Sie nehmen weite Reisen in Kauf, übernachten in teils weit von der Rennstrecke entfernten, nicht immer preiswerten Unterkünften, begeben sich auf eine entnervende Parkplatzsuche. Doch an der Rennstrecke angekommen sind sie in ihrem Element - so stellen es sich zumindest die Verantwortlichen der DTM vor. Gemeint sind die Fans vor Ort. Sie reden ein gewichtiges Wort über Erfolg und Misserfolg der Serie mit.

Dass sich insbesondere die Live-Zuschauer von der DTM packenden, hochklassigen Motorsport erwarten, steht wohl außer Frage. Doch wie steht es um die Zuschauerfreundlichkeit der DTM? Bietet sie den Zuschauern vor Ort, wie es die Eigenwerbung verspricht, wirklich "Motorsport zum Anfassen", "innovative Events", "ein gutes Kosten-Nutzenverhältnis" und "Unterhaltung für die ganze Familie"? motorsport-magazin.com-Redakteur Wolfgang André Schmitz mischte sich am Nürburgring unter die Fans, beobachtete und befragte. Zunächst einige Momentaufnahmen:

Auf der Jagd nach den Idolen

Freitag, 13.32 Uhr. Sie hat sich in das freitags für alle Fans frei zugängliche Fahrerlager begeben und sich auf die Jagd gemacht. Zwischen dem Boxengebäude und einem Opel-Lkw erblickt sie ihn: Laurent Aiello. Die ungefähr 30-jährige Dame, passend zur Lackierung des aielloschen Dienstwagens mit einem schwarzen Playboy-Pullover bekleidet, hält dem Franzosen strahlend eine Frankreich-Flagge hin, lässt sie signieren. Anschließend organisiert sie eifrig ein Foto mit ihrem Schwarm; Laurent Aiello legt der Dame seine Hand über die Schulter, sie strahlen in die Kamera. Dass der DTM-Meister von 2002 ausgerechnet an jenem Tag den üblichen schwarzen Rennanzug gegen ein hellgrünes, atmungsaktives Exemplar eingetauscht hat und so der gewünschte Partner-Look dahin ist, ist so nur ein kleiner Wehrmutstropfen...

Laurent Aiello stellt sich den Autogrammwünschen, Foto: adrivo Sportpresse
Laurent Aiello stellt sich den Autogrammwünschen, Foto: adrivo Sportpresse

Freitag, 13.47 Uhr. Mattias Ekström hat es eilig. Zügig marschiert er in Richtung Audi-Teamhospitality. Ein Vater mit seinem zirka zehnjährigen Sohn erblickt den schwedischen DTM-Champion, geht ihm entgegen und fängt ihn wenige Meter vor dem Eingang des Motorhomes ab. Ekström, zwar mit recht ernstem Blick, bleibt stehen, hört sich geduldig an, auf welchen Seiten der dicken Autogrammmappe er unterschreiben soll und setzt seine Unterschrift sorgsam auf das Papier. Er bedankt sich und verschwindet im Audi-Motorhome.

Belagerungszustand bei Mercedes

Samstag, 17.00 Uhr. Eine Menschenmenge hat das Fahrerlager erobert. Die Fans stehen dicht gedrängt vor dem Mercedes-Motorhome und blicken auf eine silber-scharze, mit Fotoporträts der acht Benz-Piloten verzierte Glasfront sowie eine mit verwaisten, futuristisch anmutenden Stühlen bestückte Veranda. 15 Minuten später tritt Mercedes-Motorsport Pressechef Wolfgang Schattling auf die Bühne, begrüßt die Fans, bittet die Kinder, ganz nach vorne an die Bühne zu kommen, und kündigt als ersten Gesprächspartner Norbert Haug an.

Freitäglicher Hochbetrieb im Fahrerlager, Foto: adrivo Sportpresse
Freitäglicher Hochbetrieb im Fahrerlager, Foto: adrivo Sportpresse

Tortz mehrfachen Aufrufens erscheint der Mercedes-Motorsportchef nicht auf der Bühne; hat den sonst so souveränen Medienprofi etwa das Lampenfieber gepackt? Die Fans lassen sich durch diese Panne nicht aus der Stimmung bringen. Stattdessen lauschen sie den Statements der Mercedes-Piloten, die nacheinander auf die Bühne gerufen werden; auf Mücke-Pilot Alexandros Margaritis folgt Bruno Spengler, dem Kanadier schließen sich Jean Alesi, Jamie Green, Bernd Schneider und Gary Paffett an. Sie geben durchaus aufschlussreiche Auskünfte über den bisherigen Verlauf ihres Wochenendes; DTM-Debütant Bruno Spengler eröffnet gar einige Einblicke in seine Biografie.

Längst haben sich auf die eigentlich nur für Kinder freigegebene Bühne auch Erwachsene gemogelt, folgt doch auf die Statements der Piloten das Highlight eines jeden Autogrammjägers: Ein geduldiger Mercedes-Pilot kämpft sich bewaffnet mit einem schwarzen Filzschreiber durch die Menge. Derweil kämpft eine rund 50 Jahre alte Dame mit ihrem Schicksal: Warum bloß kommen die Mercedes-Stars zu allen, nur zu ihr nicht! Jamie Green befreit sie aus der misslichen Lage: Er zeichnet seine Signatur in ihr Autogrammheft, sie entspannt sich sichtlich und wünscht dem Briten "Good luck" für das morgige Rennen.

Belagerungszustand am Mercedes-Motorhome, Foto: adrivo Sportpresse
Belagerungszustand am Mercedes-Motorhome, Foto: adrivo Sportpresse

Bereits mit den Auftritten Bernd Schneiders und Gary Paffetts wird die Masse sichtlich unruhiger, doch die Ankündigung eines optisch eher unscheinbaren, blonden Herren aus dem hohen Norden bringt die Stimmung zum Höhepunkt: "Mika, Mika!"-Sprechchöre beschallen das Fahrerlager, als sich die Tür des Motorhomes öffnet und Mika Häkkinen hervortritt. Am Moderationstisch angekommen schwelgt der zweifache Formel-1-Weltmeister in seinen Erinnerungen, errang er doch 1997 auf dem Nürburgring seine erste Pole Position in der Formel 1, worauf 1998 ein Sieg folgte. "A good feeling."

Anschließend stellt sich auch Häkkinen den Autogrammwünschen. Ein sichtlich erschöpftes Elternpaar ist der DTM-Prominenz überdrüssig geworden und ruft seinen Sohn, der nur mit einem "Ich krieg noch eine Unterschrift von Mika!" antwortet und wieder in der Menschentraube um den Finnen verschwindet.

Jamie Green kämpft sich durch die Fahnen und Autogrammmappen, Foto: adrivo Sportpresse
Jamie Green kämpft sich durch die Fahnen und Autogrammmappen, Foto: adrivo Sportpresse

Schließlich hat auch Norbert Haug den Weg aus dem Mercedes-Motorhome gefunden. Gelassen antwortet Haug auf die Fragen seines Pressechefs , bevor die Fans an der Reihe sind. Nun dürfen sie den Schwaben fragen, was ihnen in Sachen DTM auf den Nägeln brennt. Gespannt, aber etwas schüchtern reagiert die Zuschauerschar auf das vor ihren Augen kreisende, an einer langen Stange befindliche Mikrofon. Ein junger Mann nimmt allen Mut zusammen und fragt: "Wie wird es mit der DTM weitergehen?" Norbert Haug spult einen nahezu druckreifen Kommentar ab, in dem er der DTM eine große Zukunft prophezeit.

"Es war im Gespräch, dass Mika zu BMW geht; ich habe gehört, dass der Dr. Theissen hinter Mika Häkkinen her war", spricht ein kleiner Junge ins Mikrofon. Haug kündigt schelmisch an, mit Dr. Theissen mal ein ernstes Wörtchen reden zu müssen… Anschließend greift ein Fan tief in die Mottenkiste in der DTM unzählige Male gestellter Fragen, trifft damit aber sehr wohl die Sorgen und Ungewissheit der Fans: "Könnte man sich vielleicht vorstellen, eine vierte Marke zur DTM zu holen?"

Norbert Haug beantwortet die Fragen der Fans, Foto: adrivo Sportpresse
Norbert Haug beantwortet die Fragen der Fans, Foto: adrivo Sportpresse

Wieder ist es ein kleiner Junge, dem das Schicksal Häkkinens schlaflose Nächte bereitet: "Stimmt es, dass Mika Häkkinen bald wieder Formel 1 fährt?" - "Willst du das?", entgegnet Haug. "Eigentlich nicht…", bekennt der DTM-Juniorfan. Weiterhin drängt sich die Königsklasse in die DTM-Fragerunde: "Kann man die Preise der Formel 1 nicht ein bisschen runterschrauben?" Womit Haug eine Steilvorlage geliefert wird, das Preis-/Leistungsverhältnis der DTM hervorzuheben. Doch auch die großartigen F1-Events vor der Mercedes-Tribüne in Hockenheim bleiben nicht unerwähnt…

Lediglich die wenig sachbezogene Frage eines Fans, warum Mika Häkkinen nur an einer Stelle und nur den Kindern Autogramme gebe, bringt Haug etwas aus dem Konzept. "Sehen Sie, das ist mal wieder typisch", zeigt sich Haug verständlicherweise verärgert und redet sich noch eine Weile in Rage. Die "Public Press Conference for Media and Fans" neigt sich ihrem Ende zu.

Doch obgleich diese Momentaufnahmen ein positives Verhältnis von Fans sowie Fahrern und Teams widerspiegeln - reicht das für einen positiven Gesamteindruck der Fans? Wie beurteilen sie den Ablauf der Rennwochenenden und ihre Zuschauerfreundlichkeiten? Lesen Sie morgen, was die Fans zu sagen haben…