Mattias, der Umgangston in der DTM ist härter geworden als in den vergangenen Jahren. Wie kommt das bei euch Fahrern an?
Mattias Ekström: Bei mir macht das ja eh keinen Unterschied! Wenn ich etwas sage, stehe ich dazu. Wenn man etwas zu sagen hat, dann soll man es auch laut sagen. Aber nur jammern, wenn es ohnehin nichts ändert, macht auch keinen Sinn. Man kann über die DTM denken, was man will. Jeder hat das Recht, zu sagen, was man denkt. Nach so vielen Jahren weiß ich: Okay, wenn ich das sage, bringt das etwas? Nein? Dann sage ich lieber nichts.

Als du 2001 in die DTM eingestiegen bist, gab es viele Fahrer mit Profil - von Alzen über Alesi bis Abt. Hat dich das geprägt?
Mattias Ekström: Bernd Schneider war der Gentleman, Uwe Alzen der Drecksack und Christian Abt der Partyboy. Alle hatten ihr Image in irgendeiner Form. Damals war es legitim, ein bisschen wilder, ein bisschen eckiger zu sein, ein bisschen mehr Kanten zu haben. Das war die Zeit im Motorsport, als man die Diamanten zu derb geschliffen hat. Früher hieß es quasi: ‚Kannst du Rennauto fahren? Gut, dann kommst du in die DTM'. Ein Uwe Alzen hatte ja Sprüche drauf und hat sich auf der Strecke benommen, wo man sagte: Ach du meine Güte!

Wäre das heute noch möglich?
Mattias Ekström: Würde das heutzutage passieren, würde man es nicht einmal bis Sonntag schaffen, ehe man ohne Teamkleidung vorne aus dem Haupteingang rausgeschmissen wird. Das ist in den heutigen Tagen nicht mehr gewünscht. Das Wildeste, was man jetzt sieht, ist eine Kappe mit einem geraden Schirm! Wow, der hat eine gerade Kappe! Falsch herum trägt keiner mehr die Kappe, denn das wird nicht gerne gesehen. Manche trauen sich auch gar nicht mehr, etwas zu sagen.

Ekström fühlt sich wohl in der WRX, Foto: Audi
Ekström fühlt sich wohl in der WRX, Foto: Audi

Wie war es früher als junger Fahrer?
Mattias Ekström: Ich hatte nie Angst um die Existenz oder um meinen Platz. Ich wollte zeigen, wer ich bin und was ich kann. Ich wollte Fuß fassen und einen Pokal gewinnen. Gegen diese Drecksäcke wollte ich immer Vollgas geben! Und dann Alesi. Damals haben wir gekämpft, im Warm-Up haben wir uns gegenseitig von der Strecke geschossen. Wenn du das heute machst, wirst du wahrscheinlich fünf Plätze in der Startaufstellung zurückversetzt. Ist das Wochenende vorbei, dann gibt es Sprachregelungen und alle halten freundlich Händchen.

Wie würdest du dein eigenes Image innerhalb der DTM beschreiben?
Mattias Ekström: Ich versuche, jemand zu sein, der hart fährt, aber auch fair. Das ist ja auch das Motto auf meinem Helm: Man fährt hart oder geht nach Hause. Es gibt ja nur drei Hersteller in der DTM. Einer macht Sport so, wie ich das mag. Ein anderer macht Sport so, wie ich es nicht mag. Und beim dritten habe ich vollen Respekt, wie sie es machen. Jetzt kannst du dir aussuchen, wer wer ist... Ich selber möchte Respekt von den anderen Fahrern, aber ich gebe auch viel. Und wenn sich jemand nicht an diese Respektzone hält, dann ist er selbst schuld.

Was genau bedeutet Respekt für dich in der DTM?
Mattias Ekström: Ich bin mittlerweile so weit, dass ich nur noch die Siege möchte, bei denen ich wirklich auch der Beste war. Etwas Glück gehört natürlich dazu. Aber mit einem gewissen Stil und einer gewissen Moral muss man trotzdem gewinnen - und da kann mancher hier in der DTM noch etwas lernen. Wenn du gewinnst, aber die Allgemeinheit nicht findet, dass du der Beste warst, dann ist das für mich nicht so viel wert. Sonst klatschen die Leute zwar, wenn du oben stehst - aber ohne jede Leidenschaft. Ein Beispiel...

Ja, bitte?
Mattias Ekström: Wenn ich im Rallycross ein Rennen gewinne, dann kommen die Herren Solberg und Loeb, Teamchefs und Medien zu mir. Sie gratulieren mir für meine Leistung. So einen Pokal dann zu Hause hinzustellen, bedeutet mir sehr, sehr viel. Da weiß man, dass die Anerkennung des gesamten Umfelds da ist. Wenn man stattdessen in einer Form gewinnt, bei der man andere veräppelt hat, nur um den Pokal zu holen, dann wollte ich ihn nicht haben. Ich will Pokale nur mit der Ehre und dem Respekt, der dazu gehört.

Also ist dir die Anerkennung im Laufe der Jahre wichtiger geworden.
Mattias Ekström: Ja. Ganz ehrlich: Wenn ich einen Pokal anschaue und ich keine Anerkennung für mich selbst empfinde, ist er nichts wert. So ein Pokal, was kostet der? 200 Euro? Der emotionale Wert nach einem wichtigen Sieg ist viel höher. Die DTM ist inzwischen so sehr gewachsen, dass Titelsiege für die Hersteller sehr viel bedeuten. Aber das geht fast auf Kosten gewisser Ehre und Moral. Ich finde, da müssen wir irgendwie zurückfinden. Denn das spüren auch irgendwann die Fans.

Pokale haben emotionalen Wert, Foto: DTM
Pokale haben emotionalen Wert, Foto: DTM

ITR-Chef Hans Werner Aufrecht sagt, dass das aktuelle Reglement zum Teil verhindere, dass die Fahrer wieder so genannte Helden sein können...
Mattias Ekström: Damals konnte man sich anders auf der Strecke benehmen. Die Autos waren kein zusammengeschraubter Flügelsalat. In den Anfängen der DTM konnte man mehr Kontakt haben, denn die Autos waren robuster. Die Räder waren schmaler, wenn man da Gas gab, machte es 'waaaaap'! Dann hattest du über 40 Meter hinweg zwei schwarze Streifen auf der Strecke und Übersteuern.

Und heute?
Mattias Ekström: Heutzutage geht das fast nicht mehr. Du hast so viel Abtrieb und so gute Reifen. Selbst wenn man mir Geld zahlen würde, schaffe ich das nicht. Darin liegt das größte Potenzial, wieder ein unterhaltsameres Produkt zu bieten. Das ist die Aufgabe der Herren da oben. Und meine Erwartung ist ganz klar: Macht das Produkt besser. Fertig, aus!

Das lässt sich einfach sagen, aber nicht so leicht umsetzen...
Mattias Ekström: Egal ob Sportchefs oder ITR, die haben das Sagen. An manchen Tagen habe ich das Gefühl, sie sind beratungsresistent. An anderen Tagen hören sie gut zu. Aber dafür gibt es Gründe: Alle labern denen die Ohren voll! Die bekommen bestimmt Kopfschmerzen, wenn sie alle Meinungen anhören... Am Ende versuchen sie, mit ihrem Wissen und Können das Beste daraus zu machen. Ich bin der Meinung, dass die aktuelle Generation der Autos nicht so der Volltreffer ist. Jetzt haben wir für 2017 eine neue Chance. Die DTM braucht es für ihren Namen, ihre Glaubwürdigkeit und die Zukunft, dass wir ein besseres Produkt haben. Damit meine ich nicht Marketing und Co., sondern das Produkt an sich. Hoffentlich bauen sie Autos, bei denen die Fans wieder aufstehen und jubeln können.

Dafür setzt du dich öffentlich laut ein. Warum eigentlich?
Mattias Ekström: Ich bin wahrscheinlich der verrückteste Motorsport-Enthusiast im Fahrerlager. Wer mich kennt, weiß, wie hart ich für den Motorsport arbeite und wie viel Leidenschaft ich dafür habe. Deshalb ärgere ich mich auch so sehr, wenn jemand versucht, meine Traumwelt zu zerstören. Wegen Politik oder sonst etwas. Deshalb ist es auch leicht, ein paar Sprüche rauszuhauen, denn das liegt mir am Herzen. Wenn dir etwas nicht am Herzen liegt, kannst du auch keine Emotionen zeigen. Mir bedeutet das einfach viel. Das ist seit 15 Jahren mein Leben, wovon ich immer geträumt habe. Deshalb ärgert es mich enorm, wenn die Leute sagen, dass die Rennen langweilig sind. Also, nochmal: Baut ein gutes Produkt, dann fahre ich DTM, bis mich jemand aus dem Auto ziehen und im Rollstuhl ins Altersheim schieben muss.

Was würde der DTM denn ohne Mattias Ekström fehlen?
Mattias Ekström: Ach, ich glaube, mich würde niemand vermissen. Keiner ist unersetzbar, es rückt immer jemand nach. Ich glaube nur, dass sich die Fans freuen, eine bestimmte Art von Meinung von einem Fahrer zu hören. Auch eine gewisse Art von Kampfansage auf der Strecke: Wie man fährt, wie man spricht und wie man sich gibt. Ich habe auch kein Problem damit, etwas zu sagen. Ich höre dann oft: 'Das kannst du so nicht sagen'. Natürlich kann ich das, ich schäme mich nicht dafür. Was bringt es denn, wenn alle die Schnauze halten, ganz brav sitzen und vier Liter Haarspray in den Haaren haben...

Zum Schluss: In welcher DTM-Ära hast du dich am wohlsten gefühlt?
Mattias Ekström: Die Zeit zwischen 2008 und 2011 habe ich als die größte Herausforderung empfunden - obwohl ich in dieser Zeitspanne keinen Titel gewonnen habe. Damals waren die Autos schwer zu fahren, man musste mit den Reifen haushalten, man musste ein bisschen von allem können. Es war immer eng im Qualifying, aber im Rennen gab es größere Abstände. Die Autos haben ein bisschen mehr Kontakt ausgehalten. Im Gesamtpaket waren es damals für mich die besten Autos.

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