Ostdeutsche Provinz statt französischer Provence, ein Déjà-vu mit dem EuroSpeedway Lausitz statt eines Kennenlernes mit Avignon. Dass das ursprünglich angedachte Stadtrennen im Süden Frankreichs, das dem französischen Verbot von Stadtrennen zum Opfer fiel, durch ein zweites Rennen auf dem EuroSpeedway ersetzt wurde, stieß nicht überall auf euphorische Reaktionen - insbesondere seit der Plan, den seit 2003 nach zahlreichen Unfällen aus dem DTM-Repertoire gestrichenen Turn 1 mit seiner markanten Highspeedkurve beim zweiten Lausitz-Lauf zum Einsatz kommen zu lassen, verworfen wurde. Und so wird der neunte Saisonlauf ebenso auf der Kurzversion Grand-Prix-Strecke ausgetragen wie der zweite.

Diese misst nach wie vor 3,410 Kilometer, ein weiteres Mal steht das Kotrastprogramm aus Highspeed-Elementen und winkligem Infield an, auch viereinhalb Monate nach dem letzten Besuch ist der EuroSpeedway der modernste Kurs Deutschlands. Langeweile sollte allerdings ausgeschlossen sein, bietet sich doch beim Déjà-vu mit der Lausitz die durchaus reizvolle Möglichkeit, das aktuelle Kräfteverhältnis zum Ende der Saison mit denen des Saisonbeginns direkt zu vergleichen: Kann Mercedes noch so dominieren wie am Anfang der Saison? Wie groß waren die Fortschritte, die Audi und Opel bescheinigt wurden, tatsächlich?

Audi

Nur mit gedämpfter Euphorie erinnert man sich bei Audi des ersten Besuchs in der Lausitz: Obgleich man in keinem Bereich spezifische Schwachpunkte am neuen A4 DTM ausmachen konnte, erwies man sich schlicht und einfach als zu langsam, um Mercedes ernsthaft Paroli bieten zu können. Mattias Ekström und Tom Kristensen fuhren mit den Rängen vier und sieben die besten Super-Pole-Ränge ein; im Rennen schaffte es Kristensen immerhin auf Platz zwei, konnte aber Sieger Gary Paffett in der Mercedes C-Klasse nicht ansatzweise in Bedrängnis bringen.

Im winkligen Infield braucht sich Audi nicht zu verstecken, Foto: DTM
Im winkligen Infield braucht sich Audi nicht zu verstecken, Foto: DTM

Obgleich man angesichts der aerodynamischen Auslegung des A4 einen denen engen Stadtkurs in der Provence wohl lieber gesehen hätte: Seither sollte sich Einiges getan haben. Die ehemals in allen Bereichen zur Spitze fehlenden Nuancen wurden beseitigt; längst wieder der aktuelle A4 DTM als Sieganwärter gehandelt. Allan McNish bestätigt: "Der A4 wurde seit Mai kontinuierlich weiterentwickelt, deshalb sollten wir konkurrenzfähig sein." Während Audi den leichten Vorteil beim Abtrieb im Infield wohl nun deutlicher wird ausspielen können, drohen auf der langen Start-/Ziel-Geraden Ungemach bzw. hartnäckige Überholversuche von Seiten der PS- und topspeedstärkeren Mercedes.

Und so rechnet Mattias Ekström, im Mai nach einer Kollision mit Jamie Green sowie einer lädierten Aerodynamik des A4 nur Vierter, nach wie vor nicht mit einer Spazierfahrt: "Der EuroSpeedway wird hart für uns. Aber ich will Revanche für das Rennen im Frühjahr, das für mich nicht optimal verlief. Ich mag den EuroSpeedway und war dort bisher immer sehr stark." Auf ein recht hartes Rennen dürfen sich auch die vier Joest-Piloten im A4-Jahreswagen gefasst machen, die es angesichts der erstarkten Konkurrenz schwer haben dürften, mit den Rängen fünf und sechs das sensationelle Ergebnis aus dem Frühjahr zu wiederholen.

Mercedes

Mit Zuversicht darf man in Stuttgart dem anstehenden ostdeutschen Déjà-vu entgegenblicken, darf der EuroSpeedway angesichts einer erdrückenden Erfolgsbilanz doch durchaus als Mercedes-Strecke bezeichnet werden. Dies sollte sich auch vor viereinhalb Monaten bestätigen: Fünf Top-6-Plätze in der Super Pole, ein souveräner und ungefährdeter Sieg Gary Paffetts, der an der Titelanwärterschaft des Briten keinerlei Zweifel mehr ließ, überdies der erste Podestplatz des ohne Streckenvorkenntnisse startenden Mika Häkkinen.

Auf der Highspeed-Passage führt an Mercedes kein Weg vorbei, Foto: Sutton
Auf der Highspeed-Passage führt an Mercedes kein Weg vorbei, Foto: Sutton

Dass der Endspurt einer noch vollkommen offenen Meisterschaft in der Lausitz eingeläutet wird, kann Mercedes nur zu Gute kommen. Gary Paffett stimmt zu: "Uns liegt diese Strecke, wir haben hier schon immer gut ausgesehen. Mein Ziel ist Sieg Nummer fünf." Obgleich die Konkurrenz zweifellos aufgeholt hat: Mit ähnlich guten Leistungen in Super Pole sowie bei der Rennstrategie wie in Zandvoort sollte dem nicht allzu viel im Wege stehen, zumal Audi ebenso wie Mercedes mit dem Maximalgewicht von 1.070 Kilogramm zu kämpfen hat.

Dass der EuroSpeedway trotz der Stuttgarter Favoritenrolle selbst in einem Stern-Piloten Frustrationsgefühle wecken kann, beweist Jamie Green: "Im Mai hat mich Mattias Ekström beim Anbremsen der ADAC-Kurve ins Kiesbett befördert. Diesmal will ich weit genug vor ihm sein, damit er Platz zum Bremsen hat."

Opel

Für Opel hätten in Avignon Begrüßung und schmerzhafter Abschied nahe beieinander gelegen. Nun bietet sich in der Lausitz die Möglichkeit, die eher ernüchternde, vermeintliche Abschiedsvorstellung aus dem Frühjahr vergessen zu machen. "Unsere Leistung stimmt nicht", fasste damals Opel-Sportchef Volker Strycek ein enttäuschendes Qualifying zusammen, Laurent Aiello präzisierte: "Das Auto sprang auf den Bodenwellen und deshalb blockierten immer wieder die Räder. So war jedenfalls keine gute Zeit möglich." Der Franzose fuhr im Rennen mit Rang zehn das beste Opel-Ergebnis ein.

Frentzen in der breitesten Boxengasse der DTM, Foto: DTM
Frentzen in der breitesten Boxengasse der DTM, Foto: DTM

Springende Autos, nickende Vorderwagen, mangelhaft auf Temperatur gebrachte Dunlop-Reifen: All das gilt es für Opel bei der zweiten Chance in der Lausitz zu vermeiden. Die Chancen dafür stehen recht gut: Mit Brünn, Nürnberg und Zandvoort erwies sich Opel in Folge der EuroSpeedway-Pleite auf drei Strecken völlig unterschiedlicher Charakteristika als podestfähig, das Mindestgewicht von 1.030 Kilogramm blieb Opel auf Grund einer nach wie vor fehlenden Konstanz dennoch bis heute erhalten.

Bereits Anfang August sammelte man mit Heinz-Harald Frentzen und Manuel Reuter weitere EuroSpeedway-Erfahrungen und erarbeitete zwei neue Set-up-Varianten. Und so darf man einem auf dem Podest springenden Opel-Piloten beim Lausitz-Abschied durchaus eine höhere Wahrscheinlichkeit zumessen als einem auf Bodenwellen springenden Vectra GTS V8...