Waren es nach dem unerwarteten Triumph auf dem EuroSpeedway vor zwei Wochen noch Freudentränen gewesen, die Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich über die Wangen liefen, so dürfte der Grund für eventuelle Tränen diesmal ein anderer gewesen sein: Enttäuschung und Zorn herrschte bei Audi nach einer gänzlich missglückten Vorstellung in Istanbul. Die Gefühlslage der Ingolstädter war mehr als nachvollziehbar: Die Meisterschaftschancen des Audi-Zugpferdes Mattias Ekström sind ein Rennen vor Saisonende auf ein Minimum geschrumpft, die einst so sichere Führung in der Markenwertung ist dahin, die Verteidigung des Titels in der Teamwertung schon heute misslungen.

Bereits nach der ersten Runde hatte die Stimmung bei Audi wohl den absoluten Tiefpunkt der bisherigen Saison erreicht. Zwar konnte sich Mattias Ekström nach einem perfekten Start von Position fünf auf Platz drei vorschieben; dieser verwandelte sich jedoch nur wenig später in einen sechsten Rang: In der letzten Kurve vor Start und Ziel hatte der viertplatzierte Jamie Green einen Angriff auf den Schweden gestartet, setzte sich innen neben Ekström und drängte den Titelverteidiger mit einigem Lackaustausch neben die Curbs. Mika Häkkinen und Jean Alesi durften sich bedanken.

Ein sichtlich verärgerter Dr. Ullrich stellte gegenüber der ARD noch während des Rennens Vermutung über unfaire Absichten Jamie Greens an; später nannte der Österreicher das Manöver des Persson-Greenhorns als Ursache für die signifikant nachlassende Performance des ekströmschen Dienstwagens - denn nach dem Rückfall von Platz drei auf den sechsten Rang war erst das erste Drittel auf dem Weg zur totalen Pleite Mattias Ekström zurückgelegt:

Ein Ausflug des 27-Jährigen neben die Strecke, ein kontinuierlich größer werdender Rückstand zum führenden Mercedes-Quintett, ein abgewürgter Motor beim ersten Boxenstopp, ein nicht minder misslungener zweiter Boxenbesuch gingen einem gnadenlosen Sog in die Tiefen des Hinterfelds voraus: In einem Audi A4 DTM, der mittlerweile pro Runde vier Sekunden auf Gary Paffett verlor, hatte Ekström selbst den Vorjahres-Mercedes des Mücke-Teams nichts entgegenzusetzen und landete schließlich trotz tapferen Kampfes auf Platz zwölf.

Auf Schützenhilfe aus dem Audi-Lager konnte der achtfache DTM-Sieger dabei zu keinem Zeitpunkt bauen: Allan McNish und Martin Tomczyk boten einen recht enttäuschenden Rennspeed dar, aus dem Joest-Quartett wusste nur Frank Stippler, dessen Teamkollegen ihr Rennen neben der Strecke bzw. im Falle Capellos mit einem Elektronikschaden beendeten, zeitweise zu überzeugen. Auch die Tatsache, dass Tom Kristensen im Rennen anders als im Qualifying fehlerfrei blieb und einen guten fünften Platz einfuhr, änderte nichts an einer enttäuschenden Mannschaftsleistung der Audi-Fahrer.

Auch wenn ohne das umstrittene Green-Manöver für Ekström Punkte zweifelsohne möglich gewesen wären: Ob die Performance des A4 unter normalen Umständen für einen Podestplatz gereicht hätte, ist fraglich. Zu dominant erschien die Mercedes C-Klasse, zu sehr blieb der Audi hinter den Vorstellungen der Vergangenheit zurück. Mit dem Umstand einer vollkommen neuen Strecke wussten die Mercedes-Ingenieure offenbar besser umzugehen.

So stehen die Ingolstädter beim letzten Rennen in Hockenheim vor einer kaum lösbar scheinenden Aufgabe. Zur Verteidigung der Fahrermeisterschaft bedürfte es eines Tauschs der Istanbul-Rollen: Zu einem Ekström-Sieg müsste eine vollkommene Pleite auf Seiten Gary Paffetts hinzukommen. Nicht von wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit sind die Chancen zur Verteidigung des Markentitels: Angesichts einer im Vergleich zu den Stuttgartern schlechteren Siegesbilanz bräuchte es ein um 13 Punkte besseren Ergebnisses als bei Mercedes, wo man sich derweil auf das Finalrennen auf dem als Mercedes-Strecke bekannten Hockenheimring freut...