Ein Zuschauerrekord jagt den nächsten, Beliebtheit und Bekanntheit der Serie sind in Deutschland auf hohem Niveau, in der neuen DTM steht das erste Finale mit offenem Meisterschaftsausgang zwischen Titelkontrahenten zweier verschiedener Marken steht ins Haus - und dennoch ist die Lage der DTM angespannt: Nach dem Opel-Ausstieg befindet man sich auf der verzweifelten Suche nach einem neuen Hersteller. "Ich glaube, dass es mit nur zwei Hestellern auf Dauer keine DTM gibt", bekannte ITR-Vorsitzender Hans Werner Aufrecht gegenüber ADAC motorwelt offen und ehrlich.

Umso angestrengter die Pläne, welche die Attraktivität der DTM für weitere Hersteller und somit den Fortbestand der Serie sichern sollen. Neben der sich nun abzeichnenden Europäisierung hatte man bereits im August ein neues, Kosten sparendes Reglement für 2006 vorgestellt, das - weiter modifiziert - mittelfristig die eine oder andere Marke zum DTM-Einstieg bewegen soll...

(1) DTM goes Europe

Die DTM-Saison 2006 wird ganz im Zeichen einer Europa-Tournee stehen: Erleichtert um die Marke Opel müssen die beiden deutschen Vorzeigemarken Audi und Mercedes zu zweit die Fahnen der DTM hochhalten - und sollen so auf Europa-Reise nicht nur neue Fans, sondern auch den lang ersehnten neuen Hersteller anlocken. Hinter der Europäisierung steckt einiges Kalkül, das dem der Konkurrenz von außen betrachtet nicht ganz unähnlich erscheint...

Ein WTCC-Chevrolet löst indirekt den DTM-Opel ab, Foto: xpb.cc
Ein WTCC-Chevrolet löst indirekt den DTM-Opel ab, Foto: xpb.cc

Bereits zur Saison 2005 hatte die Tourenwagen-EM ihre Grenzen geöffnet und wurde zur Tourenwagenweltmeisterschaft WTCC - durchaus mit Erfolg. Zwar halten sich die Zuschauerzahlen an der Rennstrecke nach wie vor in Grenzen; dem unerwarteten Zulauf der Hesteller scheint das allerdings keinen Abbruch zu tun: So wird General Motors künftig bekanntlich nicht mehr von Opel in der DTM, sondern stattdessen von Chevrolet in der WTCC präsentiert, um so die Bekanntheit der in Europa noch mäßig erfolgreichen, im unteren Preissegment positionierten Marke Chevrolet mit ihren umgetauften koreanischen Deawoo-Modellen zu erhöhen.

Während auch Honda und Peugeot ihr Engagement ausweiten, trägt der WTCC-Zulauf auch durchaus skurrile Früchte: So plant der russische Automobilhersteller Lada nach jüngsten Meldungen mit seiner Kompaktklasselimousine 2110, einer nicht mehr ganz taufrischen Konstruktion mit so manchem Jahrzehnte alten Fiat-Gen, im nächsten Jahr das Engagement in der Tourenwagenweltmeisterschaft - und stellt sich so unter anderem dem Wettbewerb gegen den neuen BMW 3er...

Das Duell der süddeutschen Rivalen als Übergangslösung, Foto: Sutton
Das Duell der süddeutschen Rivalen als Übergangslösung, Foto: Sutton

Zwar ist stark zu bezweifeln, dass die russische Discount-Marke zur Zielgruppe der ITR gehörte. Dennoch tut man gut daran, die Attraktivität der DTM insbesondere für ausländische Hersteller zu erhöhen, ist doch aus den Reihen der deutschen Hersteller kein Neueinsteiger zu erwarten: Während ein DTM-Passat angesichts der Eigenschaft Volkswagens als Audi-Konzernschwester ausgeschlossen ist und bei BMW sowie Ford zurzeit die Nachfolgemodelle von 3er-Reihe und Focus Einzug in die WTCC erhalten, wäre der Automobil- und Motorsportwelt die Marke Porsche als Hersteller viertüriger Mittelklasselimousinen neu...

"Wir wollen die Europäisierung der DTM", gab ITR-Chef Hans Werner Aufrecht daher zu Protokoll - und erhofft sich wohl neben dem offensichtlichen Vorhaben, mehr europäische Motorsportfans für die DTM zu begeistern, auch den Effekt eines gestiegenen Interesses ausländischer Hersteller, wurde doch die DTM bislang allzu oft als national zu begrenzt angesehen: Mit einer gestiegenen, europaweiten Popularität der Serie ließen sich Erfolge in der DTM nicht nur in Deutschland hervorragend vermarkten - und lassen so eine Investition in einen DTM-Einstieg lohnender werden.

Gastiert die DTM 2006 in Silverstone?, Foto: Sutton
Gastiert die DTM 2006 in Silverstone?, Foto: Sutton

"Ich gehe davon aus, dass der Rennkalender für 2006 deutlich anders aussieht als dieses Jahr", prophezeit Aufrecht, "es ist ganz klar Ziel der Hersteller, mehr ins europäische Ausland zu gehen. Da sind vor allem England, Frankreich, Italien und Spanien im Gespräch." Womit der 66-Jährige nebenbei auch die für die Automobilhersteller - neben Deutschland - wichtigsten europäischen Märkte genannt hat... Während die Ausweitung des DTM-Rennkalenders auf zwölf Rennwochenenden ebenso als gesetzt gilt wie die Rückkehr ins niederländische Zandvoort sowie nach Istanbul, dürfte die DTM höchstwahrscheinlich auch nächstes Jahr im tschechischen Brünn sowie auf der Ardennenachterbahn in Spa-Francorchamps gastieren.

Geht man davon aus, dass maximal die Hälfte der Rennen im Ausland ausgetragen wird, blieben für "England, Frankreich, Italien und Spanien" noch zwei Termine. So ist ein DTM-Gastspiel im britischen Silverstone ebenso wenig auszuschließen wie ein Rennen in Barcelona - oder gar eine Rückkehr auf den in Fahrerreihen wenig populären Kurs im italienischen Adria... Derweil müssen deutsche Stadtrennen, so zum Beispiel das viel diskutierte Stadtrennen in Hamburg, hinten anstehen: "Ein weiteres Stadtrennen sehe ich noch nicht."

Unterdessen ruft die geplante Europäisierung durchaus so manche unrühmliche Erinnerung hervor: Die Internationalisierung, wie sie zunächst in Form der "ITR-Gold-Cup-Rennen" Einzug in die alte DTM erhielt und schließlich in die ITC mündete, verlief im Sande. So mögen die Auslandsreisen der alten DTM/ITC zwar im Nachhinein als falsch erachtet werden; die Ursache des Endes der alten DTM waren allerdings in erster Linie das technische Wettrüsten sowie die Kostenexplosion. Heute stellt die maßvolle Europäisierung auf der Suche nach neuen Herstellen eine Chance dar - die angesichts des neuen Reglements für 2006 nicht an Technik- und Investitionsschlachten scheitern soll...