Und wieder zieht es die DTM in den Süden: Nach nicht auf allen Seiten euphorisch aufgenommenen Gastspielen im italienischen Adria, wo der Funke zwischen Fahrer und Strecke nie recht überspringen mochte, sowie im portugiesischen Estoril, wohin sich nur eine mehr als überschaubare Anzahl an Fans verirrte, nimmt die DTM eines ihrer spektakulärsten Gastspiele am geschichtsträchtigsten Austragungsort der DTM-Geschichte in Angriff.

Zur bewegten, nahezu 3000-jährigen Geschichte der europäisch-asiatischen Metropole Istanbul passt der neue 'Speedpark' vorzüglich: So mag auch auf dem ersten türkischen Kurs von internationalem Rang angesichts der Berg-/Tal-Prägung, spektakulärer Kurven sowie der vielseitigen Streckencharakteristik keinerlei Langeweile aufkommen. Insbesondere beim Debüt lädt der 5,338 Kilometer lange Kurs die Teams auf eine abenteuerliche Tour durch den Abstimmungsirrgarten ein und bestraft die Piloten, die den teilweise höchst anspruchsvollen Kurven angesichts weiter Auslaufzonen nicht genügend Respekt entgegenbringen...

Audi

Nach Laurent Aiellos Titel im niederländischen Zandvoort 2002 sowie dem Titelgewinn Mattias Ekströms im tschechischen Brünn bietet sich für Audi erneut die Gelegenheit, den vorzeitigen Titelgewinn fernab deutschen Bodens zu feiern: Bei einem Punkt Vorsprung auf Titelrivalen Gary Paffett bietet sich für Mattias Ekström beim vorletzten Saisonlauf die - wenn auch nur mit begrenzter Wahrscheinlichkeit bedachte - Möglichkeit, die Titelverteidigung an exotischem Orte zu feiern.

Fahrer und Teams erwartet eine hochmoderne Arbeitsumgebung, Foto: Sutton
Fahrer und Teams erwartet eine hochmoderne Arbeitsumgebung, Foto: Sutton

So vermutet auch Audi-Sportchef Dr. Wolfgang die Titelentscheidung eher im vertrauten Hockenheim, impliziert allerdings durchaus die Hoffnung auf eine konkurrenzfähige A4-Flotte: "Ich bin überzeugt, dass die beiden Jungs, die um die Meisterschaft kämpfen, auch dort wieder untereinander ausfahren müssen, wer ein Pünktchen weiter vorne oder weiter hinten ist." Dem für Audi erfreulichen, vergleichsweise hohen Anteil an kurvigen Streckenabschnitten stehen allerdings auch schnelle Streckenteile gegenüber, an deren Ende akute Überholgefahr durch die topspeedstärkeren Mercedes bestehen könnte.

Dessen ist sich auch Mattias Ekström bewusst: "Es gibt offenbar sehr schnelle, aber auch langsamere Passagen. Unser Audi A4 wird auch dort konkurrenzfähig sein." Nimmt man Spa-Francorchamps, wo sich die Abt-Mannschaft erstmals in der Saison siegfähig präsentierte, hinsichtlich der Streckencharakteristik als Referenz, so dürfte sich Audi in Istanbul erneut auf einer Augenhöhe mit der Stuttgarter Konkurrenz befinden.

Mercedes

Obgleich Mercedes-Sportchef Norbert Haug bereits für einen Datentransfer zwischen McLaren-Mercedes, wo man bereits in August die türkische Formel-1-Premiere bestritt, sowie der H.W.A.-Truppe gesorgt haben dürfte, steht auch Mercedes vor der noch offenen Frage, wie sich die C-Klasse auf türkischem Terrain präsentieren wird.

Gary Paffett gedenkt den vorzeitigen Ekström-Titel zu verhindern, Foto: Sutton
Gary Paffett gedenkt den vorzeitigen Ekström-Titel zu verhindern, Foto: Sutton

"Da unser Auto in dieser Saison bisher auf allen Strecken sehr stark war, bin ich zuversichtlich, auch in der Türkei eine gute Siegchance zu haben", weist Titelanwärter Gary Paffett zurecht auf die - anders als im letzten Jahr - beständig gute Performance der Mercedes C-Klasse hin. Die belgischen Gene des türkischen Kurses stimmen auch Mika Häkkinen, zuletzt nur in begrenztem Maße erfolgreich, zuversichtlich: "Die neue Strecke ist eine anspruchsvolle Berg- und Talbahn, ähnlich wie Spa. Ich mag solche Kurse, wie ich mit meinem Sieg dort gezeigt habe."

Während an den Qualifying- und Taktik-Qualitäten der Stuttgarter nach wie vor kein Zweifel bestehen dürfte und Hauptgegner Audi gleichermaßen mit dem Nachteil des maximalen Gewichtshandicap zu kämpfen hat, stellt sich insbesondere die Frage nach der Abstimmung: Angesichts einer 655 Meter langen Start-/Ziel-Geraden sowie der anhaltenden Erfolgslosigkeit der EuroSpeedway-Überholversuche Gary Paffetts gegen Ekström dürfte Mercedes leicht in Versuchung geraten, die Topspeed-Vorteile der C-Klasse mit einem entsprechenden Set-up noch stärker zu akzentuieren - was allerdings gerade auf anspruchsvollen Kurven wie der "Turn 8" zum Hindernis werden könnte.

Opel

In Anbetracht des zweitletzten werksunterstützten Rennens der Rüsselsheimer bietet sich für Opel nur diese eine Gelegenheit, bei den türkischen Zuschauern einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die Erfolgschancen dieses Vorhabens sind nach den Vorstellungen der letzten beiden Saisonläufe allerdings nicht zu unterschätzen.

Lernt Opel aus Taktiksünden der Vergangenheit?, Foto: Sutton
Lernt Opel aus Taktiksünden der Vergangenheit?, Foto: Sutton

Wäre eine vollkommen unbekannte Strecke für Opel angesichts des damals bei Abstimmung und Handling sehr launischen Vectra GTS im Frühjahr noch einem Horrorszenario nahe gekommen, so dürfen sich nun auch die Opel-Piloten eines geschmeidig um die Kurven gleitenden und auf Set-up-Änderungen logisch reagierenden Fahrzeugs erfreuen. Hinzu kommt erneut das Minimalgewicht von 1.030 Kilogramm, das insbesondere auf der langen und hügeligen Strecke in Istanbul von großem Vorteil ist.

Und während Opel auch die lange bestehende Qualifying-Schwäche abgelegt zu haben scheint, steht hinter einem überzeugenden Istanbul-Ergebnis insbesondere das Strategie-Fragezeichen: Nach Pleiten in Zandvoort und Klettwitz haben die Opel-Strategen ihr Können nun im früheren Konstantinopel zu beweisen...