Herr Aufrecht, Ihr persönliches Fazit: Was war gut, was war weniger gut an der DTM 2016?
Hans Werner Aufrecht: Ich glaube, dass wir den leichten Abwärtstrend, der sich im vergangenen Jahr angedeutet hat, stoppen konnten. Wir haben ihn in dieser Saison umgewandelt in einen leichten Aufwärtstrend. Im Gesamtjahr hatten wir - trotz Spielberg, wo wir einen deutlichen Einbruch erlitten haben - überall steigende Ticketverkäufe. Es zeigt sich an der Gesamtzahl, dass wir etwa zehn Prozent Steigerungsrate über die gesamte Saison hatten. Es gibt nicht so viele Sportarten, die in der heutigen Zeit Steigerungsraten haben. Womit ich nicht so ganz zufrieden bin, ist unsere TV-Quote, vor allem die Live-Quote. Da tun wir uns schwer, die DTM rüberzubringen. Aber ich glaube, da haben wir dieses Jahr die richtigen Weichen gestellt. Wir können 2017 mit gewissen Veränderungen rechnen und die gehen genau in die Richtung, um die Attraktivität der Serie weiter zu erhöhen.

Die DTM wird wegen vieler unterschiedlicher Sieger kritisiert - die MotoGP erhält wegen der gleichen Umstände Lob. Warum ist das so?
Hans Werner Aufrecht: Der Unterschied zur MotoGP ist der, dass sie das haben, was wir nicht haben. Dass sie tatsächlich immer nur zwei, drei Fahrer haben, die um den Sieg fahren und dort kommt natürlich der Wunsch auf, dass man auch andere Sieger sieht. Bei uns ist es eigentlich der Standard, dass wir verschiedene Sieger haben. Und hier wünscht man sich, dass es sich zwischen zwei oder drei Fahrern entscheidet. Das ist also direkt konträr zu dem, was in der MotoGP passiert. Aber es ist immer dasselbe. Hat man das eine, will man das andere. Wahrscheinlich ist das eine menschliche Eigenschaft.

Der neue, raue Umgangston zwischen den Fahrern in der DTM kommt gut an. Laut unseren Informationen war er von den Herstellern explizit gewollt. Was halten Sie davon?
Hans Werner Aufrecht: Dieses 'gewollt' möchte ich etwas einschränken. Was wir erreicht haben, ist, dass die Zügel nun etwas durchhängen. Vorher waren sie straff angezogen, jetzt hängen sie durch. Und ich hoffe, das bleibt auch so.

Sollte es Grenzen geben? Stichwort: ‚Arschloch-Affäre´ am Norisring...
Hans Werner Aufrecht: Solange wir die Grenze haben, die zum menschlichen Anstand gehören, bin ich einverstanden. Es darf nicht unter der Gürtellinie sein.

Aufrechts Kernaussagen

  • Rennformat könnte für 2017 überarbeitet werden
  • Rennkalender 2017 sehr ähnlich wie dieses Jahr
  • Aufrecht spricht sich gegen Spa-Rückkehr aus
  • Sachsenring aktuell kein Thema im Rennkalender
  • Fahrermarkt wie in Formel 1 würde DTM gut tun
  • Massa hätte in der DTM mehr Druck als in F1
  • Rauer Ton unter Fahrern weiter erwünscht
Hans Werner Aufrecht im Interview mit Motorsport-Magazin.com, Foto: Speedpictures
Hans Werner Aufrecht im Interview mit Motorsport-Magazin.com, Foto: Speedpictures

Vor einigen Jahren haben Sie sich im Gespräch mit uns gegen das Format mit zwei Rennen pro Wochenende ausgesprochen. Inzwischen ist es anders. Haben Sie Ihre Meinung geändert?
Hans Werner Aufrecht: Nein, wir haben ja das System geändert. Damals sind wir nur am Sonntag zwei Rennen gefahren und hatten am Sonntag auch zwei Sieger. Und das hat es damals auch verwischt. Jetzt haben wir das Thema an unterschiedlichen Tagen. Ich glaube, das war eine der positivsten Entscheidungen, die wir in letzter Zeit getroffen haben. Das Produkt ist dem Fan jetzt viel näher und wir bieten dem Zuschauer viel mehr Rennaction als vorher. Wir haben tatsächlich zwei komplette Renntage.

Dennoch gibt es Kritik am Sprintrennen, es wird zu wenig Action bemängelt. Gibt es Überlegungen, das Format für die Saison 2017 zu ändern?
Hans Werner Aufrecht: Wir haben am Freitag in Hockenheim in einem langen Meeting unter anderem darüber gesprochen. Wir haben an den Samstagen Rennen, die uns nicht von den Sitzen reißen. Und wir haben am Sonntag ebenfalls Rennen, die uns nicht von den Sitzen reißen. Deshalb stellt man diese Themen immer zur Diskussion; was ist richtig und was nicht. Im Moment diskutieren wir darüber, die beiden Rennen anzupassen, aber das ist ein laufender Prozess.

Können Sie etwas konkreter werden?
Hans Werner Aufrecht: Entweder, dass wir sonntags so fahren wie im Samstagsrennen, oder dass wir das Samstagsrennen so fahren wie das Sonntagsrennen. Da sind wir momentan in der Diskussion, diese Rennen anzupassen. Vielleicht verkürzen wir das Sonntagsrennen auch und machen das Samstagsrennen etwas länger. Das ist Stand der Diskussion. Wir denken darüber nach, wie man es verbessern kann.

Aufrecht zieht DTM-Bilanz im großen Interview, Foto: Speedpictures
Aufrecht zieht DTM-Bilanz im großen Interview, Foto: Speedpictures

Wo ordnen Sie die DTM medial im Vergleich mit MotoGP und Formel 1 ein?
Hans Werner Aufrecht: Beide Serien haben einen Vorteil, und das ist der Titel. Die fahren um eine Weltmeisterschaft und wir fahren um die Deutsche Meisterschaft. Das ist ein Thema, woran wir beim Image der Serie arbeiten müssen, damit sie ein anderes Standing hat. Wobei ich nicht möchte, dass wir uns mit der Formel 1 vergleichen, denn wir wollen eigentlich viel zuschauernäher sein. Aber es ist so, dass wir hier nicht die Themen schaffen, die die Formel 1 schafft oder auch die MotoGP.

Zum Beispiel?
Hans Werner Aufrecht: Wenn Sie sehen, wie Marquez mal Feuer bekommt oder als Hero dasteht, wie Hamilton mal der große Champion ist und mal der große Verlierer. Diese Spannweite sehen wir derzeit nicht in der DTM. Das ist eines der großen Probleme, dass es bei uns nicht dieses Himmelhochjauchzen und zu Tode betrübt sein gibt. Wenn man sieht, was die Menschen bewegt, dann sind es diese Dramen, die in der MotoGP entstanden sind und die verantwortlich sind, warum diese Serie heute so einen Boom erlebt.

Dramen sind das eine, Spekulationen das andere. Wäre ein Fahrermarkt in der DTM wünschenswert, so wie es gerade um Edoardo Mortara und Mercedes der Fall ist?
Hans Werner Aufrecht: Ich vergleiche die DTM gerne mit dem Fußball. Der FC Bayern München spielt auch immer auf hohem Niveau. Ich gehe aber mal davon aus, dass es dort in jedem Jahr Veränderungen beim Personalbestand gibt. Das ist bei uns ein großer Nachteil und wir müssen da mehr Pfeffer reinbringen. Dass auch die Fahrer wissen, ‚mein Job ist gar nicht so sicher und es kann sein, dass ich rausfliege, wenn die Leistung nicht stimmt´. Das ist in der DTM aber nicht gegeben. Wenn das kommt mit den sechs Fahrzeugen, was momentan noch nicht entschieden ist, dann tut sich mal was.

Warum zieht sich die Diskussion über die mögliche Reduzierung des Starterfeldes für 2017 so lange hin?
Hans Werner Aufrecht: Das fragen Sie bitte Audi, BMW und Mercedes...

Was wird kommen: 24, 21 oder 18 Autos in der kommenden Saison?, Foto: DTM
Was wird kommen: 24, 21 oder 18 Autos in der kommenden Saison?, Foto: DTM

Ein anderes Thema ist der Rennkalender. Die Rückkehr nach Spa wurde in Medien diskutiert. Ist das eine Möglichkeit?
Hans Werner Aufrecht: Nein. Spa ist eine schwierige Strecke und ein schwieriges Umfeld in Sachen Organisation und Rechten. Das Hauptproblem ist aber - das haben wir bei der Formel 1 gesehen - das Zuschaueraufkommen. Wenn es dort keinen Helden gibt, so wie jetzt Max Verstappen und halb Holland kommt, dann ist Spa ganz schwierig. Selbst die Formel 1 hat dann nur ein halbvolles Haus. Wie soll es da uns gelingen, nur einigermaßen Zuschauer hinzubekommen? Ich glaube, dass wir uns keinen Gefallen tun, wenn wir da hingehen. Dass jeder Fahrer da hinmöchte, braucht man mir nicht zu erklären. Wenn es nur danach ginge, wäre ich auch gern in Spa. Aber wir wollen dort fahren, wo wir sicher sind, dass wir ordentliche Zuschauerzahlen haben.

Wie sieht der aktuelle Stand zum Kalender 2017 aus? Ihr Wunsch waren einmal zwölf Rennwochenenden...
Hans Werner Aufrecht: Im Moment bin ich froh, dass wir die neun Wochenenden, also 18 Rennen, haben.

Also fährt die DTM 2017 auf den gleichen Strecken wie 2016?
Hans Werner Aufrecht: Der Kalender von 2017 wird dem von 2016 sehr ähnlich sein.

Eine Rückkehr an den Sachsenring steht immer wieder im Raum...
Hans Werner Aufrecht: Der Sachsenring ist immer ein Thema, keine Frage. Aber die Probleme sind in jedem Jahr die gleichen. Es sind ganz einfach die Lärm-Tage, die zur Verfügung stehen - und die sind blockiert. Wenn sich da nichts tut, sehe ich keine Chance, am Sachsenring zu fahren. Ich glaube, es gibt keinen Hersteller, der nicht gerne am Sachsenring fahren würde. Im Moment gibt es die Möglichkeit allerdings einfach nicht.

2017 soll es wieder ein Motorsport Festival geben wie in diesem Jahr. Wie ist hier der aktuelle Stand der Planungen?
Hans Werner Aufrecht: Auf dem Lausitzring hatten wir in diesem Jahr eine tolle Stimmung. Dadurch kamen deutlich mehr Zuschauer. Deshalb wollen wir auf so etwas nicht verzichten, sondern es eher ausbauen. Man kann das sicher nicht einfach vervielfältigen. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass zwei solche Motorsport Festivals innerhalb einer Saison auch erfolgreich sein können.

Frühere Formel-1-Fahrer haben eine Geschichte in der DTM. Zuletzt wurde über einen Einstieg von Felipe Massa diskutiert...
Hans Werner Aufrecht: Wenn solche Stars aus der Formel 1 kommen, müssen sie in der Lage sein, der DTM ihren Stempel aufzudrücken. Wenn sie aber kommen und nur hinten rumeiern, dann nützt uns das auch nichts. Wir sehen ja, was möglich ist, wenn junge Fahrer hierherkommen und sich gut integrieren. Schauen wir uns den Rosenqvist an, der bereits in den ersten Rennen unter den ersten Zehn war. Wenn dann ein Formel-1-Star kommt wie Massa, steht der natürlich unglaublich unter Druck. Ich denke, dass der Druck in der DTM dann viel größer wäre als in der Formel 1. Alle 24 Jungs warten dann doch nur darauf, ihm eine zu verbraten.