Turbulenter Indy-Re-Start in der DTM (00:37 Min.)

Spektakel sollte es werden, am Ende war es noch einiges mehr: Der neue Re-Start in der DTM nach einer Safety-Car-Phase. Schon beim Saisonauftakt in Hockenheim war es soweit, die neue Regel kam im regnerischen Sonntagsrennen erstmals zum Einsatz - und sie kostete Pole-Setter Timo Glock den möglichen Sieg. Beim Re-Start, der in Zweierreihen durchgeführt wird, verlor der BMW-Pilot die Führung an Jamie Green und fiel sogar bis auf den vierten Platz zurück.

Der so genannte Double-File Re-Start sorgte für einige Diskussionen, vor allem rund um Green. Der Brite von Audi fuhr zwar an Glock vorbei, kassierte dafür aber eine 5-Sekunden-Zeitstrafe. Grund: Green sei laut Rennleitung minimal am Führenden Glock vorbeigezogen, bevor die Ampel aus war. Das hinderte Green jedoch nicht daran, das Sonntagsrennen der DTM zu gewinnen. Glock wurde nur Achter.

Der Anfang vom Chaos

Nach dem Rennen ärgerte sich der frühere Formel-1-Pilot über Greens Vorgehen und suchte gleich das Gespräch mit Rennleiter Sven Stoppe. "Wenn du das bei einer 5-Sekunden-Zeitstrafe belässt, endet es im Chaos", mahnte Glock in Richtung Stoppe. "Es muss ein klares Signal kommen, dass das so nicht geht. Wenn du das nicht machst, spielen wir mit dir. Wenn das nicht passiert, müssen wir den Indy Re-Start weglassen."

Glocks Befürchtung dahinter: Eine 5-Sekunden-Strafe könnten die Fahrer künftig gern in Kauf nehmen, wenn sie sich dadurch beim Re-Start einen entscheidenden Vorteil verschaffen können, also Plätze gutmachen. Ganz so einfach ist es allerdings nicht, denn auch mit dem neuen Re-Start gilt: Wer zu früh startet, erhält eine Durchfahrtsstrafe. Und die dürfte es keinem Fahrer wert sein, gegen das Reglement zu verstoßen.

Jamie Green machte den Sieg beim Re-Start klar, Foto: Audi
Jamie Green machte den Sieg beim Re-Start klar, Foto: Audi

Warum nur 5 Sekunden für Green?

Warum kassierte Green nun also 'nur' eine 5-Sekunden-Strafe? Weil er effektiv keinen Frühstart fabriziert, sondern erst beschleunigt hatte, als die Ampel ausging. Hier verhielt er sich absolut korrekt. Die Crux an der Sache: Vor dem Ampelsignal lag Green rund einen Meter vor Glock in Führung - dort hätte er allerdings nicht fahren dürfen, die Pace hätte eigentlich Glock vorgeben müssen.

"Das Problem ist, dass schon vorher was schief lief", sagte Glock. Er selbst habe sich an die in der Fahrerbesprechung vereinbarten 70 km/h Geschwindigkeit auf dem Weg Richtung Start/Ziel-Gerade gehalten, Green habe schon "vor dem Korridor auf 80 bis 90 beschleunigt und teilweise das Rennen angeführt".

Verwirrung beim Re-Start

Auf den Kameras entlang der Start/Ziel-Geraden konnte die Rennleitung sehen, dass ein Großteil des Feldes langsam, aber kontinuierlich beschleunigte. Allerdings hätte Glock als Führender die Pace vorgeben und Green sich daran orientieren müssen. Stattdessen schloss Glock lediglich zum neben sich fahrenden Audi auf, ließ dabei aber etwas Abstand. Als die Ampel dann ausging, kam Green besser weg und übernahm spielend die Führung.

Während Green nach dem Erlischen der Ampel voll durchbeschleunigte, erwischte Glock keinen guten Re-Start und fiel direkt zurück. Das gab der BMW-Pilot auch zu. "Ich habe den Fehler gemacht, dass ich voll aufs Gas ging, als die Ampel ausging", erklärte Glock. "Ich hatte Wheelspin, der zweite Gang ging unsauber rein und dadurch habe ich Zeit verloren. Klar, mein Hochschalten war nicht sauber, aber dadurch falle ich doch nicht auf den vierten Platz zurück..."

Glock wurde direkt nach dem Re-Start von Green, Lucas Auer und Bruno Spengler überholt. Alle drei Fahrer fuhren auf der linken Seite, während Glock die rechte - also die Innenbahn - besetzte. Wegen seines ruckligen Starts konnte die linke Seite vorbeiziehen, während er selbst die Hintermänner auf seiner Linie kurzzeitig blockierte.

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Glock im falschen Gang

"Scheint, als ob Timo beim Re-Start im falschen Gang gewesen wäre", schrieb Rockenfeller bei Twitter und bestätigte damit die Aussagen der Rennleitung. Und Paffett sagte: "Rocky und Timo waren sehr langsam. Ich habe das Go am Funk gehört, sie haben aber nicht beschleunigt. Deshalb bin ich rechts raus und war schon vor Turn 1 an Rocky vorbei." Renndirektor Stoppe schaltet nicht nur die Startampel aus, sondern gibt im gleichen Moment via Funk ein Signal ("Gogogo!") ans gesamte Feld.

Rennsieger Green selbst glaubte unterdessen, sich an die Regeln gehalten zu haben. "Ich habe versucht, die Geschwindigkeit von Timo zu halten", sagte der Brite. "Soweit ich es verstehe, gibt er sie vor. Ich habe nur versucht, bei ihm zu bleiben. Mein Verständnis ist, dass das Rennen startet, wenn die Ampel ausgeht. Ich habe vor Timo reagiert und es scheint, als hätten das alle anderen auch. Ich war vor der ersten Kurve schon vorbei. Ich weiß nicht genau, was er da gemacht hat."

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Weitere Untersuchung gegen Green

Nach Rennende ermittelte die Rennleitung ein weiteres Mal gegen Green. Konkurrenten hatten gemeldet, dass er kurz vor dem Re-Start gebremst habe - das hätte wegen Sicherheitsgründen zu einer Strafe geführt. Auf den Daten sah die Rennleitung laut Informationen von Motorsport-Magazin.com allerdings eindeutig, dass er seine Geschwindigkeit kontinuierlich erhöht hatte und stellte die Untersuchungen ein.

Hockenheim hat gezeigt: Der Double-File Re-Start birgt eine Menge Spannung, lässt sich aber nicht 100-prozentig kontrollieren. Nicht umsonst setzen nur noch wenige Rennserien auf dieses Konzept. Die Rennkommissare werden kaum verhindern können, dass die Fahrer durchs Feld hinweg immer wieder neue Grenzen ausloten - und möglicherweise leicht überschreiten, um einen Vorteil zu erhalten.

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Disziplin hat gefehlt

"Das Indycar-System erfordert enorme Disziplin von allen Fahrern", sagte Audis Sportchef Dieter Gass zu Motorsport-Magazin.com. "Die hat mir gefehlt. Nicht nur von Jamie, sondern auch von vielen anderen. Meine persönliche Meinung: Jamie hat noch am wenigsten falsch gemacht. Da kamen einige nach vorne geschossen, obwohl das Rennen noch nicht freigegeben war."

Schon jetzt ist klar, dass der neue Re-Start beim nächsten Fahrer-Meeting vor dem Rennen am Lausitzring in zwei Wochen zum großen Thema wird. "Für den Zuschauer war es toll und ein Spannungsmoment", sagte Mercedes-Motorsportchef Uli Fritz. "Aber man hat gesehen, dass das alles keine GT-Spezialisten sind und es noch einiges zu lernen gibt."

Auch am Lausitzring könnte es im Falle einer Safety-Car-Phase knifflig werden, der Kurs hat dahingehend seine Tücken. Sollte es der Rennleitung zu bunt werden, kann sie einen Re-Start übrigens auch abbrechen und noch einmal neu ansetzen. Etwa, wenn die Autos sich nicht wie laut Reglement "in zwei eng beieinanderliegenden Startreihen der Startlinie nähern, wobei der Abstand der Fahrzeuge, die sich in einer Reihe befinden, jeweils maximal eine Fahrzeuglänge betragen darf".

Eine Regel, die schon aufgrund ihrer Formulierung genügend Spielraum lässt, um vermutlich immer wieder für Diskussionen zu sorgen. Hockenheim dürfte erst der Anfang gewesen sein.