des Experiments "Doppelstopps" gilt somit: Viel riskiert, wenig verloren.

Paffett bewarb sich erfolgreich um die Ekström-Nachfolge, Foto: Sutton
Paffett bewarb sich erfolgreich um die Ekström-Nachfolge, Foto: Sutton

In Gary Paffett hat der langjährige Abt-Pilot einen würdigen Nachfolger gefunden. Zwar vermochte dieser im Qualifying angesichts eines sechsten Startplatzes nicht in gewohnter Form zu brillieren, auch das rundenlange Festhängen hinter Frank Stippler im Vorjahres-Audi stellte keine Sternstunde dar, darf aber durch den Faktor der so genannten "Rennintelligenz" erklärt werden: Angesichts eines zum Titelgewinn ausreichenden achten Platzes brauchte sich der Brite auf Platz fünf liegend zu keinem unüberlegten Manöver hinreißen zu lassen - und er behielt die Nerven. Als in der Endphase des Rennens die Ekström-Pleite endgültig offensichtlich wurde, zeigte sich Paffett wieder angriffslustiger und eroberte von Audi-Pilot Tom Kristensen noch Platz drei. Ein würdiger Abschluss einer fairen und beständigen Saisonleistung von hoher Güte.

Ein würdiger Saisonabschied

So erlebte die DTM-Welt einen würdiges Finale 2005, während dessen es weder an Kuriositäten noch an mitreißendem Motorsport mangelte: Zwar wollte im Kampf um den Rennsieg sowie die Meisterschaft keine rechte Spannung mehr aufkommen, doch boten sich dem Betrachter insbesondere im Mittelfeld eine Vielzahl an packenden Kämpfen, die, abgesehen von einem seitens der Rennleitung mit einer Durchfahrtsstrafe geahndeten Manöver von Mücke-Pilot Alexandros Margaritis gegen Christian Abt, allesamt im Rahmen des sportlich Vertretbaren vonstatten gingen.

Bernd Schneider gelang ein versöhnlicher Saisonabschluss, Foto: Sutton
Bernd Schneider gelang ein versöhnlicher Saisonabschluss, Foto: Sutton

Schließlich war es Altmeister Bernd Schneider, der mit Ausnahme eines Missgeschicks im Kampf gegen Mika Häkkinen sein Potenzial wie bereits im letzten Jahr am Ende einer für ihn enttäuschenden Saison nochmals aufblitzen ließ: Nach einem perfekten Start fuhr der Saarländer einen zu jedem Zeitpunkt ungefährdeten Sieg ein und trug so zum Gewinn der Markenmeisterschaft mit Mercedes bei; vor den Augen der Hockenheim-Besucher, die ihrerseits einen neuen Zuschauerrekord aufgestellt hatten.
Die DTM verabschiedet sich in die wohl verdiente Winterpause - in der gewiss auch genug Gelegenheit besteht, individuellen Schwierigkeiten beim Einparken mit ein paar Übungseinheiten Adieu zu sagen...