Nach dem Rennspektakel auf dem Norisring bot der gestrige Lauf auf dem Nürburgring gleich in mehrfacher Hinsicht Abkühlung: Herrschten in Nürnberg noch hochsommerliche Temperaturen, so zeigte sich das Wetter in Nürburg mit zwölf bis 15 Grad unerwartet herbstlich; passend dazu war auch der Rennverlauf in der Eifel etwas weniger "heiß" als in Bayern. Langweilig wurde es dennoch nicht...

Die Regenten des Regenrennens

Und so waren die Regenten des Rennens, gemeinhin auch als Rennleitung bezeichnet, zunächst der Enttäuschung der Fans ausgesetzt: Da es wenige Minuten vor Beginn des Rennens zu regnen begonnen hatte und sich infolgedessen einige Passagen der Strecke, darunter auch die Haarnadelkurve eingangs der Mercedes-Arena, zur Rutschbahn verwandelt hatten, entschied man sich für einen fliegenden Start hinter dem Safety-Car. So weit, so sicher.

Nicht nur bei Christian Abt sorgte die Startprozedur für Verwirrung, Foto: Sutton
Nicht nur bei Christian Abt sorgte die Startprozedur für Verwirrung, Foto: Sutton

Doch auch wenn Laurent Aiello befand, dass "die Entscheidung des Rennleiters richtig" war, fühlten sich einige Piloten im Regen stehen gelassen. "Ich hätte mich gefreut, wenn ich gewusst hätte, wie wir starten", bekannte Heinz-Harald Frentzen nach dem Rennen. Gefreut hätte sich darüber wohl auch Christian Abt, der als Neunter der Startaufstellung offenbar nicht über das Geschehen aufgeklärt war und es versäumte, Anschluss an den Achtplatzierten Allan McNish zu halten. Frentzen, als Zehnter der Super Pole unmittelbar hinter Abt, beschreibt: "Als das Safety-Car nach der ersten Runde in die Boxengasse fuhr, war bereits eine riesige Lücke zwischen den ersten Fahrzeugen und dem Verfolgerfeld entstanden."

Und so führte der unerwartete Regenschauer kurz vor dem Start nicht zu einem Informationsregen, sondern vielmehr zu einer vermeidbaren kommunikativen Panne, die insbesondere für die Piloten des Mittel- und Hinterfeldes ärgerlich war. Auch die DTM lernt nie aus...

Die Regeln des Drive-through-Regens

Auch im Schatten der Nürburg wurde die Rennleitung wie schon am Norisring zu Regenten eines Drive-through-Regens, denen die undankbare Aufgabe zukam, für teilweise eher geringe Vergehen vergleichsweise harte Strafen auszusprechen. Dennoch geben die Entscheidungen der Rennleitung keinen Anlass zu Diskussionen, stellten sie doch eine konsequente und somit begrüßenswerte Umsetzung des Sportlichen Reglements dar.

Jenes Schild kam in Nürburg gleich viermal zum Einsatz, Foto: adrivo Sportpresse
Jenes Schild kam in Nürburg gleich viermal zum Einsatz, Foto: adrivo Sportpresse

Während Marcel Fässler eine Gelbphase übersah und ihrer ungeachtet ein Überholmanöver startete, überholte Stefan Mücke während der Safety-Car-Phase, wenngleich jener Vorfall angesichts des vorausgegangenen Fahrfehlers Rinaldo Capellos eher unglücklich war. Später unterlief Martin Tomczyk und Gary Paffett der unangefochtene Drive-through-Klassiker - das Überfahren der weißen Linie am Boxenausgang. Zwar ging in beiden Fällen keine Gefährdung für andere Piloten aus, doch insbesondere im Fall Paffett war das Übertreten der Linie überdeutlich. Obwohl das Thema "weiße Linie" in kaum einer Fahrerbesprechung fehlt...

Der Fehlerregen im Boxenrennen

Der umfangreiche Katalog der Missgeschicke und Pannen in der Boxengasse wurde auf dem Nürburgring nochmals erweitert und aufgefrischt. Zu den Varianten "abgewürgter Motor", "klemmende Tankkanne" und "Tempoüberschreitung" gesellten sich nun die Versionen "Orientierungslosigkeit" und "Aquaplaning". Während Gary Paffett bei seinem ersten Stopp versehentlich zu Mika Häkkinens und Bernd Schneiders Boxencrew abbog, wollten Mattias Ekströms Reifen auf dem rutschigen Abfertigungsplatz einfach keinen Grip finden.

Nicht jeder der 40 absolvierten Pflichtstopps ging gut., Foto: Sutton
Nicht jeder der 40 absolvierten Pflichtstopps ging gut., Foto: Sutton

Bereits bekannt, dafür jedoch noch ärgerlicher gestaltete sich das Missgeschick bei Laurent Aiellos zweitem Boxenbesuch. Ein defekter Schlagschrauber brachte dem Franzosen einen Aufenthalt von mehr als elf Sekunden ein - und ließ ihn infolgedessen aus den sicher geglaubten Punkten rutschen. Aufklärung darüber, warum gerade die Rüsselsheimer auffallend häufig von derlei Pech betroffen sind, sucht man vergeblich...

Die Regeln des Herstellerrennens

Regeln und Zusammenhänge in und zwischen den Unterschieden der Kräfteverhältnisse von Freitag, Samstag und Sonntag fanden selbst die Verantwortlichen der drei Hersteller nur in spärlicher Form. War es in den Tests, Trainings sowie im Qualifying noch Audi, die, zeitweise mit starker Konkurrenz durch Opel, den Ton angaben, setzten sich in der Super Pole unerwartet Gary Paffett und der noch im Qualifying Zehntplatzierte Mika Häkkinen an die Spitze - was für Ratlosigkeit bei Audi sorgte.

Audi vor Opel und Mercedes - das Bild vom Freitag, Foto: Sutton
Audi vor Opel und Mercedes - das Bild vom Freitag, Foto: Sutton

Auch im Rennen zeigten sich die Ingolstädter zwar den Mercedes ebenbürtig, aber anders, als es noch die Tests anzudeuten schienen, keineswegs überlegen. Mit einer eher abtriebsbetonten Abstimmung hatte Audi dennoch erneut die richtige Entscheidung getroffen und machte Appetit auf einen Meisterschaftskampf zwischen den beiden süddeutschen Premiummarken mit vergleichbar starken Fahrzeugen. Das in den Tests aufblitzende Potenzial der Marke mit dem Blitz war dagegen im Rennen nur noch vereinzelt zu sehen: Lediglich Laurent Aiello ließ in der Anfangsphase des Rennens aufhorchen, als er sich in den Kampf der Dritt- und Viertplatzierten Mattias Ekström und Bernd Schneider einschaltete. Und so war - allen Fortschritten zum Trotz - nicht nur das zweifelsohne vorhandene Pech der Rüsselsheimer für den punktelosen Sonntag verantwortlich.

Die Regenten des Meisterschaftsrennens

Waren es am Norisring noch Mattias Ekström und Tom Kristensen, deren Euphorie über das Rennergebnis sich in Grenzen hielt, übernahm diesen Part nun Gary Paffett. Mit seinem folgenschweren Fehler an der Boxenausfahrt hatte der Brite nicht nur den Sieg und die Meisterschaftsführung vorerst verspielt, sondern ließ auch sein Team im Regen stehen: Durch einen Sieg Paffetts hätte Mercedes die Führung in der Herstellerwertung zurückerobern können. Der für einen Meisterschaftsanwärter nicht standesgemäße Fehler, in dieser Saison nicht der erste, überschattete eine ansonsten überlegene Leistung in Super Pole und Rennen. Ergebnis, auch dank eines nicht gerade mit der Brechstange um seinen Podestplatz kämpfenden Mika Häkkinen, war Rang drei.

Ekström und Audi verbesserten ihre Aussichten in der Meisterschaft., Foto: DTM
Ekström und Audi verbesserten ihre Aussichten in der Meisterschaft., Foto: DTM

Nicht nur angesichts der Außentemperaturen einen kühlen Kopf behielt dagegen Mattias Ekström, der sich im Kampf gegen Bernd Schneider und Mika Häkkinen keine Blöße gab. Und so genügte dem Schweden nach einem überraschend "schwachen" dritten Rang in der Super Pole eine besonnene und fehlerlose Fahrt durch die Eifel, um letztlich verdient den zweiten Saisonsieg einzufahren und die Meisterschaftsführung zurückzuerobern. Zur Erinnerung: Auch im vergangenen Jahr übernahm Ekström auf dem Nürburgring die in Nürnberg verlorene Führung in der Meisterschaft und gab sie in jener Saison nicht mehr ab... Wie 2004 leistet sich der Titelverteidiger weniger Fehler als sein jeweiliger Mercedes-Konkurrent.

Doch auch Ekströms Audi-Markengefährte Tom Kristensen durfte nach zwei wenig erfolgreichen Rennen in Oschersleben und Nürnberg wieder einen Punkteregen über sich ergehen lassen: Noch weitaus unauffälliger als Ekström, aber nicht minder fehlerlos und effektiv ließ sich der Däne infolge der Fehler Häkkinens und Paffetts bis auf Rang zwei vorwinken. Mit 15 Punkten Abstand zur Meisterschaftsspitze gehört der siebenfache Le-Mans-Sieger zwar nicht mehr zu den Favoriten, könnte aber durchaus noch einige weitere Male zu den Mitverursachern des Champagnerregens werden...