Was bei Serienautomobilen schon seit Jahrzehnten zu beobachten ist, gilt seit diesem Jahr auch in der DTM: Der Nachfolger ist schwerer als sein Vorgänger. Während die Autos in der Serie auf Grund diverser Verbesserungen in Form neuer Komfort- und Sicherheitsfeatures von Modellgeneration zu Modellgeneration schwerer werden, sind es allerdings in der DTM weniger eine aufwändige Vier-Zonen-Klimaautomatik oder aus allen erdenklichen Teilen des Interieurs sprießende Airbag-Einrichtungen, die den Gewichtsunterschied verursachen: Vielmehr war es eine Entscheidung der DTM-Verantwortlichen, die Rennboliden der Vorjahresgeneration um einige Pfunde zu erleichtern.

Doch während beispielsweise die Gewichtszunahme des Basis-Audi-A4 aus der Serie im Zuge des Facelifts Ende 2004 mit fünf Kilogramm noch sehr dezent ausfiel, sind es in der DTM vergleichsweise großzügige 15 Kilogramm, die den letztjährigen DTM-A4 sowie ihren Konkurrenten, die Jahreswagen der Mercedes C-Klasse, von ihren Nachfolgern trennen. Lässt man die Zusatzgewichtsregel für die Neufahrzeuge außen vor, bringt ein aktueller DTM-Bolide das langjährige Standardgewicht von 1.050 Kilogramm auf die Waage, während sein Vorgänger auf nunmehr 1.035 Kilogramm erleichtert wurde.

Die Vergangenheit...

Von 2001 bis 2004 fristeten die Jahreswagen ein eher ungeliebtes Dasein und wurden oftmals angesichts nur dreier in der DTM engagierter Hersteller wahlweise als Verlegenheitslösung zum Auffüllen des Feldes oder als Fahrschulfahrzeuge für DTM-Rookies angesehen. In den Ergebnissen sahen sich die Kritiker bestätigt...

Allzu oft landeten die Jahreswagen geschlossen in den letzten Startreihen; zum Kampf gegen aktuelle Fahrzeuge reichte es meist nur, wenn Opel einen schlechten Tag erwischt hatte. Umso größere Anerkennung wurde allerdings jenen zuteil, die es allen Unkenrufen zum Trotz im Jahreswagen, gern auch mit den Jahreswagenangeboten des jeweiligen Herstellers beklebt, dennoch in die Punkte schafften.

2004 nicht von Erfolg gekrönt: Der CLK-Jahreswagen, Foto: xpb.cc
2004 nicht von Erfolg gekrönt: Der CLK-Jahreswagen, Foto: xpb.cc

Und so wurde es gebührend belohnt, wenn die Ausnahme wieder einmal die Regel bestätigte: Sowohl Christijan Albers, der 2002 im Mercedes CLK des Vorjahres trotz des damaligen, nur die ersten sechs Fahrer mit Punkten belohnenden Wertungssystems beachtliche dreimal in die Punkteränge fuhr, als auch Gary Paffett, anno 2003 zweifacher Punktesammler im CLK-Jahreswagen, stiegen im Jahr darauf in einen der begehrten Neuwagen mit Stern um.

2004 gelang keinem der Jahreswagenfahrer der Aufstieg in das aktuelle Modell, stattdessen waren die Ergebnisse noch weitaus dürftiger als im Vorjahr: Lediglich Stefan Mücke gelang es in Adria, mit seinem Vorjahresboliden auf Rang sieben zwei Punkte einzufahren. Jener Negativrekord wirkte sich offenbar positiv auf die Kreativität der ITR-Verantwortlichen beim Erarbeiten des neuen Reglements aus.

... und die Gegenwart

Das Debüt der um 15 Kilogramm erleichterten Jahreswagen begann sogleich mit einem Paukenschlag: Christian Abt, der nach wenig überzeugenden Ergebnissen im Vorjahr seinen 2004er-A4 gleich zu seinem neuen Team Joest mitnehmen durfte, beendete den Saisonauftakt in Hockenheim sensationell als Vierter, womit er nicht nur Christijan Albers' Vorjahreswagenrekord aus dem Jahr 2002 einstellte, sondern auch den Nachfolger seines Dienstwagens düpierte: Zum Leidwesen der Marketing-Abteilung bei Audi kam der optisch aufwändig geliftete A4 des Jahrgangs 2005 auf Rang fünf ins Ziel... Abgerundet wurde das Ergebnis durch Stefan Mücke, der in einer C-Klasse des Vorjahres immerhin Rang sieben eroberte.

Christian Abt hängt die Kollegen im Neuwagen ab., Foto: Sutton
Christian Abt hängt die Kollegen im Neuwagen ab., Foto: Sutton

Christian Abt bestätigt die Auswirkungen des neuen Reglements: "Das kommt uns sicherlich ein wenig entgegen. Denn um konkurrenzfähig zu sein, hat man das Gewicht angepasst. Das war schon der richtige Weg." Auch im weiteren Verlauf der Saison bekamen die Neuwagenfahrer ihre um 15 Kilogramm erleichterten Kollegen nicht mehr wie gewohnt nur bei Überrundungen zu Gesicht. Stattdessen wurden weiterhin fleißig Punkte gesammelt.

Und so kamen beim zweiten Lauf in Oschersleben gleich drei Vorjahresfahrzeuge in die Punkte: Die Audi-Piloten Pierre Kaffer, Frank Stippler und C-Klasse-Fahrer Stefan Mücke belegten die Ränge fünf, sechs und acht. Dass sich insbesondere die Audi-Piloten des Joest-Teams als Wiederholungstäter erwiesen, brachte DTM-Experte Klaus Ludwig allerdings nicht vom Statement ab: "Das sind eher Zufallstreffer wie in Oschersleben. Die Fahrer machen zwar einen Superjob, aber im Großen und Ganzen haben die Vorjahresautos keine Chance unter die ersten Zehn zu kommen. Zumindest solange es regulär läuft."

Und so folgte zwei Wochen nach jener Äußerung prompt der nächste Streich: Zwar verlief das Rennen auf dem Norisring nicht nur nach Klaus Ludwigs Maßstäben alles andere als "regulär", doch erscheint es fraglich, die Sensation des Rennwochenendes in Nürnberg allein als Zufallstreffer zu werten: Mit seinem zweiten Platz erzielte Christian Abt nicht nur seinen ersten Podestplatz seit drei Jahren und die beste in der neuen DTM je in einem Jahreswagen erreichte Platzierung; er brachte es mit jener Boxenstoppstrategie zum Erfolg, die vielen seiner Kollegen im Neufahrzeug nur zu Rängen abseits des Podiums verhalf.

Die Jahreswagen im internen Kampf, Foto: Sutton
Die Jahreswagen im internen Kampf, Foto: Sutton

Christian Abt tritt dennoch etwas auf die Euphoriebremse: "Opel ist fünf Kilo leichter als wir und wir können mithalten. Aber ansonsten sind die alten Fahrzeuge an einem Limit angekommen, wo man sagen muss, dass Platz zehn unter normalen Umständen das Maximum des Erreichbaren ist." Was insbesondere von einem Mitglied des Joest-Teams als zuverlässige Aussagen zu werten ist, betreut Joest doch schon im zweiten Jahr die A4 des Jahrgangs 2004.

Jene langen Kenntnisse des Joest-Teams vom 2004er-A4 verraten möglicherweise auch zum Teil, wieso im Audi-Jahreswagen bereits 25 Punkte eingefahren wurden, das Mercedes-Team Mücke mit nur drei Punkten jedoch zumindest hinsichtlich der zählbaren Resultate weit zurückbleibt - wo A4 und C-Klasse im vergangenen Jahr als nahezu gleichwertig angesehen wurden.

Doch Sie haben richtig gelesen: Stolze 28 Punkten wurden bislang in den ehemals viel gescholtenen Jahreswagen eingefahren. Schon allein diese Zahl deutet darauf hin, dass mit der Gewichtsentnahme von 15 Kilogramm das richtige Maß gefunden wurde, um das ehemals zweigeteilte Feld aus Jahres- und Neuwagen besser zu vereinen. Derweil äußern sich die Neuwagenfahrer auffallend selten zu jener Regeländerung - ob es daran liegt, dass sie trotz Gewichtnachteils noch immer auf Klimaautomatik und Airbags verzichten müssen...?